Schenkung eines Hauses nicht automatisch Ausstattung

13 Jahre zurückliegenden Immobilienübertragung für Pflichtteil unbeachtlich

Sofern eine lebzeitige Schenkung eine Ausstattung darstellt, kommt sie auch dann dem Pflichtteilsberechtigten zugute, wenn sie mehr als zehn Jahre vor dem Erbfall liegt.

Veröffentlicht am: 01.09.2023
Qualifikation: Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht
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Das Oberlandesgericht Koblenz hat sich in einem aktuellen Urteil vom 24.04.2023 (12 U 602/22) zum Rechtsbegriff der Ausstattung geäußert. Die Einordnung einer Immobilienschenkung 13 Jahre vor dem Erbfall als Ausstattung war relevant für die Frage, ob die Pflichtteilsberechtigten nach dem Tod der Erblasserin Ansprüche aufgrund der lebzeitigen Schenkung geltend machen können.

Enkelinnen forderten Pflichtteil  

Die Erblasserin verstarb bereits im Jahr 2016. Sie hinterließ einen Sohn sowie zwei Enkelinnen, welche die Kinder ihrer bereits vorverstorbenen Tochter waren. Die Erblasserin hatte zu Lebzeiten ein notarielles Testament errichtet, durch welches sie ihren Sohn zu ihrem Alleinerben eingesetzt hatte. Die beiden Enkelinnen, die aufgrund des frühzeitigen Todes Ihrer Mutter nach der gesetzlichen Erbfolge Miterbinnen geworden wären, gingen damit zunächst leer aus. Sie forderten dann allerdings ihren rechtmäßigen Pflichtteil von dem Sohn der Erblasserin, dem Alleinerben.

Enkelinnen forderten Einbezug der 13 Jahre zurückliegenden Immobilienschenkung

Bereits im Jahr 1993 hatte die Erblasserin ihrem Sohn unentgeltlich, also im Wege einer Schenkung, eine recht werthaltige Immobilie übertragen. Die Immobilie bestand aus acht Wohnungen und zwei Ladeneinheiten und brachte bereits damals erhebliche Mieteinnahmen ein, welche seit der Übertragung dem Sohn zugutekamen. Um diese Immobilienschenkung wurde schließlich gerichtlich gestritten. Die Enkelinnen waren der Ansicht, dass das Haus mit seinem damaligen Verkehrswert deren Pflichtteilsanspruch zugrunde gelegt werden müsse, da es sich bei der Schenkung um eine Ausstattung im Sinne des § 2050 Abs. 1 BGB gehandelt habe.

Mehr als 10 Jahre zurückliegende Schenkung nur ausnahmsweise zu berücksichtigen

In aller Regel erhöhen lebzeitige Schenkungen des Erblassers den späteren Pflichtteilsanspruch nur dann, wenn sie innerhalb der letzten zehn Jahre vor dem Tod des Erblassers stattgefunden haben. Solche Schenkungen führen gem. § 2325 Abs. 1 BGB zu sogenannten Pflichtteilsergänzungsansprüchen. Schenkungen, die mehr als zehn Jahre zurückliegen, kommen nur ganz ausnahmsweise den Pflichtteilsberechtigten zugute. Eine Ausnahme liegt darin, dass in der Schenkung eine sogenannten „Ausstattung“ zu sehen ist. Die Ausstattung ist in § 2050 Abs.  1 BGB geregelt. Hierunter versteht man nach der gesetzlichen Definition eine Zuwendung eines Elternteils an sein Kind, welche „mit Rücksicht auf seine Verheiratung, auf seine Begründung einer Lebenspartnerschaft oder auf die Erlangung einer selbständigen Lebensstellung zur Begründung oder zur Erhaltung der Wirtschaft oder der Lebensstellung“ zugewendet wird.

Schenkung des Hauses keine Ausstattung 

Das Gericht befasste sich in seiner Entscheidung eingehend mit der Frage, ob die unentgeltliche Immobilienübertragen an ihren Sohn als eine solche Ausstattung zu werten sei. In diesem Fall wäre die werthaltige Immobilie dem Pflichtteilsanspruch der Enkelinnen zugrunde gelegt worden, obwohl die Schenkung bereits 13 Jahre vor dem Erbfall erfolgt war. Das Oberlandesgericht entschied, dass es sich um keine Ausstattung handelte. Zwar weist es in seinem Urteil darauf hin, dass man häufig bei Übertragungen von vermieteten Immobilien von einer Ausstattung ausgehen könne. Hier sprächen aber die Umstände des Einzelfalls gerade gegen eine Ausstattung

Die fehlende Einordnung als Ausstattung begründete das Gericht wie folgt: Der Sohn war bereits im Zeitpunkt der Schenkung 28 Jahre alt. Er war zudem bereits verheiratet und leitete ein eigenes Unternehmen. Das Haus, in dem die Familie lebte, war bereits vollständig abbezahlt. Gemeinsam mit dem nicht geringen Einkommen seiner Ehefrau war der Sohn bereits zum damaligen Zeitpunkt in der Lage, für den angemessen Lebensunterhalt zu sorgen. Nicht relevant sei, dass die Familie nach der Schenkung mithilfe der üppigen Mieteinnahmen in der Lage gewesen sei, einen weitaus höheren Lebensstandard zu halten.

Zweck von Schenkungen sollte besser schriftlich fixiert werden

Für die Einordnung sei, so betont das Oberlandesgericht Koblenz ebenfalls in seiner Entscheidung, in erster Linie relevant, welchen Zweck ein Erblasser mit seiner Verfügung verfolgte. In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt war der Zweck ein Streitthema, da dieser im notariellen Übertragungsvertrag nicht definiert worden war. Wer derartige Streitigkeiten zwischen seinen Angehörigen vermeiden möchte, tut gut daran, den Zweck solcher Übertragungen bereits schriftlich zu fixieren. Auswirkungen kann die Frage, ob eine Schenkung als Ausstattung einzuordnen ist, übrigens nicht nur auf Pflichtteilsangelegenheiten haben. Auch wenn mehrere Kinder eines Erblassers Erbe werden, kann ein Ausgleich einer Ausstattung Streitthema sein.