Unrechtmäßiger Schenkungswiderruf

Behörde übt eigenes Ermessen fehlerhaft aus

Wer ein ihm zustehendes Wohn- und Nutzungsrecht ohne Gegenleistung aufgibt, leistet eine Schenkung. Diese kann bei Verarmung des Schenkers widerrufen werden. Will die Sozialbehörde dieses Widerrufsrecht ausüben, muss es sich aber an bestimmte Regeln halten.

Veröffentlicht am: 05.03.2023
Von: Desiree Szitnick
Qualifikation: Rechtsreferendarin
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Im Rahmen der Überleitung eines Schenkungsrückforderungsanspruchs hat sich der Bezirk Unterfranken ermessensfehlerhaft verhalten, so die Auffassung des Bundessozialgerichts (BSG) in einer jüngsten Entscheidung zum Widerruf einer Schenkung (BSG, Urteil vom 23.02.2023 - B 8 SO 9/21 R).

Rückforderung einer Schenkung wegen Verarmung

Dem Rechtsstreit ging die Übertragung eines Hausgrundstückes auf den klagenden Sohn durch dessen Eltern voraus. Im Jahr 1999 hatten diese ihrem Sohn das Hausgrundstück übereignet. Im Gegenzug wurde ihnen ein lebenslanges Wohnungs- und Benutzungsrecht einräumt. 2014 wurde dies allerdings auf Veranlassung der Eltern gelöscht. Die Mutter und der Vater zogen dauerhaft in ein Pflegeheim und erhielten seitdem neben ihren Altersrenten von der Beklagten zusätzlich Sozialhilfe.

Das rief den Bezirk Unterfranken als Träger der Sozialhilfe auf den Plan. Die beklagte Behörde ermittelte den Wert des Wohnungs- und Mitbenutzungsrechts mit ca. 55.000 Euro. Die Behörde machte daraufhin die Schenkung im engen familiären Umfeld rückgängig und leitete die elterlichen Ansprüche gegen den Sohn auf Rückforderung der Schenkung auf sich über.

In den unteren Instanzen sollte der klagende Sohn scheitern. Die Gerichte vertraten die Auffassung, die Überleitungsanzeige der Behörde sei hinreichend bestimmt gewesen. Zudem verwiesen sie den Kläger mit seinen Einwänden auf die Zivilgerichtsbarkeit.

BSG: Behörde hätte Eltern anhören müssen

Zu einem anderen Ergebnis kam das BSG. Die Überleitungsanzeigen seien jedenfalls deshalb rechtswidrig, weil die Behörde bei ihrem Erlass das ihr zustehende Ermessen nicht pflichtgemäß ausgeübt habe. Insbesondere habe es an einer Anhörung der Eltern gefehlt, obwohl diese erforderliche gewesen wäre. Insbesondere bei der Überleitung eines Rückforderungsanspruchs aufgrund des Widerrufs einer Schenkung im engen familiären Umfeld, mit dem eine häufig aus ideellen Motiven getroffene unentgeltliche Zuwendung rückgängig gemacht werde und die typischerweise in die familiären Verhältnisse eingreife, dürfe von einer Anhörung nicht zuletzt im Hinblick auf das Gebot familiengerechter Leistungen gem. §16 SGB XII abgewichen werden. Der Schenkungswiderruf und die Überleitung der Ansprüche auf die Behörde seien damit rechtswidrig, da bei der Ermessenbetätigung ein unvollständiger Sachverhalt zugrunde gelegt wurde, so die Einschätzung der Richter

Rückforderungsrecht von Sozialhilfeträgern

Es bestehen die unterschiedlichsten Gründe zu Lebzeiten Vermögenswerte wie Immobilien unentgeltlich an Angehörige zu übertragen. Das Gesetz normiert aber auch Gründe und Voraussetzungen, unter denen eine erfolgte Schenkung widerrufen werden kann. Ein gesetzlich bestimmter Widerrufsgrund für die Schenkung ist unter anderem die Verarmung des Schenkers, der nach dem Vollzug der Schenkung außerstande ist, angemessenen seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Greift der Staat dann, wie im vorliegenden Fall, durch Sozialleistungen dem Schenker unter die Arme, machen sich Sozialhilfeträger dieses Rückforderungsrecht wegen Verarmung des Schenkers häufig zu eigen. Der Rückforderungsanspruch wird auf den Sozialhilfeträger übergeleitet, was aufgrund des Nachrangs der Sozialhilfe durch das Sozialrecht auch vorgesehen ist.