Wer die Musik bestellt …

…der muss sie zumindest im Erbscheinverfahren nicht immer bezahlen – Anmerkung zum Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg

Sie wollen mehr über die Kostenverteilung im Erbscheinverfahren erfahren? Dann lesen Sie hier wie das OLG Bamberg entschieden hat...

Veröffentlicht am: 20.04.2022
Qualifikation: Fachanwalt für Erbrecht und Steuerrecht in Hamburg
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Kostenverteilung im Erbscheinsverfahren

Die Kostenverteilung im Erbscheinverfahren ist Ermessenssache. § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG bestimmt, dass das Nachlassgericht die Verfahrenskosten, also die Gerichtsgebühren und die weiteren notwendigen Aufwendungen der Beteiligten – insbesondere etwaige Sachverständigenkosten – den Verfahrensbeteiligten nach billigem Ermessen ganz oder zum Teil auferlegen kann. Die tatsächliche Zuweisung der Kosten in einem Erbscheinsverfahren ist unserer Erfahrung nach in der Praxis mitunter undurchsichtig und wird insbesondere dann, wenn einzelne Verfahrensbeteiligte bestimmte Kostenpositionen durch ihre Einwendungen erst auslösen –z.B. Sachverständigenkosten – mitunter als ungerecht empfunden. Das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg sorgte nunmehr in seinem Beschluss vom 10.01.2022 - 2 W 30/21 für wesentliche Klarstellungen, die als Leitlinien für die Praxis verstanden werden können.

Kosten allein dem Antragssteller auferlegt 

In dem vom OLG Bamberg entschiedenen Fall lag die Konstellation vor, dass ein Beteiligter einen Erbschein beantragt hatte, ein anderer Beteiligter, der keinen eigenen Antrag stellte, hingegen legte Zweifel in Bezug auf die Echtheit des Testaments bzw. die Urheberschaft des Erblassers an der Testamentsurkunde dar. Aufgrund dieser Zweifel sah sich das Nachlassgericht veranlasst, ein Schriftgutachten einzuholen. Nachdem der Schriftsachverständige alle Zweifel an der Echtheit des Testaments ausgeräumt hatte, erteilte das Gericht dem Antragsteller den Erbschein, legte in seiner Kostenentscheidung jedoch auch die Kosten des Schriftsachverständigen dem Antragsteller auf und gerade nicht dem Beteiligten, der die entsprechenden Zweifel an der Echtheit der Testamentsurkunde geäußert hatte. Das Gericht stützte die Kostenentscheidung im Wesentlichen einerseits auf das sogenannte Veranlasserprinzip, andererseits auch auf den Grundsatz der Amtsermittlung und die Notwendigkeit der Mitwirkung von Verfahrensbeteiligten an den gerichtlichen Ermittlungen.

Das Veranlasserprinzip

Im Rahmen der vom Nachlassgericht zu treffenden Kostenentscheidung ist zunächst das Veranlasserprinzip gem. § 22 Abs. 1 GnotKG erheblich. Zusammengefasst bedeutet dies, dass derjenige, der „durch Einleitung eines Verfahrens die Entstehung von Kosten in Kauf nimmt (veranlasst), der hat diese im Verhältnis zu anderen Verfahrensbeteiligten zu tragen“  (OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2022, 2 W 30/21 unter Hinweis auf Bundesgerichtshof, BGH, Beschluss vom 23.02.2017, III ZB 60/16).

Amtsermittlungsgrundsatz und Mitwirkungspflichten der Beteiligten

Darüberhinausgehend nahm das OLG Bamberg in seiner Kostenentscheidung Bezug auf den Grundsatz der Amtsermittlung durch das Nachlassgericht, wozu auch die Befragung anderer Verfahrensbeteiligter gehört. Die Mitwirkung der weiteren zu befragenden Verfahrensbeteiligten und damit gleichzeitig die Durchführung von eigenen Ermittlungen durch das Nachlassgericht würde maßgeblich erschwert, wenn die weiteren Verfahrensbeteiligten befürchten müssten, auf Grundlage von Äußerungen im Rahmen des Erbscheinverfahrens in eine Kostentragungspflicht zu geraten. Womöglich würden diese aufgrund des Kostenrisikos nicht oder nicht ausreichend mitwirken.

Auf der Grundlage (u.a.) dieser beiden Überlegungen seien - so das OLG Bamberg in seinem Beschluss - dem Antragsteller auch die Kosten des Schriftsachverständigens aufzuerlegen.

Hinweis: Kostenrisiko bei eigener Antragstellung

Wir gehen davon aus, dass das OLG Bamberg im Hinblick auf die Sachverständigenkosten anders entschieden hätte, wenn der Beteiligte zu 2), dessen Äußerungen erst die Zweifel des Gerichts an der Echtheit der Testamentsurkunde herbeiführten, selbst einen Erbscheinsantrag gestellt hätte. In diesem Fall wäre das OLG Bamberg unter Zugrundelegung des Veranlasserprinzips mit hoher Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis gelangt, dass die Sachverständigenkosten nicht von dem Beteiligten zu 1), sondern von dem Beteiligten zu 2) als Kostenveranlasser zu tragen wären. Vorschnelle Anträge - wozu unseres Erachtens auch Anträge auf Zurückweisung eines anderen Erbscheinsantrages gehören dürften - sind riskant.