Ehevertrag und Kompensationszahlungen

Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht sittenwidrig

Wichtige Scheidungsfolgen können grundsätzlich in einem Ehevertrag modifiziert oder ausgeschlossen werden. Dazu gehört auch der Versorgungsausgleich. Die Frage der Sittenwidrigkeit muss im Einzelfall entschieden werden. Dabei spielen auch etwaige Ausgleichszahlungen eine Rolle.

Veröffentlicht am: 27.08.2025
Qualifikation: Fachanwältin für Familienrecht
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Mit einem Ehevertrag greift man in die Scheidungsfolgen ein. Übertreibt man dabei, kann der Vertrag sittenwidrig sein. Das Oberlandesgericht Stuttgart musste vor einigen Wochen einen Fall entscheiden, in dem der Versorgungsausgleich ausgeschlossen wurde, die dadurch benachteiligte Ehefrau aber Zahlungen für die Altersvorsorge erhielt (OLG Stuttgart, Beschluss vom 26. Juni 2025 - 11 UF 194/23).

Oberarzt heiratet Krankenschwester

In dem Fall ging es um die Ehe eines Oberarztes, der 2011 eine zehn Jahre jüngere Krankenschwester heiratete. Das Paar bekam zwei gemeinsame Kinder. Bei der Heirat wurde ein notarieller Ehevertrag geschlossen. Darin wurde für den Fall der Scheidung sowohl der Zugewinnausgleich als auch der Versorgungsausgleich ausgeschlossen. Nachehelicher Unterhalt sollte nur ausnahmsweise als Betreuungsunterhalt gezahlt werden. Der Mann verdiente damals als Oberarzt etwa 8.500 Euro brutto/Monat, die Ehefrau in Teilzeit als Krankenschwester etwa 1.450 Euro. Bei Abschluss des Ehevertrags hatte das Ehepaar einen gemeinsamen Kinderwunsch und die Vorstellung, dass die Ehefrau auch nach der Geburt eines Kindes weiterarbeiten sollte. Tatsächlich war die Ehefrau aber ab Mai 2015 zunächst nicht mehr berufstätig. 

Zwischen 2016 bis 2021 hatte der Ehemann etwa 94.000 Euro an seine Frau überweisen - mit dem Verwendungszweck “Ausgleich Gehalt” bzw. “Ausgleich Gehalt und R+V”. Außerdem sollte das Kindergeld für die beiden Kinder ausschließlich der Ehefrau zugutekommen. 

Ehefrau will Versorgungsaugleich, Ehemann die Ehe

2021 erfolgte die Trennung und die Ehefrau zog mit den beiden Kinder in eine Einliegerwohnung im Haus ihrer Eltern. Seitdem arbeitet sie wieder als Krankenschwester in Teilzeit. Ende März stellte die Ehefrau den Scheidungsantrag und verlangte die Durchführung des Versorgungsausgleichs. Der Ehemann dagegen wollte die Ehe aus Rücksicht auf die Kinder aufrechterhalten (Häftefallregelung,§ 1568 BGB). Das Familiengericht beendete die Ehe dennoch, einen Versorgungsausgleich bekam die Ehefrau aber nicht. Beide gingen in Berufung und sahen sich so vor dem OLG Stuttgart wieder.

Ehevertrag wegen Ausgleichszahlungen nicht sittenwidrig

Die Frau ist der Ansicht, dass der Ehevertrag sittenwidrig ist und sie daher einen Anspruch auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs hat. Dieser Argumentation folgte das OLG Stuttgart nicht. Beim Ausschluss des Versorgungsausgleichs im Ehevertrag, so das Gericht, komme es darauf an, ob ein Ehegatte aufgrund des bereits beim Vertragsschluss geplanten Zuschnitts der Ehe über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und das mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Sittenwidrigkeit sei nach der Rechtsprechung des BGH nicht anzunehmen, wenn außerhalb der Vertragsurkunde keine verstärkenden Umstände zu erkennen sind, die auf eine subjektive Imparität, insbesondere der Ausnutzung einer Zwangslage, sozialer oder wirtschaftlicher Abhängigkeit oder intellektueller Unterlegenheit, hindeuten können.

Neben dieser Inhaltskontrolle bestand der Ehevertrag auch die sogenannte Ausübungskontrolle durch das Gericht. Danach kann ein Ehevertrag nach dem Maßstab von § 242 BGB sittenwidrig sein, wenn er dazu führt, dass ein Ehegatte aufgrund einvernehmlicher Änderung der gemeinsamen Lebensumstände über keine hinreichende Alterssicherung verfügt und dieses Ergebnis mit dem Gebot ehelicher Solidarität schlechthin unvereinbar erscheint. Das kann zum Beispiel dann der Fall sein, wenn sich ein Ehegatte einvernehmlich der Betreuung der gemeinsamen Kinder gewidmet und deshalb auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit in der Ehe verzichtet hat. Das in diesem Verzicht liegende Risiko verdichtet sich zu einem Nachteil, den der Versorgungsausgleich gerade auf beide Ehegatten gleichmäßig verteilen will und der ohne Kompensation nicht einem Ehegatten allein angelastet werden kann, wenn die Ehe scheitert.

Begründung des OLG

Inhaltskontrolle

Unstreitig hatten die Ehegatten bei Vertragsschluss im Jahr 2011 die Planung, dass die Ehefrau auch bei der Geburt von Kindern weiter arbeiten sollte. Damals war die Antragstellerin in Teilzeit berufstätig und führte ihre Berufstätigkeit bis April 2015 fort. Somit war bei Vertragsschluss nicht klar, dass die Antragstellerin während der Ehe keine ausreichende Altersversorgung würde aufbauen können. Zudem fehlt es an der erforderlichen subjektiven Imparität. Denn die Antragstellerin war bei Abschluss des Ehevertrages nicht schwanger und in keiner Zwangslage, sondern als Krankenschwester in Teilzeit berufstätig. Sie war daher auch nicht vom Antragsgegner wirtschaftlich abhängig oder ihm intellektuell unterlegen. Der Ehevertrag dürfte zwar in erster Linie wegen des Ausschlusses des Zugewinnausgleichs geschlossen worden sein, der dem Antragsgegner wegen der damals geplanten Gründung einer eigenen Arztpraxis wichtig war. Nichts deutet allerdings darauf hin, dass die Antragstellerin den ebenfalls geregelten Ausschluss des Versorgungsausgleichs nicht verstanden oder übersehen hätte. Denn sie hatte unstreitig vorab Kenntnis von einem Vertragsentwurf gehabt.

Ausübungskontrolle

Bei Vertragsschluss war geplant, dass die Antragstellerin auch nach der Geburt von Kindern weiter berufstätig sein soll. Diesbezüglich ist es zu einer grundlegenden Abweichung der tatsächlichen Lebensverhältnisse gekommen, da die Antragstellerin ab Mai 2015, nämlich ab Geburt des ersten Kindes, bis zur Trennung im Juli 2021 nicht mehr erwerbstätig war, sondern die gemeinsamen Kinder betreut hat. Dafür, dass diese Lebensgestaltung nicht einvernehmlich war, gibt es keine Anhaltspunkte. Die Antragstellerin hat dadurch einen Nachteil erlitten, weil sie insoweit zugunsten der Kindesbetreuung auf eine versorgungsbegründende Erwerbstätigkeit verzichtet hat. Dieser Nachteil kann nicht der Antragstellerin allein angelastet werden.

Die Antragstellerin hat jedoch durch die unstreitigen Zahlungen des Antragsgegners an sie im Zeitraum von 2016 bis 2021 in Höhe von zumindest 94.000,00 € eine ausreichende Kompensation für die erlittenen Nachteile erhalten. Diese Zahlungen haben zum Aufbau einer privaten Altersversorgung der Antragstellerin bei der R+V Lebensversicherung AG mit einem Ehezeitanteil von 17.862,84 € (Kapitalwert) geführt. Unter Berücksichtigung der Versorgungsanrechte des Antragsgegners, die bei Durchführung des Versorgungsausgleichs zu einem Ausgleich nach Kapitalwerten in Höhe von 50.040,01 € zugunsten der Antragstellerin führen würden, ist zunächst festzustellen, dass das Anrecht der Antragstellerin bei der R+V Lebensversicherung AG für sich genommen keine ausreichende Kompensation für den Ausschluss des Versorgungsausgleichs darstellt. Die Antragstellerin hätte mit den Zahlungen des Antragsgegners allerdings eine weitere erhebliche Altersversorgung - neben derjenigen bei R+V - aufbauen können…

Keinen Erfolg hatte der Ehemann allerdings mit seinem Versuch, die Scheidung mit Rücksicht auf die Kinder zu verhindern. Das OLG Stuttgart verneinte einen Härtefall gemäß § 1568 Absatz 1 BGB. Nach Auffassung der Richter leiden die Kinder vorliegend unter der Trennung der Eltern, nicht aber unter der Scheidung. Auch ohne Scheidungsbeschluss sei nicht zu erwarten, dass der Familienverbund wiederhergestellt würde. 

Video: Ehevertrag sittenwidrig?

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video die Grenzen des Zulässigen bei der Vereinbarung eines Ehevertrags.