Interne Untersuchungen und Kündigungsfrist

Fristlose Kündigung von Geschäftsführer und Vorstand

Decken interne Untersuchungen Pflichtverletzungen auf, kommt das Thema Kündigung auf die Agenda. Doch wann beginnt die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 626 BGB?

Veröffentlicht am: 06.06.2024
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Unternehmensinterne Untersuchungen – manchmal auch Internal Investigations bzw. interne Ermittlungen genannt – spielen heute eine zentrale Rolle in Unternehmen. Doch nicht nur bei der Durchführung von internen Untersuchungen stellen sich viele Fragen. Bringen die Ermittlungen Pflichtverletzungen an das Tageslicht, bleibt unter Umständen nicht viel Zeit zum Nachdenken. Warum? Nun, auch für Geschäftsführer und Vorstände gilt die aus dem Arbeitsrecht bekannte zweiwöchige Kündigungsfrist.

Warum diese wichtig ist und was Geschäftsführer, Vorstände, Aufsichtsräte und Gesellschafter beachten müssen, macht eine etwas unbeachtete Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts deutlich.

Interne Untersuchung und Zwischenbericht

Der Kläger war bei der Beklagten, einem in den Bereichen Verteidigung und Raumfahrt tätigen Unternehmens, beschäftigt. Das Unternehmen erhielt Hinweise, dass geheime Unterlagen u.a. womöglich vom Kläger an Dritte weitergegeben worden waren. Die Compliance-Abteilung leitete daraufhin eine interne Untersuchung durch eine externe Rechtsanwaltskanzlei ein. Im Juni des Jahres beschloss die Compliance-Abteilung, die Untersuchung vorläufig zu unterbrechen. Die Rechtsanwaltskanzlei erstellte daraufhin einen Zwischenbericht, welcher im September an die verantwortlichen Personen innerhalb des Unternehmens gegeben wurde. Zehn Tage später sprach das Unternehmen auf der Grundlage des Zwischenberichts dem Kläger die fristlose Kündigung aus.

Hintergrund: Zweiwöchige Kündigungsfrist § 626 BGB

Grundsätzlich ist zwischen der ordentlichen („normalen) Kündigung eines Geschäftsführervertrages / Vorstandsvertrages und der außerordentlichen Kündigung eines Geschäftsführervertrages / Vorstandsvertrages zu unterscheiden. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass die außerordentliche Kündigung sofort, d.h. ohne besondere Frist, wirkt. Mit anderen Worten: Mit Ausspruch der außerordentlichen Kündigung ist der Geschäftsführervertrag / Vorstandsvertrag beendet. Man spricht daher auch von einer fristlosen Kündigung.

Es liegt auf der Hand, dass eine solche fristlose Kündigung die Interessen von Geschäftsführer / Vorstand in einem besonderem Maße betreffen. Das Gesetz sieht vor diesem Hintergrund in § 626 BGB vor, dass eine außerordentliche Kündigung innerhalb einer zweiwöchigen Frist erfolgen muss:

§ 626 Absatz 2 BGB: „Die Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen.“

Das Unternehmen (GmbH, AG) soll sich schnell entscheiden, ob die Kündigungsgründe so gewichtig sind, dass eine weitere Zusammenarbeit mit Geschäftsführer bzw. Vorstand unzumutbar ist oder nicht.

Hintergrund: Interne Untersuchungen

Bei internen Untersuchungen stellt sich in Hinblick auf die zweiwöchige Kündigungsfrist nun das folgende Dilemma:

Interne Untersuchungen durchlaufen in der Praxis verschiedene Phasen:

  • Planung der Untersuchung: In diesem Schritt werden die benötigten Personen, Ressourcen und eventuell externen Berater eingeplant. Eine sorgfältige Planung ist entscheidend, um die Untersuchung effizient und effektiv durchzuführen.
  • Durchführung der Untersuchung: Diese Phase umfasst Interviews mit Mitarbeitern, E-Discovery (digitale Beweismittelsicherung) und die Analyse von Daten und Dokumenten. Dabei werden alle relevanten Informationen gesammelt und überprüft.
  • Analyse der Ergebnisse: Die gesammelten Daten und Informationen werden von internen oder externen Experten analysiert und bewertet. Hierbei wird festgestellt, ob tatsächlich Verstöße vorliegen und wie schwerwiegend diese sind.
  • Berichterstattung und Empfehlungen: Das Untersuchungsteam erstellt einen detaillierten Bericht und gibt Empfehlungen für weitere Maßnahmen. Dieser Bericht bildet die Grundlage für die Entscheidungen des Managements.

Je nach Umständen des Einzelfalls gibt es zudem Zwischenphasen. So ist es durchaus üblich, dass im Rahmen von internen Ermittlungen ein oder mehrere Zwischenberichte seitens der mit der Untersuchung beauftragten Personen erstattet werden.

Bringt die Berichterstattung (mögliche) - egal ob Zwischenbericht oder Endbericht - Pflichtverletzungen zu Tage, so müssen die im Unternehmen verantwortlichen Personen über die Umsetzung etwaiger Maßnahmen entscheiden.

Wer muss Kenntnis haben? Gesellschafter, Gesellschaftsversammlung, Aufsichtsrat?

Wer sind die im Unternehmen verantwortlichen Personen? Die verantwortlichen Personen sind diejenigen, welche nach der Unternehmensstruktur für die Kündigung von Geschäftsführervertrag bzw. Vorstandsvertrag zuständig sind. In der GmbH ist dies gewöhnlich die Gesellschafterversammlung, gegebenenfalls ein bestehender Aufsichtsrat. In der Aktiengesellschaft (AG) ist dies zwingend der Aufsichtsrat.

Maßgeblich für den Beginn der zweiwöchigen Frist ist mithin die Kenntnis der genannten Personen bzw. Organe.

Das Bundesarbeitsgericht vertrat in der oben genannten Entscheidung die Auffassung, dass der Zeitpunkt, in welchem die interne Compliance-Abteilung oder der externen Rechtsanwälte Kenntnis von den kündigungserheblichen Tatsachen habe, nicht den Beginn der 2-Wochen-Frist markiere. Das Unternehmen müsse aber sicherstellen, dass diese Personen ihr Wissen innerhalb einer angemessenen Zeitspanne an die für die fristlose Kündigung verantwortlichen Personen (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat) weitergeben. Erfolge diese Wissensweitergabe in angemessener Zeit, beginne die zweiwöchige Kündigungsfrist des § 626 BGB erst in dem Zeitpunkt, in welchem die kündigungsberechtigte Person Kenntnis von den kündigungserheblichen Tatsachen habe.

Praxis: Schnelles Handeln, Beschlüsse von Gesellschafterversammlung und Aufsichtsrat

Die Entscheidung zeigt, dass ein „Bummeln“ im Fall interner Untersuchungen vermieden werden sollte. Spätestens mit dem Vorliegen der kündigungserheblichen Tatsachen tickt die Uhr. Verschärft wird diese Situation dadurch, dass es sich bei den kündigungsberechtigten Personen (Gesellschafterversammlung, Aufsichtsrat) meist um sogenannte Gremien mit einer Vielzahl von Personen handelt. Die Beschlussfassung dieser Gremien unterliegt wiederum eigenen Regelungen, wie beispielsweise längeren Ladungsfristen für eine Beschlussfassung. Entsprechende Ladungsfristen verzögern naturgemäß weiter die Erklärung einer fristlosen Kündigung von Geschäftsführer bzw. Vorstand …