Wenn der Geschäftsführer krumme Dinger dreht
Deliktische Geschäftsführerhaftung in der GmbH
Eine Geschäftsführerhaftung kann aus vielen unterschiedlichen Gründen folgen. Dabei spielt es eine große Rolle, ob ein Manager von der Rechtsordnung untersagte Delikte begeht und die Managerhaftung aus dem Deliktsrecht folgt.
Ob Untreue, Betrug oder ein Griff in die Firmenkasse: Wer als Geschäftsleiter die rote Linie überschreitet, setzt sich nicht nur der allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Haftung aus – sondern riskiert auch deliktische Schadensersatzansprüche. Dieser Beitrag beleuchtet, warum die deliktische Geschäftsführerhaftung keinesfalls unterschätzt werden darf – und welche taktischen Überlegungen in der anwaltlichen Praxis entscheidend sind.
Eine Geschäftsleiterin oder ein Geschäftsleiter haftet gegenüber seiner Gesellschaft für Schäden, die aufgrund ihres oder seines nicht sorgfältigen Verhaltens entstehen. Der Gesellschaft stehen dafür verschiedene Anspruchsgrundlagen zur Verfügung. Einerseits kann sie ihren Schadensersatzanspruch auf das Gesellschaftsrecht, nämlich § 43 Abs. 2 GmbHG (Geschäftsführerhaftung bei einer GmbH) oder in der AG § 93 Abs. 2 AktG (Vorstandsmitgliedshaftung bei einer AG), stützen. Andererseits kommt eine deliktische Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem Schutzgesetz und § 826 BGB in Betracht.
Die deliktische Haftung erscheint angesichts der Beweislastverteilung und der Verjährungsregelungen zunächst schwächer als die gesellschaftsrechtliche Haftung. Ihre Stärken werden in der Praxis aber dennoch unterschätzt.
Schädigende Handlung des Geschäftsführers
Jede Geschäftsführerhaftung setzt eine schädigende Handlung voraus. Hier ergeben sich bereits erste Unterschiede, wenn man die gesellschaftsrechtliche und deliktische Haftung vergleicht.
Die gesellschaftsrechtliche Haftung verlangt eine schädigende Handlung, in der die geschäftsführende Person nicht die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt hat.
Im Deliktsrecht bedarf es einer Verletzung eines Rechtsguts (§ 823 Abs. 1 BGB), der Verletzung eines Schutzgesetzes (§ 823 Abs. 2 BGB) oder einer vorsätzlichen und sittenwidrigen Schädigung (§ 826 BGB). In der Praxis kommt es oftmals zu Schutzgesetzverletzungen. Darunter fallen beispielsweise strafrechtliche Delikte wie die Untreue nach § 266 StGB.
Beweislastverteilung im Rechtsstreit
Im Zivilrecht gelten der Beibringungs- und Verfahrensgrundsatz. Aus ihnen ergibt sich, dass jede Partei ihre eigenen Behauptungen zu beweisen hat. Hiervon kann aber durch gesetzliche Regelungen abgewichen werden.
Wenn das Unternehmen Schadensersatz aus den gesellschaftsrechtlichen Haftungstatbeständen § 43 Abs. 2 GmbHG oder § 93 Abs. 2 AktG geltend macht, liegt die Beweislast für die Anwendung der notwendigen Sorgfalt ausnahmsweise beim Geschäftsleiter. In § 93 Abs. 2 S. 2 AktG ist eine Abkehr von der typischen Beweislastregelung im Zivilrecht geregelt.
Bei den deliktischen Ansprüchen der Gesellschaft bleibt die Beweislast dagegen vollumfänglich bei der Gesellschaft als anspruchsbehauptende Partei. Das bedeutet, sie muss sämtliche Voraussetzungen der jeweiligen Anspruchsgrundlage beweisen. Dazu gehören neben der Rechtsverletzung auch die haftungsbegründende Kausalität und die haftungsausfüllende Kausalität.
Gesellschafts- und deliktsrechtliche Verjährung
Weitere Unterschiede birgt die Verjährung. Für die Ansprüche aus § 43 Abs. 2 GmbHG und § 93 Abs. 2 AktG gelten andere Verjährungsregelungen als im Deliktsrecht.
Die gesellschaftliche Haftung verjährt grundsätzlich nach fünf Jahren. Das ergibt sich aus § 43 Abs. 4 GmbHG und § 93 Abs. 4 AktG. Ausnahmen gelten für Kreditinstitute und börsennotierte Gesellschaften. Die Verjährungsfrist beginnt gemäß § 200 Abs. 1 BGB unabhängig von einer subjektiven Kenntnis oder einem Kennenmüssen mit dem objektiven Schadenseintritt am darauffolgenden Tag. Die Schadenshöhe muss nicht absehbar sein, denn bereits zu dem Zeitpunkt kann die Haftung mittels Feststellungsklage gem. § 256 Abs. 1 ZPO gerichtlich festgestellt werden.
Für die deliktische Haftung gelten die allgemeinen Verjährungsregeln des BGB. Danach verjährt ein Anspruch nach drei Jahren (§ 195 BGB). Die Verjährungsfrist beginnt mit dem Ablauf des Jahres der objektiven Anspruchsentstehung und der subjektiven Kenntnis bzw. dem Kennenmüssen des Gläubigers (§ 199 Abs. 1 BGB). In Ausnahmefällen kann auch eine längere Verjährungsfrist gem. § 199 Abs. 2, 3 BGB gelten. Für die Bestimmung der Kenntnis juristischer Personen ist das Organ maßgeblich, welches die juristische Person gerichtlich vertreten würde. Dementsprechend kommt es bei einer AG auf die Kenntnis des Aufsichtsrates an (§ 112 AktG). Zwar ist der Geschäftsführer in der Regel das Vertretungsorgan einer GmbH (§ 35 Abs. 1 GmbHG), sodass auf dessen Kenntnis abzustellen ist. Das kann aber selbstverständlich nicht gelten, wenn der Geschäftsführer selbst in Anspruch genommen werden soll. In dem Fall ist entweder die Kenntnis eines weiteren Geschäftsführers (unabhängig von der Vertretungsberechtigung) oder auf die des Gesellschafters abzustellen, der zur Verfolgung des Schadenersatzanspruches berufen ist.
Zu beachten ist, dass die vermeintliche kurze dreijährige Verjährung des Deliktsrechts oft länger dauert als die gesellschaftsrechtliche Verjährung. Der Grund liegt darin, dass die deliktische Haftung erst zu laufen beginnt, wenn die Kenntnis von der Haftung besteht. In Unternehmen entsteht diese Kenntnis vom Schaden und des Schadensersatzanspruchs oft erst Jahre nach dem Eintritt des Schadens. Das heißt, dass deliktsrechtliche Ansprüche auch nach 5 oder 7 Jahren noch geltend gemacht werden können.
Zudem schließt sich im Deliktsrecht nach Eintritt der Verjährung noch ein weiterer Anspruch an. Die Gesellschaft hat gem. § 852 S. 1 BGB einen Bereicherungsanspruch gegen den Geschäftsführer. Dieser muss das herausgeben, was er durch die unerlaubte Handlung auf Kosten der Gesellschaft erlangt hat. Dieser Bereicherungsanspruch verjährt gem. § 852 S. 2 BGB erst nach zehn Jahren von seiner Entstehung an bzw. nach 30 Jahren unabhängig von der Entstehung von der Begehung der Verletzungshandlung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden, Ereignis an.
Takeaway zur deliktischen Geschäftsführerhaftung
Die deliktische Haftung von Geschäftsführern ist keineswegs nur ein „Plan B“, wenn gesellschaftsrechtliche Ansprüche scheitern. Im Gegenteil: Trotz höherer Hürden bei der Beweisführung bietet sie wegen ihrer oft später einsetzenden Verjährung und der zusätzlichen Bereicherungsansprüche nach § 852 BGB ein scharfes Schwert – besonders in Fällen gravierender Pflichtverletzungen. Jedes geschädigte Unternehmen sollte die deliktische Haftung daher stets mitbedenken, wenn es um mögliche Haftungsdurchgriffe gegen Geschäftsführer geht. Nicht selten entscheidet gerade sie darüber, ob ein Schaden ersetzt wird – oder der Täter ungeschoren davonkommt.
Der deliktischen Geschäftsführerhaftung kommt eine wichtige Bedeutung zu und das unabhängig von der höheren Anforderung an die Beweislast.