Treaty Override verfassungsgemäß?

Keine Entscheidung des BVerfG im Internationalen Steuerrecht

Der BFH hatte dem BVerfG per Richtervorlage die Frage zur Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides in § 50d Abs. 10 EStG vorgelegt. Warum das BVerfG das Verfahren zur konkreten Normenkontrolle nun eingestellt hat, beleuchten wir in diesem Beitrag.

Veröffentlicht am: 29.10.2025
Von: Anna-Maria Blömer
Qualifikation: Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Um zu klären, ob ein sogenannter „Treaty Override“ gegen deutsches Verfassungsrecht verstößt, wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Richtervorlage ein konkretes Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) eingeleitet. Anlass dazu gab ein Verfahren vor dem BFH, in dem die Anwendung des § 50d Abs. 10 EStG entscheidungserheblich sein sollte. Das BVerfG gab im Juli jedoch bekannt, dass das Normenkontrollverfahren eingestellt wurde (BVerfG, Beschluss vom 04.07.2025 – 2 BvL 15/14).

Treaty Override – § 50d Abs. 10 EStG

§ 50d Abs. 10 EStG wird im Internationalen Steuerrecht relevant, wenn es um die steuerliche Behandlung von Einkünften geht, die aus einer grenzüberschreitenden Geschäftsbeziehung zwischen einer Personengesellschaft und ihrem Gesellschafter stammen. 

Im Rahmen dieser Vorschrift setzt sich der deutsche Gesetzgeber einseitig über die mit anderen Ländern geschlossenen – und gegebenenfalls anders lautenden – Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) hinweg: „…ungeachtet der Vorschriften eines Abkommens zur Vermeidung der Doppelbesteuerung…“. Die Rede ist daher von einem sogenannten „Treaty Override“.

§ 50d Abs. 10 EStG wurde 2008 ins nationale Steuerrecht eingeführt, 2013 überarbeitet und findet seitdem in allen offenen Fällen – inklusive bereits abgeschlossener Sachverhalte – Anwendung.

BFH zweifelt an Verfassungsmäßigkeit des Treaty Override

Anlass für die konkrete Normenkontrolle zur Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG gab ein Verfahren des BFH vom Jahr 2000. Die BFH-Richter hielten die Regelung in Verbindung mit dem DBA Italien für verfassungswidrig. Sie waren der Auffassung, dass es sich bei der Regelung einen Bruch internationalen Abkommensrechts handele, für den es keine hinreichende Begründung gebe. Außerdem würde es sich ihnen zufolge um eine unzulässige, echte Rückwirkung handeln.

Aufgrund dessen setzte der BFH das Verfahren mit Beschluss vom 11. Dezember 2013 aus, um dem BVerfG die Frage vorzulegen, ob die Regelung des § 50d Abs. 10 EStG einschließlich seiner rückwirkenden Einführung und Überarbeitung mit den Normen des Grundgesetzes vereinbar ist oder ob die Regelung womöglich verfassungswidrig ist.

Die Entscheidung des BVerfG sollte grundsätzliche Bedeutung für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Treaty Overrides haben – denn § 50d Abs. 10 EStG stellt keinen Einzelfall einer Abweichung von Doppelbesteuerungsabkommen dar.

BVerfG stellt konkrete Normenkontrolle ein – ohne Ergebnis

Es wurde nach dem Beschluss des BVerfG vom Juli darauf hingewiesen, dass die Ausführungen der BFH-Richter betreffend die Entscheidungserheblichkeit der für verfassungswidrig erachteten Regelungen laut den BVerfG-Richtern nicht die Darlegungsanforderungen – geregelt in Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 S. 1 BVerfGG – erfüllen und somit nicht für eine Richtervorlage genügten.

Grund dafür sei, dass die damals vor dem BFH erhobene Klage gegen den Steuerbescheid zwar auf eine gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlage für eine GmbH & Co. KG abzielte, in den Steuerbescheid allerdings auch Feststellungen bezüglich einer atypisch stillen Beteiligung weiterer Personen am Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft mit aufgenommen worden seien.

Laut jüngster BFH-Rechtsprechung sei ein solches Vorgehen des Finanzamts jedoch bereits verfahrensrechtlich unzulässig, sodass schon aus diesem Grund der Steuerbescheid aufgehoben werden müsse. Infolgedessen käme es auf die Anwendbarkeit und Verfassungsmäßigkeit des § 50d Abs. 10 EStG im Ausgangsverfahren vor dem BFH gar nicht mehr an, da sie nicht entscheidungserheblich sei. Eine entsprechende Entscheidung des BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides in § 50d Abs. 10 EStG sei nicht mehr erforderlich.

Daher hob der BFH seinen Aussetzungs- und Vorlagebeschluss wieder auf. Folglich hat auch das BVerfG das Verfahren betreffend die konkrete Normenkontrolle wieder eingestellt.

Verfassungsmäßigkeit von Treaty Override bleibt offen

Die Richter des BVerfG trafen somit keine Entscheidung zur Verfassungswidrigkeit bzw. Verfassungsmäßigkeit des Treaty Overrides in § 50d Abs. 10 EStG. Damit bleibt weiterhin ungeklärt, ob solche einseitigen, nationalen Eingriffe in völkerrechtliche Abkommen generell zulässig und mit dem Grundgesetz vereinbar sind.

 

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