Fehlerquelle handschriftliches Testament

Wirksamkeitsvoraussetzungen und Auslegungsfragen

Veröffentlicht am: 10.06.2020
Qualifikation: Rechtsanwalt in Hamburg
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Ein wirksames Testament muss nicht zwingend notariell beurkundet werden, sondern es genügt auch, wenn es vom Erblasser eigenhändig geschrieben und unterschrieben wird. Dass diese (kostengünstigere) Variante nicht ohne Risiken ist, wenn man dabei auf entsprechende erbrechtliche Beratung verzichtet, zeigt eine neue Entscheidung des Kammergerichts Berlin (6 W 58/19).

Komplizierte Familienverhältnisse

Im streitigen Fall verstarb der Erblasser kinderlos und verwitwet. Seine Schwester war bereits verstorben. Sie hinterließ vier Kinder (Neffen und Nichten des Erblassers), von denen ebenfalls eine Tochter vorverstorben war und von ihrem Sohn (Großneffe des Erblassers) beerbt wurde. Die drei verbleibenden Neffen des Erblassers beantragten einen gemeinschaftlichen Erbschein, der jeden von ihnen zu einem Drittel als Erben ausweisen sollte. Dem ist der Großneffe entgegen getreten. Mit Erfolg – der gewünschte Erbschein wurde nicht erteilt.

Zwei letztwillige Verfügungen – nur eine wirksam

Hintergrund war, dass der Erblasser zwei letztwillige eigenhändige Verfügungen errichtet hatte. Die erste 2009. Nach dieser wurde seine bereits verstorbene Schwester (die Mutter der Antragsteller) zu seiner Alleinerbin bestimmt. Ein weiteres Testament errichtete er knapp 10 Jahre später im Jahr 2018. Bei diesem setzte er seine Neffen zu je einem Drittel als Erben ein. Letzteres Testament hatte er zwar eigenhändig geschrieben, jedoch nicht unterschrieben. Damit sind die zwingenden erbrechtlichen Formvorschriften nicht erfüllt worden, sodass den Richtern gar keine andere Wahl blieb, als die Unwirksamkeit des neueren Testaments festzustellen. Es kam somit allein auf das Testament von 2009 an.

Auslegungshilfe nach § 2069 BGB

Das Gericht versagte den begehrten Erbschein. Im Testament von 2009 hatte der Erblasser seine vorverstorben Schwester zur Alleinerbin eingesetzt. Das Testament konnte daher nur dann für die Erbfolge maßgeblich sein, wenn sich im Wege der Auslegung des Testaments ermitteln ließe, dass der Erblasser zugleich eine Ersatzerbfolge angeordnet hatte. Andernfalls wäre die gesetzliche Erbfolge eingetreten.

Eine ausdrückliche Bestimmung der Ersatzerben ist nicht erfolgt. Nicht einschlägig war in diesem Fall auch die Auslegungshilfe des § 2069 BGB. Nach dieser Vorschrift ist in den Fällen, in denen der Erblasser einen seiner Abkömmlinge bedacht hat und dieser nach der Errichtung des Testaments wegfällt, im Zweifel anzunehmen, dass dessen Abkömmlinge als Ersatzerben vorgesehen sind. Diese gesetzliche Vermutungsregel gilt jedoch ausdrücklich nur für Abkömmlinge, die zu Erben eingesetzt wurden. Vorliegend hatte der Erblasser aber seine Schwester als Erbin eingesetzt. Eine analoge Anwendung lehnte das Gericht – der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes folgend – ab.

Ergänzende Testamentsauslegung (Andeutungstheorie)

Als nächstes prüfte das Gericht, ob im Wege der ergänzenden Testamentsauslegung eine konkludente Ersatzerbeneinsetzung vorgenommen worden sei. Dabei ist zu beachten, dass im Erbrecht kein Erblasserwille in das Testament hineingetragen werden darf, welcher nicht wenigsten andeutungsweise Ausdruck gefunden hat (Andeutungstheorie). Vorliegend argumentierte das Gericht damit, dass der Erblasser unter anderem eine Halbschwester und deren Tochter nicht als Erben vorgesehen hatte und er daher offensichtlich nicht die gesetzliche Erbfolge wünschte, sondern seine Schwester bzw. ihren „Stamm“ bevorzugen wollte. Dafür spräche auch die Tatsache, dass er ihren Verwandtschaftsgrad („meine Schwester“) im Testament explizit hervorgehoben hat, da er damit andeutet habe, dass er sie gerade wegen ihrer „Eigenschaft“ als in der Seitenlinie verwandte nahe Angehörige eingesetzt habe.

Abkömmlinge der vorverstorbenen Schwester sind jedoch nicht nur deren Kindern sondern auch deren Enkel. Das (unwirksame) Testament von 2018 könnte zwar dafür sprechen, dass der Verstorbene seinen Großneffen ausschließen wollte, jedoch erlaubt der lange Zeitraum von knapp 10 Jahren zwischen den Errichtungen der beiden Testamente keine verlässlichen Rückschlüsse auf den für die Auslegung maßgeblichen Willen des Erblassers bei Errichtung des ersten Testaments.

Vorsicht beim privatschriftlichen Testament

Der vorgestellte Fall zeigt eindringlich, dass im Rahmen der Nachfolgeplanung - insbesondere beim handschriftlichen Testament - eine Reihe von Fallstricken lauert. Dies betrifft nicht nur die formwirksame Errichtung, die regelmäßig Schwierigkeiten bereitet, sondern auch die inhaltliche Ausgestaltung. Das Erbrecht bietet zwar einige Vermutungsregelungen und Auslegungshilfen, um Regelungslücken in letztwilligen Verfügungen durch Auslegung zu schließen, doch kann es keinem Erblasser empfohlen werden, es darauf ankommen zu lassen. Besser ist, in seinem Testament möglichst alle Eventualitäten zu bedenken und zu erfassen.   

Wer seinen Nachkommen einen Erbstreit ersparen will, sollte daher regelmäßig die Expertise eines Rechtsanwalts für Erbrecht oder eines entsprechend spezialisierten Notars in Anspruch nehmen.