Wert der Firma bei der Pflichtteilsberechnung

Enterbte dürfen Belege verlangen

Veröffentlicht am: 16.12.2025
Qualifikation: Fachanwältin für Erbrecht

Gehört ein Unternehmen zur Erbschaft und wurden nahe Angehörige enterbt, kann man ausgiebig um den Wert des Unternehmens für die Berechnung des Pflichtteils streiten.

Bei der Bewertung eines Unternehmens für die Berechnung von Pflichtteilsansprüchen ist ein Konflikt zwischen Erbe und Enterbten meist unausweichlich. Gestritten wird regelmäßig über Gutachten und Belege. Das Landgericht Bochum hat in diesem Sommer entschieden, dass ein Pflichtteilsberechtigter die isolierte Vorlage von Unterlagen verlangen kann, die er benötigt, um eine bereits vorliegende Bewertung einer Unternehmensbeteiligung nachzuvollziehen (LG Bochum, 18. Juli 2025 - I-5 O 192/23).

Erblasser war GmbH-Gesellschafter

In dem Fall wurde unter anderem eine GmbH vererbt. Der Erblasser war alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer. Gemeinsam mit seiner Ehefrau hatte er ein Ehegattentestament errichtet, in dem sich das Paar gegenseitig zu Alleinerben einsetzte. Als der Erblasser Ende Januar 2021 verstarb, wurde seine Frau entsprechend Erbin und erhielt vom Nachlassgericht einen Erbschein. Nicht berücksichtigt wurden dabei die gemeinsamen Kinder des Paares. Der Sohn und die Tochter gingen in dem Erbfall leer aus. Die Tochter wollte das so nicht hinnehmen und machte als pflichtteilsberechtigter Abkömmling zunächst Auskunftsansprüche im Hinblick auf Pflichtteilsansprüche und Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend. Die Mutter forderte sie auf, binnen sechs Wochen ein notarielles Nachlassverzeichnis vorzulegen. Kurz darauf folgte auch schon eine Zahlung in Höhe von 250.000 Euro von der Mutter an die Tochter. 

Hinsichtlich der Bewertung der GmbH in der Erbschaft hatte die Witwe ihrer Tochter insgesamt drei Gutachten vorgelegt, davon eines zum Zwecke der Erbschaftsteuer. Die in den Gutachten genannten Firmenwerte lagen zwischen  ca. 5,5 Millionen Euro und gut 12 Millionen Euro. Auf Verlangen der Tochter übersandte die Mutter noch steuerliche Abschlüsse von mehreren Jahren sowie eine notarielle Gründungsurkunde. Sie zahlte dann noch mal 500.000 Euro auf den Pflichtteil, weigerte sich aber, weitere Belege zu schicken. Das führte zur Pflichtteilsklage vor dem Landgericht.

Anspruch auf die Belege ergibt sich aus dem Pflichtteilsrecht

Die Klage auf Vorlage der Belege war erfolgreich. Ein Anspruch auf die geforderte Belegvorlage, so das Gericht, ergebe sich aus § 2314 Absatz 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB. Der Pflichtteilsberechtigte hat gegen den Erben einen Wertermittlungsanspruch hinsichtlich des Werts der Nachlassgegenstände. Dieser Wertermittlungsanspruch soll dem Enterbten ein umfassendes Bild über den Nachlass und damit über seinen Pflichtteilsanspruch verschaffen. Das Landgericht stellte in diesem Zusammenhang klar, dass nicht etwa der Pflichtteilsberechtigte selbst, sondern der Erbe auf ein entsprechendes Verlangen hin hierzu ein Wertermittlungsgutachten in Auftrag zu geben habe. Im Rahmen dieses Wertermittlungsanspruchs bestehe, wenn es um die Bewertung eines Unternehmens für die Berechnung des Pflichtteils gehe, auch ein Anspruch des enterbten Angehörigen auf Belegvorlage. Demnach könne die klagende Tochter in diesem Fall auch lediglich die isolierte Belegvorlage verlangen, ohne gleichzeitig eine Wertermittlung durch Gutachten geltend zu machen. 

Pflichtteilsprobleme bei Betriebsvermögen

Gerade bei Nachlässen mit Unternehmensbeteiligungen spielt das Thema Pflichtteil traditionell eine bedeutende Rolle. Häufig wird bei Familienunternehmen ein Nachfolger bestimmt und die “weichenden” Geschwister werden mit Privatvermögen abgefunden. Ist das Vermögen dann ganz überwiegend im Betrieb gebunden, sind nicht genug liquide Mittel vorhanden, um die Pflichtteile aller Kinder zu befriedigen. Aus diesem Grund versucht jeder erfahrene Berater, eine Unternehmensnachfolge mit entsprechenden Pflichtteilsverzichten abzusichern. Gelingt das nicht, sollte man gut darauf vorbereitet sein, dass Pflichtteilsanspruch geltend gemacht werden und der Streit um Gutachen und Belege letztlich vor Gericht landet. 

Video: Unternehmen richtig vererben

Rechtsanwalt Bernfried Rose gibt in diesem Video einen Überblick über die wichtigsten Themen bei der Vererbung von Betriebsvermögen.