Familienstiftung & Schenkungsteuer
Nachfolgeplanung: Familienvermögen langfristig erhalten
Die Übertragung eines Familienunternehmens, oder sonstigem Familienvermögen, auf eine Stiftung ist eine Gestaltungsoption, um Vermögen über Generationen wirksam zusammenzuhalten und dabei erbschaftsteuerlich nicht schlechter gestellt zu werden als bei direkten Übertragungen. Doch wie so oft liegt der Teufel im Detail. Zwei aktuelle Gerichtsentscheidungen zeigen, dass die steuerliche Behandlung von Familienstiftungen komplex ist und dass die Satzungsgestaltung dabei von entscheidender Bedeutung sein kann.
Familienstiftungen erleben in Deutschland einen bemerkenswerten Boom. Mittlerweile entfallen rund 50 Prozent aller Stiftungsgründungen auf Familienstiftungen, Tendenz steigend. Der Grund liegt auf der Hand: Bei einem zunehmend durch Unsicherheiten geprägten Umfeld ermöglichen sie Unternehmerfamilien, Vermögen dauerhaft zu konzentrieren, Zersplitterung durch Erbgänge zu verhindern und die Unternehmensstrategie generationenübergreifend festzuschreiben. Dabei sollte eines klar sein: Eine Familienstiftung ist kein Steuersparmodell. Anders als gemeinnützige Stiftungen genießen Familienstiftungen keine Steuerprivilegien – im Gegenteil: Sie unterliegen alle 30 Jahre der sogenannten Ersatzerbschaftsteuer.
Errichtungsbesteuerung: Steuerklassen und Freibeträge
Wer eine Familienstiftung errichtet und mit Vermögen ausstattet, löst einen schenkungsteuerbaren Vorgang aus (§ 7 Abs. 1 Nr. 8 ErbStG). Entscheidend für die Höhe der Steuerbelastung ist die anzuwendende Steuerklasse – und diese bestimmt sich nach dem sogenannten "entferntest Berechtigten". Das ist derjenige Begünstigte (Destinatär) einer Stiftung, der mit dem Stifter am entferntesten verwandt ist. Das Gesetz arbeitet insoweit mit einer Fiktion: Statt für die Übertragung auf die unmittelbar empfangende Stiftung abzustellen, was zur ungünstigsten Steuerklasse III mit nur 20.000 Euro Freibetrag führen würde, wird stattdessen auf das Verwandtschaftsverhältnis zwischen Stifter und den nach der Satzung Begünstigten abgestellt und diese Steuerklasse zugrunde gelegt.
Die Unterschiede sind erheblich: Während Kinder einen Freibetrag von 400.000 Euro genießen (Steuerklasse I), stehen Enkeln 200.000 Euro zu und Urenkeln immerhin noch 100.000 Euro. Allen anderen dagegen nur 20.000 Euro Wer also in der Stiftungssatzung entsprechend formuliert und den Kreis der Begünstigten auf die direkte Nachfolgegeneration beschränkt, kann die Steuerbelastung erheblich senken. Doch Vorsicht ist geboten.
BFH-Rechtsprechung: Der potenzielle Abkömmling zählt
Mit Urteil vom 28. Februar 2024 (II R 25/21) hat der Bundesfinanzhof klargestellt: Als "entferntest Berechtigter" gilt nicht nur, wer aktuell existiert oder einen klagbaren Anspruch hat, sondern jeder, der nach der Satzung potenziell Vermögensvorteile erlangen kann – selbst wenn er noch nicht geboren ist und möglicherweise niemals geboren wird. Im entschiedenen Fall sah die Stiftungssatzung eine Versorgung der Stifter, ihrer Tochter und "weiterer Abkömmlinge des Stammes der Stifter" vor, wobei Letztere jeweils erst nach Wegfall der vorherigen Generation begünstigt werden sollten.
Die Klägerin argumentierte, dass noch gar nicht absehbar sei, ob es Enkel gibt, und künftige Enkelgenerationen ja erst mit dem Tod der Tochter berechtigt würden und daher nicht zu berücksichtigen seien. Der BFH sah das anders: Entscheidend sei allein, dass nach der Satzung auch alle potenziellen Generationen von Abkömmlingen Vermögensvorteile erhalten könnten. Damit war statt des erhofften Freibetrags von 400.000 Euro nur der für Urenkel und nachfolgende Generationen geltende Freibetrag von 100.000 Euro anzusetzen – ein Unterschied, der die Schenkungsteuer von 3.220 Euro auf 59.175 Euro erhöhte.
Für Stifter bedeutet das: Wer in der Satzung großzügig formuliert und alle Abkömmlinge als begünstigt vorsieht, zahlt einen entsprechenden Preis bei der Errichtungsbesteuerung. Das ist insofern sehr misslich, als der Zweck der Familienstiftung ja gerade im generationenübergreifenden Zusammenhalt des Familienvermögens besteht.
Steuerklasse und Anfallsberechtigter: Eine neue Konfliktlinie
Eine weitere brisante Frage hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz mit zwei Urteilen vom September und Oktober 2024 (4 K 1138/24 und 4 K 1042/23) aufgeworfen: Was ist mit den Anfallsberechtigten, also jenen Personen, die bei Auflösung der Stiftung das verbleibende Vermögen erhalten sollen? Welchen Einfluss haben diese auf die Frage nach dem „entferntest Berechtigten“?
Viele Stiftungssatzungen regeln vorsorglich, dass das Restvermögen bei Auflösung beispielsweise einer gemeinnützigen Organisation zufallen soll – als subsidiäre Lösung, falls keine Familienmitglieder mehr leben. Die Finanzverwaltung vertrat die Auffassung, dass auch diese Anfallsberechtigten bei der Bestimmung des "entferntest Berechtigten" zu berücksichtigen seien. Die Konsequenz wäre dramatisch: Selbst wenn alle Bezugsberechtigten zur Steuerklasse I gehören, würde die bloße Möglichkeit, dass bei Auflösung eine gemeinnützige Organisation (Steuerklasse III) anfallsberechtigt ist, zur Anwendung der ungünstigsten Steuerklasse führen.
Das FG Rheinland-Pfalz hat dieser Sichtweise eine Absage erteilt. Die systematische Auslegung des § 15 Abs. 2 ErbStG spreche dagegen: Während Satz 1 die Errichtungsbesteuerung regele, behandle Satz 2 ausdrücklich die Besteuerung bei Auflösung. Es wäre systemwidrig, Anfallsberechtigte bereits bei der Errichtung zu berücksichtigen, wenn es insoweit eigenständige Regeln zur Auflösungsbesteuerung gäbe.
Die Entscheidung ist für die Praxis erfreulich, aber noch nicht rechtskräftig. Beim BFH sind unter den Aktenzeichen II R 33/24 und II R 35/24 Revisionsverfahren anhängig.
Praxishinweis: Abstimmung und präzise Satzungsgestaltung
Was bedeutet das für Stifter, die eine Familienstiftung erwägen? Zunächst: Vorabstimmung mit dem Finanzamt ist unverzichtbar. Die aktuelle Rechtsprechung zeigt, dass zwischen Theorie und Praxis erhebliche Interpretationsspielräume bestehen – und diese sollten nicht erst im nachträglichen Streit ausgeräumt werden. Das ist bei einer professionell begleiteten Stiftungsgründung der Normalfall.
Bei der Satzungsgestaltung gilt: Weniger kann mehr sein. Wer den Kreis der Bezugsberechtigten möglichst eng auf die nächste und übernächste Generation beschränkt, minimiert das Risiko ungünstiger Steuerklassen und Freibeträge. Gleichzeitig sollte bei der Regelung der Anfallsberechtigung überlegt werden, ob statt einer gemeinnützigen Organisation nicht besser eine Zweckänderung in einen gemeinnützigen Stiftungszweck vorgesehen wird – so bleibt die Stiftung identitätswahrend bestehen, ohne dass ein steuerlich relevanter Vermögensanfall bei Steuerklasse III droht. Dies gilt jedenfalls solange der BFH die insoweit stifterfreundliche Rechtsprechung des FG Rheinland-Pfalz noch nicht bestätigt hat.
Die Familienstiftung bleibt ein interessantes Instrument der Nachfolgeplanung, wenn der langfristige Erhalt des Familienvermögens im Vordergrund steht. Dabei sollten die steuerlichen Fallstricke erkannt und die Satzung mit Bedacht formuliert werden. Wer hier nachlässig agiert, riskiert nicht nur höhere Steuerzahlungen, sondern auch langwierige Auseinandersetzungen mit dem Fiskus. In Zeiten, in denen Rechtsprechung und Finanzverwaltung unterschiedliche Wege gehen, ist fachkundige Beratung keine Option, sondern Pflicht.
