BFH zur Umsatzsteuer bei Heilbehandlungen

Vertretungsweise Übernahme ärztlicher Notfalldienste

Der BFH hat ein Urteil zur Besteuerung des ärztlichen Notfalldienstes, insbesondere der Leistung durch den vertretenden Arzt gefällt. Den Richtern zufolge handelt es sich dabei um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 lit. a UStG.

Veröffentlicht am: 27.10.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt, Fachanwalt für Medizinrecht & Gesellschaftsrecht
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Der Bundesfinanzhof hat im Mai darüber entschieden, ob es sich bei der vertretungsweisen Übernahme eines ärztlichen Notfalldienstes gegen Entgelt um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 lit. a UStG handelt (BFH, Urteil vom 14.05.2025 – XI R 24/23).

Arzt macht keine Umsatzsteuererklärungen

Das Verfahren drehte sich um einen selbständigen Allgemeinmediziner, der mit der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe vereinbart hatte, dass er am ärztlichen Notfalldienst teilnimmt. In einem Zeitraum von 2012 bis 2016 hatte der Allgemeinmediziner mehrmals Sitz- und Fahrdienste anderer Ärzte übernommen, um diese im Notfalldienst – in eigener Verantwortung – zu vertreten.

Die Vertretung seiner Kollegen wurde unterschiedlich vergütet. Er erhielt Stundenlöhne von 20 € bis 40 €. Die ärztlichen Leistungen, die der Arzt im jeweiligen Einzelfall gegenüber den Patienten tatsächlich erbracht hat, wurden bei Privatpatienten bzw. KV separat abgerechnet. Zusätzlich war er noch im Auftrag der Polizeibehörde im Rahmen von Blutentnahmen tätig. Diese stellte er der Landeskasse in Rechnung – allerdings auch ohne Umsatzsteuer auszuweisen.

Finanzamt erlässt Umsatzsteuerbescheid nach Außenprüfung

Der Allgemeinmediziner ging davon aus, dass es sich bei sämtlichen seiner Umsätze um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen im Sinne des § 4 Nr. 14 lit. a UStG handelt. Aus diesem Grund legte er dem Finanzamt keine Umsatzsteuererklärungen vor. 

Als das Finanzamt eine Außenprüfung durchführte, qualifizierte es die Entgelte, die der Arzt für die Vertretung seiner Kollegen im Notfalldienst erhielt, als steuerpflichtige sonstige Leistungen, die keine therapeutischen Zwecke verfolgten. Aufgrund dessen wurden rückwirkend Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 2012 bis 2016 erlassen.

Das Finanzgericht Münster hat die Klage des Arztes gegen die Steuerbescheide zunächst abgewiesen (FG Münster, Urteil vom 09.05.2023 – 15 K 1953/19 U).

BFH: Vertretung im ärztlichen Notfalldienst umsatzsteuerfrei

Die Richter des Bundesfinanzhofs haben das Urteil des FG Münster aufgehoben und die Umsatzsteuer des Arztes für den Zeitraum von 2012 bis 2016 auf 0 € festgesetzt. Die BFH-Richter waren der Auffassung, dass das Übernehmen ärztlicher Notfalldienste als Vertretung für einen anderen Arzt gegen Entgelt als Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 lit. a UStG anzusehen und damit umsatzsteuerfrei ist.

In der Urteilsbegründung wurden folgende Argumente angeführt:

Um eine umsatzsteuerfreie Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 lit. a UStG handelt es sich, wenn die ärztliche Leistung der Diagnose, Behandlung oder Prävention von Krankheiten dient. Entscheidend sei dabei der therapeutische Zweck der erbrachten Leistung – die Person des Leistungsempfängers dagegen irrelevant.

Die entgeltliche Vertretung eines Arztes im Notfalldienst komme unmittelbar der medizinischen Versorgung von Notfallpatienten zugute. Der vertretende Arzt führt den Notfalldienst selbst aus und übernimmt die Verantwortung dafür, gesundheitliche Gefahrensituationen zu erkennen, die erforderlichen Sofortmaßnahmen in die Wege zu leiten und eine Folgebehandlung sicherzustellen.

Den Richtern zufolge liege daher eine ärztliche Heilbehandlung vor – unbeachtlich dessen, ob der Dienst tatsächlich in Anspruch genommen wird und wer Leistungsempfänger ist.

Heilbehandlung muss therapeutischen Zwecken dienen

Irrelevant sei außerdem die Tatsache, dass die vertretenen Ärzte nur vertreten werden müssen, weil sie sich dadurch zusätzliche „Freizeit erkauft“ haben. Denn nur aufgrund der Freistellung des vertretenen Arztes ist das tatsächliche Erbringen der ärztlichen Leistung durch den Vertreter möglich geworden.

Abzugrenzen sei hier zu einem bloßen Bereitstellen von Ressourcen, da durch den vertretenden Arzt nicht nur medizinische Infrastruktur zur Verfügung gestellt wird, sondern sich der Vertreter im Rahmen des Notfalldienstes auch konkret dazu verpflichtet, jederzeit eine ärztliche Leistung zu erbringen, wodurch der therapeutische Aspekt einer umsatzsteuerfreien Heilbehandlung gemäß § 4 Nr. 14 lit. a UStG erfüllt sei.

In seinem Urteil überträgt der BFH seine bisherige Rechtsprechung im Rahmen von Bereitschaftsdiensten bei Großveranstaltungen (BFH, Urteil vom 02.08.2018 – V R 37/17) auf den vorliegenden Fall. Zudem sei das Tätigwerden durch einen fachlich qualifizierten Subunternehmer (also z.B. einem ärztlichen Vertreter) einer Leistung durch den Arzt selbst gleichzustellen.

Rechtssicherheit für Besteuerung von ärztlichen Notfalldiensten

Übernimmt ein Arzt als Vertretung eines anderen Arztes gegen Entgelt den ärztlichen Notfalldienst, ist diese Leistung umsatzsteuerfrei, da sie als Heilbehandlung qualifiziert wird – so die Richter des BFH. Anders zu beurteilen seien jedoch die Blutentnahmen im Auftrag der Polizei, die nicht therapeutischen Zwecken dienten, sondern vielmehr Beweise sichern sollten.

Das Urteil des BFH schafft Rechtssicherheit und sorgt für Gleichbehandlung im Bereich der Umsatzbesteuerung von ärztlichen Notfalldiensten in ganz Deutschland – unabhängig von der Organisation ärztlicher Notfalldienste.

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