Firmenbestattung mit Strohmann-Geschäftsführer
Wenn Unternehmen „zu Grabe getragen“ werden
Naivität schützt vor Strafe nicht! Dieser Grundsatz gilt nicht nur für den Strohmann, der seinen Namen für illegale Geschäfte hergibt. Er gilt auch für den faktischen Geschäftsführer, wie der BGH nun klarstellt.
Jeder Manager weiß, dass eine drohende Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung des Unternehmens mit erheblichen persönlichen Risiken, insbesondere der Geschäftsführerhaftung, verbunden ist. Wenn ein überschuldetes Unternehmen nicht ordentlich liquidiert oder in das Insolvenzverfahren überführt wird, ist es nur eine Frage der Zeit, bis der Staatsanwalt auf der Matte steht. Wenn die letzten Vermögenswerte einer GmbH abgeschöpft werden, ohne eine echte Sanierung anzustreben, ist die Grenze zur Strafbarkeit definitiv überschritten.
Klassische GmbH Firmenbestattung – was ist das?
Der Begriff „Firmenbestattung“ bezeichnet ein illegales Geschäftsmodell, bei dem sanierungsbedürftige Unternehmen, in der Praxis sehr oft GmbHs – nicht etwa gerettet, sondern gezielt „abgewickelt“ werden – und zwar unter systematischer Verwertung der letzten Vermögenswerte. Ziel des Firmenbestatters ist nicht die finanzielle Rettung, sondern die Ausplünderung und klammheimliche Beseitigung der GmbH. Oft kommt dabei ein Strohmann als Geschäftsführer zum Einsatz, während im Hintergrund ein Hintermann oder „Strippenzieher“ die Fäden zieht.
Diese Konstellation ist nicht nur rechtlich brisant, sondern auch strafrechtlich relevant. Dabei war die konkrete Strafbarkeit des im Hintergrund agierenden Spiritus Rector umstritten. Der Bundesgerichtshof hat in einer aktuellen Entscheidung (BGH, Urteil vom 27.02.2025 – 5 StR 287/24) nunmehr klargestellt: Auch der faktische Geschäftsführer im Hintergrund kann Täter sein – selbst wenn er nicht offiziell als Organ auftritt.
Die gesamte strafrechtliche Situation der Firmenbestattung lässt sich am besten verstehen, wenn sie aus der Vogelperspektive betrachtet wird:
Risiko des Strohmanns in der Geschäftsführung
Wer sich als Treuhänder bereit erklärt, die Geschäftsführung einer GmbH zu übernehmen – sei es aus Gefälligkeit, aus Unkenntnis oder gegen Entgelt – trägt erhebliche Verantwortung. Diese Verantwortung knüpft an die allgemeinen gesetzlichen Pflichten eines Geschäftsführers an. Es bestehen zivil- und strafrechtliche Haftungsrisiken auch für die Personen, die zum Schein als Geschäftsführer offiziell bestellt werden. Das große Problem ist, dass die Risiken oft nicht auf den ersten Blick erkennbar sind:
- Insolvenzverschleppung: Wird der Insolvenzantrag zu spät gestellt, droht persönliche Haftung (§ 15a InsO) – das heißt, er muss mit einer zivilrechtlichen Schadensersatzhaftung und Strafbarkeit rechnen.
- Steuerstrafrechtliche Risiken: Als Geschäftsführer ist man für die ordnungsgemäße Abführung von Lohn-, Umsatz-, Körperschafts- und Gewerbesteuer verantwortlich (§§ 69 AO, 370 AO). Kann die GmbH die Steuern nicht zahlen, hält der Geschäftsführer den Kopf hin. Gleiches gilt für die Sozialversicherungspflichten. Neben dem finanziellen Schadensersatz droht dem formellen Geschäftsführer auch eine Strafbarkeit.
- Vermögensdelikte: Wer – auch auf Weisung anderer – aktiv an der „Plünderung“ des Unternehmens mitwirkt, macht sich wegen Untreue und Bankrott (§§ 266, 283 StGB) strafbar.
Die dargestellten sowie weitere rechtliche Risiken gelten immer für den offiziell bestellten Geschäftsführer. Lange Zeit war unklar, ob auch der Hintermann, der alles steuert, sich als Täter strafbar machen kann. Der BGH hat nun seine klare Haltung geäußert: Selbst wenn jemand nicht formell Geschäftsführer ist, kann er als sogenannter faktischer Geschäftsführer haften – wenn er de facto wie ein Organ handelt.
BGH-Fall: Firmenbestattung mit Strohmännern – wer ist Täter?
Der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, in dem ein Mann eine bulgarische Ein-Mann-GmbH gründete und über diese Gesellschaft Anteile an mehreren sanierungsbedürftigen deutschen Unternehmen erwarb. Er hatte jedoch keinerlei Interesse an einer Restrukturierung. Vielmehr organisierte er eine systematische Vermögensabschöpfung bei den sanierungsbedürftigen Gesellschaften.
Ein unbedarfter Krankenpflegehelfer wurde als Stroh-Geschäftsführer eingesetzt – und unterschrieb alle notwendigen Dokumente, ohne das Ausmaß seines Handelns zu erfassen. Gegen eine warme Mahlzeit wurde er zum Sündenbock – und trug später auch die rechtlichen Folgen, etwa wegen Insolvenzverschleppung.
Der Hintermann hingegen war bereits einschlägig vorbestraft. Das Landgericht Leipzig verurteilte ihn zunächst nur als Gehilfen. Die Staatsanwaltschaft wollte ihn jedoch als Täter verurteilt sehen – und bekam vor dem BGH Recht. Der BGH stellte klar:
Auch wer im Hintergrund die Fäden zieht, aber tatsächlich wie ein Geschäftsführer handelt – ohne nach außen aufzutreten –, kann faktisches Organ sein und strafrechtlich als Täter haften. Das oberste Gericht betonte, dass die fehlende Außenvertretung kein K.O.-Kriterium sei, wenn der Betreffende im Innenverhältnis organ-typische Aufgaben übernehme, etwa Personalentscheidungen, Anweisung von Zahlungen oder strategische Kontrolle. Entscheidend sei eine Gesamtschau der konkreten Verhältnisse.
Volle Verantwortung ohne Schutzlücken - auch für den Hintermann
Die Entscheidung des BGH ist ein klares Signal: Wer sich zum „Firmenbestatter“ berufen fühlt und glaubt, sich hinter Strohmännern verstecken zu können, irrt gewaltig. Auch im Schatten agierende Personen können als Täter haften – mit allen strafrechtlichen Konsequenzen. Treuhänder, Berater und formelle Geschäftsführer sollten genau überprüfen, in welche Rolle sie hineingeraten. Denn gut gemeint ist nicht immer gut geschützt. Wer Anzeichen einer „Firmenbestattung“ erkennt oder selbst in eine undurchsichtige Struktur geraten ist, sollte dringend rechtlichen Rat einholen – bevor es zu spät ist.