Assauers Erbschaft (Teil 2)

Rudi und die Erbschleicher

Treffen Demenz, Vollmacht, Betreuung und verschwundenes Vermögen aufeinander, steht im Erbfall schnell der Vorwurf der Erbschleicherei im Raum.

Veröffentlicht am: 31.03.2023
Qualifikation: Rechtsanwalt & Mediator
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Rudi Assauer hinterließ auf Schalke als Manager ein schweres Erbe. Und privat streiten sich die Töchter vor Gericht um seinen Nachlass. Nachdem wir diese Streit im 1. Teil unserer Serie „Assauers Erbschaft“ etwas durchleuchteten, geht es heute um die Frage nach den verschwundenen Millionen.

Wo sind die Millionen?

Immobilien, Unternehmensbeteiligungen etc. – Rudi Assauer war nicht nur ein erfolgreicher, sondern auch ein wohlhabender Fußball-Funktionär. Doch nach seinem Versterben in 2019 stellte der vom Gericht bestellte Nachlasspfleger fest, dass der Nachlass kaum etwas hergab. Welches Vermögen einst vorhanden war und was damit passiert ist, wissen diejenigen, die in Assauers Leben das Ruder übernahmen, als dieser aufgrund seiner Alzheimer-Erkrankung nicht mehr in der Lage war, seine Angelegenheiten selbst zu regeln.

Zwei Generalbevollmächtigte und eine Betreuerin

Im Jahr 2012, als der Manager auch ein notarielles Testament errichtete, das zumindest das Nachlassgericht aufgrund der Demenzerkrankung für unwirksam hält, erteilte Assauer auch zwei Vollmachten. Die Rede ist von „Generalvollmachten“. Die eine Bevollmächtigte war seine langjährige Sekretärin Sabine Söldner, der andere Assauers Freund Heinz Bull, ein ehemaliger Schönheitschirurg.

Neben diesen Bevollmächtigten gab es noch die Tochter Bettina, bei der Assauer wohnte und die offenbar zu seiner gerichtlich bestellten Betreuerin wurde. Sowohl gegen die beiden Bevollmächtigten als auch gegen die Betreuerin werden seit dem Erbfall Vorwürfe erhoben. Die ZEIT recherchiert, der Nachlasspfleger fragte und die Staatsanwaltschaft ermittelt.

  • Als Bevollmächtigte waren Söldner und Bull Assauer zu dessen Lebzeiten Rechenschaft über die Geschäfte schuldig, die sie Kraft ihrer Vollmacht für ihn ausgeübt haben. Mit dessen Tod gingen die Auskunftsansprüche auf den Nachlasspfleger über (da die Erben noch nicht feststanden). Zu der Auskunftspflicht des Bevollmächtigten gegenüber den Erben finden Sie alles auf unserer Themenseite Vollmacht & Erbe
  • Als Betreuerin musste Bettina Michel eigentlich dem Betreuungsgericht schon zu Lebzeiten von Assauer Auskunft erteilen, u.a. durch ein Vermögensverzeichnis. Diese Auskunftspflichten treffen nicht nur Berufsbetreuer, sondern auch Angehörige, die vom Gericht bestellt werden.

Das Zusammenspiel zwischen mehreren Bevollmächtigten und einer Betreuerin ist rechtlich komplex und unübersichtlich. Im Ansatz birgt es aber die Möglichkeit, dass verschiedene Personen sich gegenseitig wirksam auf die Finger gucken, was oft bewusst gewünscht wird. Wenn aber die betroffenen Personen ein gemeinsames Ziel verfolgen, kann das auch nachteilig für den Vollmachtgeber und Betreuten sein.

Im Fall Assauer tun sich alle Beteiligten bisher sehr schwer mit Auskünften. Hierdurch wird natürlich der Verdacht, dass sie ihre Stellung als Bevollmächtigte bzw. Betreuer missbraucht haben, eher erhärtet als entkräftet.

Testierunfähig aber geschäftsfähig?

Bei Vollmachten ist immer das „Können“ und das „Dürfen“ zu unterscheiden. Mit einer Vollmacht „kann“ man formal im Außenverhältnis gegenüber anderen viel machen – vor allem mit einer Generalvollmacht oder auch Vorsorgevollmacht. Im Innenverhältnis zum Bevollmächtigten darf man aber nur das machen, was mit diesem vereinbart ist bzw. was ihm nicht schadet.

Im Fall Assauer wird nicht nur um den Missbrauch der Vollmacht, also um das Dürfen gestritten. Auch die Wirksamkeit der Vollmacht selbst steht in Frage.  Möglicherweise sind die von Rudi Assauer im Jahr 2012 erteilten Vollmachten nämlich nichtig, da er zu dem Zeitpunkt aufgrund seiner Demenzerkrankung nicht mehr geschäftsfähig war. Immerhin stellte das Nachlassgericht bereits fest, dass zu der Zeit keine Testierfähigkeit mehr gegeben war (in dieser Frage soll nun das OLG entscheiden, siehe Teil 1 unserer Assauer-Serie).

Dennoch ist es möglich, dass ein Zivilgericht über die Frage der Geschäftsfähigkeit anders entscheidet als ein Nachlassgericht über die Testierfähigkeit – oder aber über die Frage der „Scheidungsfähigkeit“, die ein Familiengericht bei Assauer bejahte.

Zur Wirksamkeit einer Vollmachtserteilung durch einen an Demenz erkrankten Vollmachtgeber hat das OLG München bereit im Jahr 2009 eine viel beachtete Entscheidung getroffen. Danach gilt die Vollmacht, solange nicht die Geschäftsunfähigkeit sicher feststeht.  

Hat der Betroffene bewusst und in freier Willensentschließung eine Vertrauensperson bevollmächtigt, kann jedenfalls eine hierauf bezogene (partielle) Geschäftsfähigkeit selbst dann zu bejahen sein, wenn nicht auszuschließende leichtere kognitive Defizite zu Bedenken gegen die Wirksamkeit anderweitiger Willenserklärungen Anlass geben können. Zweifel an der Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt einer Vollmachtserteilung beeinträchtigen die Eignung der Vollmacht als Alternative zur Betreuung nur dann, wenn sie konkrete Schwierigkeiten des Bevollmächtigten im Rechtsverkehr erwarten lassen.“ OLG München, Beschluss vom 5. 6. 2009 - 33 Wx 278, 279/08

Interessant ist vor allem der Aspekt der „partiellen Geschäftsfähigkeit“. Die könnte bei der Vollmachterteilung tatsächlich anders zu beurteilen sein, als bei der Testierfähigkeit, die ja praktisch auch eine partielle Geschäftsfähigkeit für den Themenbereich Erbschaft darstellt. Möglicherweise kommt das Gericht hier zu einer anderen Beurteilung, wenn es davon ausgeht, dass der Wunsch zur Bevollmächtigung vom Vollmachtgeber gerade deshalb geäußert wird, weil er sich seiner Situation und Hilfsbedürftigkeit bewusst ist. Insoweit könnten hier andere Maßstäbe gelten, als bei der Regelung des Nachlasses.

Kommt man dennoch zu dem (gerichtlichen) Ergebnis, dass Assauer in 2012 keine wirksamen Generalvollmachten mehr erteilen konnte, schließt sich natürlich die Frage an, ob und welche Geschäfte der Bevollmächtigten wie rückabgewickelt werden. Das ist nicht nur rechtlich komplex, sondern natürlich auch faktisch.

Phänomen Erbschleicherei

Bei einer steigenden Zahl von Erbfällen kommt es zu rechtlichen Konflikten, in deren Mittelpunkt der Vorwurf der Erbschleicherei steht. Das hat gleich mehrere demografische Gründe. Einer liegt sicher an den familiären Strukturen, in denen Angehörige fehlen oder schlicht nicht mehr in der Nähe sind. Ein anderer ist die steigende Lebenserwartung und damit einhergehenden steigenden Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken.

Gerade bei diesem Krankheitsbild haben Erbschleicher leichtes Spiel, sich eine Erbenstellung oder Bevollmächtigung zu erschleichen, um sich am Vermögen der Betroffenen zu bereichern. Selbstverständlich erlaubt weder das Zivilrecht noch das Strafrecht die manipulative Einflussnahme oder den Missbrauch von Vollmachten in dieser Weise. Erbschleichern rechtlich das Handwerk zu legen, ist aber mit erheblichem Aufwand verbunden und nicht immer erfolgreich. Gerade, wenn zum Beispiel Bargeld einfach so verschwindet, gibt es kaum die Möglichkeit, einen Verdacht zu beweisen.

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