Erbfall nach italienischem Recht

Entstehung der Erbschaftsteuer

Wann bei einem italienischem Erbfall in Italien für eine in Deutschland lebende Italienerin deutsche Erbschaftsteuer anfällt, hat der BFH entschieden.

Veröffentlicht am: 08.06.2022
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht und Steuerrecht in München
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Erwirbt ein inländischer Erbe nach italienischem Erbrecht, entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der nach italienischem Recht notwendigen Annahme der Erbschaft durch den Erben. Dies entschied jüngst der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil aus November 2021 (BFH, Urteil. v. 17.11.2021– II R 39/19).

Das Urteil beschäftigt sich mit wichtigen Fragen zur Behandlung grenzüberschreitender Fallkonstellationen und den technischen Voraussetzungen der Ermittlung von ausländischen Tatsachen und ausländischem Recht. Der BFH hat hier seine Auffassung bestätigt, dass ein ausländischer Erbfall im Inland der Erbschaftsteuer unterliegen kann, wenn der Vermögensanfall in seiner wirtschaftlichen Bedeutung einem durch das deutsche ErbStG erfassten Erwerb gleichkommt und der Erwerber zum Erwerbszeitpunkt einen inländischen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Im Streitfall spielt eine Besonderheit des italienischen Erbrechtseine Rolle. Während nach dem BGB der Erbe unmittelbar nach dem Tod des Erblassers in dessen Rechtsstellung eintritt (§ 1922 Abs. 1 BGB), wirkt nach italienischem Recht die Annahme der Erbschaft konstitutiv. Die Rechtsstellung als Erbe tritt erst mit der Annahme der Erbschaft ein. Bis zu diesem Zeitpunkt besteht ein "Schwebezustand", für den der Nachlass ohne Rechtsträger ist. Die Annahme der Erbschaft wirkt sodann auf den Todeszeitpunkt des Erblassers zurück.

Italienierin beerbt einen Italiener in Italien

Die Klägerin X besitzt ausschließlich die italienische Staatsangehörigkeit. Am 24.8.2015 verstarb ihr Vater, ein italienischer Staatsangehöriger mit letztem Wohnsitz in Italien und dort belegenem Nachlass. Aufgrund gesetzlicher Erbfolge war die X, die damals noch in Deutschland lebte, als Miterbin berufen. Sie informierte im November 2015 den Beklagten (das Finanzamt) über den Sachverhalt, aber auch darüber, dass sie die Erbschaft noch nicht angenommen habe, wie es das italienische Recht für einen Erwerb erfordere. Im Juli 2016 gab X ihren inländischen Wohnsitz auf und verzog nach Italien. Anschließend erklärte sie die Annahme der Erbschaft.

Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 12.4.2017 Erbschaftsteuer fest und wies den Einspruch von X zurück. Die Steuer sei bereits am 24.8.2015 und damit zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem die Klägerin einen inländischen Wohnsitz gehabt hätte. X ging davon aus, der Erbfall unterliege nicht der deutschen Erbschaftsteuer. Ihren inländischen Wohnsitz habe sie zwar zum Todeszeitpunkt des Erblassers (in 2015) innegehabt, aber nicht mehr zum Zeitpunkt der formellen Annahme der Erbschaft nach ihrem Wegzug nach Italien (Juli 2016). Sie sei daher nicht als (steuerpflichtige) Inländerin i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, Satz 2 Buchst. a ErbStG anzusehen.

Das Finanzgericht Hessen hatte entschieden, dass der Erwerb der Klägerin als Erbin nach ihrem Vater der Erbschaftsteuer nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz unterliegt. Die Steuer ist auf den Todestag des Vaters entstanden. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin wenigstens ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts Hessen und den Erbschaftsteuerbescheid der Beklagten aufzuheben.

BFH sieht Pflicht zur Erbschaftsteuer in Deutschland

Der BFH schließt sich der Auffassung des Finanzgerichts Hessen an. Die Revision zum BFH war unbegründet.

Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG unterliegt der Erbschaftsteuer der Erwerb von Todes wegen. Dazu gehört gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG auch der Erwerb durch Erbanfall iSv § 1922 BGB. Nach § 1922 Abs. 1 BGB geht mit dem Tode einer Person (Erbfall) deren Vermögen (Erbschaft) als Ganzes auf eine oder mehrere andere Personen (Erben) über.  Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG tritt Steuerpflicht für den gesamten Vermögensanfall (unbeschränkte Steuerpflicht) in den Fällen des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 ErbStG ein, wenn ua der Erwerber zur Zeit der Entstehung der Steuer (§ 9 ErbStG) ein Inländer ist. Als Inländer gelten nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 Buchst. a ErbStG unter anderem natürliche Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben.

Die Steuer entsteht nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bei Erwerben von Todes wegen grundsätzlich mit dem Tode des Erblassers, jedoch für den Erwerb des unter einer aufschiebenden Bedingung Bedachten nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 ErbStG mit dem Zeitpunkt des Eintritts der Bedingung.

Für den Erwerb eines Erben nach italienischem Erbrecht entsteht inländische Erbschaftsteuer mit dem Zeitpunkt des Todes des Erblassers und nicht erst mit der Annahme durch den Erben.

Der Erbschaftserwerb ist nach Art. 456 ff. CC, § 3 Abs. 1 Nr. 1 Alt. 1 ErbStG steuerbar. Er ist als Erbanfall iSd § 1922 BGB zu qualifizieren.

Laut BFH sei die Steuer auf den Todestag des Vaters entstanden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Klägerin noch unbeschränkt steuerpflichtig gewesen, da sie einen Wohnsitz in Deutschland gehabt habe. Entstehungszeitpunkt der Steuer ist nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG der Tod des Erblassers. Die Annahme der Erbschaft nach italienischem Recht ist nicht als aufschiebende Bedingung entsprechend § 9 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Alt. 1 ErbStG iVm § 158 Abs. 1 BGB zu qualifizieren, sondern als rückwirkendes Ereignis entsprechend § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 AO.

Die Erbschaftsannahme nach Art. 459 CC ist der Bedingung rechtlich und wirtschaftlich nicht vergleichbar. Die Erbschaft wird zwar erst mit der Annahmeerklärung erworben, sie wirkt aber nach Art. 459 S. 2 CC ex tunc auf den Zeitpunkt der Eröffnung der Erbfolge zurück. Materiell-rechtlich fällt die Erbschaft daher mit dem Zeitpunkt des Erbfalls an.

Erbschaftsteuer beim internationalen Erbfall mit Auslandsbezug

Bei einem Erbfall im Ausland mit steuerlichem Bezug nach Deutschland orientiert sich die erbschaftsteuerliche Beurteilung an den Strukturen des deutschen Rechts. Wirkt eine Annahme der Erbschaft auf den Erbfall zurück, entsteht die Steuer bereits zur Zeit des Erbfalls und nicht erst zur Zeit der Annahme.

Eine spätere Steuerentstehung kommt hingegen bei einer sog. aufschiebenden Bedingung in Betracht, die den Anforderungen des BGB genügt. Beispiele können sein, dass die Erbeinsetzung von einer Heirat, der Geburt eines Kindes, dem Erreichen eines bestimmten Alters oder eines bestimmten Berufsabschlusses abhängig ist.

Hätte es sich bei der Annahme der Erbschaft um eine aufschiebende Bedingung gehandelt, wäre die Erbschaftsteuer erst im Zeitpunkt der Annahme entstanden; in diesem Zeitpunkt hätte aber die Klägerin ihren Wohnsitz nicht mehr in Deutschland gehabt, sodass der Erwerb nicht steuerbar gewesen wäre.