Modernisierung des deutschen Schiedsverfahrens

Grundlegende Änderungen oder Schönheitskorrekturen?

Das Bundesjustizministerium arbeitet an einer Erneuerung des Schiedsverfahrensrechts. Dazu hat es bereits im letzten Jahr ein Eckpunktepapier veröffentlicht. Versprochen wird ein flexibles, modernes Schiedsverfahren, das sogar digital und englisch wird.

Veröffentlicht am: 19.01.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin, Corporate Litigation
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Arbitration wird aktuell beim Bundesjustizminister großgeschrieben. Die gesamte Schiedscommunity fragt sich, was von den großen Versprechen übrigbleibt. Mit Spannung wird der Referentenentwurf erwartet, der das Eckpunktepapier konkretisieren wird. Dann wird man sich einer Antwort auf die Frage, ob die Stärkung des Schiedsstandortes Deutschland zu erwarten ist, nähern können.

Aktuelles Schiedsverfahrensrecht

Das Schiedsverfahrensrecht ist im 10. Buch der ZPO in den §§ 1025 bis 1066 ZPO geregelt. Legislative, modernisierende Eingriffe haben wir schon lange nicht mehr gesehen. Das geltende Schiedsverfahrensrecht basiert auf dem UNCITRAL-Modellgesetz (UNCITRAL Model Law) aus dem Jahr 1985. Eine Neuregelung wurde zuletzt im Jahr 1997 verabschiedet. Die seitdem erfolgten Entwicklungen beinhalten die Überarbeitung des UNCITRAL-Modellgesetzes von 2006, die Reformen des Schiedsverfahrensrechts in anderen europäischen Staaten und der Schiedsordnungen diverser Schiedsinstitutionen, der Rechtsprechung und nicht zuletzt der Digitalisierung des Prozessrechts vor allem seit der Corona-Pandemie.

Das Bundesjustizministerium ist nun der Meinung, dass das Schiedsverfahrensrecht modernisiert gehört. Es soll an aktuelle internationale Entwicklungen angepasst werden. So viel ist zumindest schon mal klar: Es wird englisch und digital.

Wird jetzt alles anders?

In Kürze auf den Punkt gebracht: Nein. Die Grundsätze des geltenden Rechts bleiben bestehen.

Die geplanten Änderungen betreffen die Formfreiheit für Schiedsvereinbarungen im Wirtschaftsverkehr, die Stärkung der Transparenz und Förderung der Rechtsfortbildung, die Stärkung der Digitalisierung des Verfahrensrechts sowie die Förderung der englischen Sprache in Verfahren vor staatlichen Gerichten.

Nachfolgend finden Sie die einzelnen geplanten Maßnahmen in einem Katalog zusammengefasst:

  1. Abschluss von formfreien Schiedsvereinbarungen im Wirtschaftsverkehr;
  2. Regelungen für die Bestellung von SchiedsrichterInnen im Mehrparteienschiedsverfahren und die gerichtliche Ersatzbestellung;
  3. die gerichtliche Überprüfung eines schiedsrichterlichen Zwischenentscheids, wenn sich das Schiedsgericht für unzuständig erklärt;
  4. mündliche Verhandlungen per Videokonferenz sowie deren Aufzeichnung;
  5. die Veröffentlichung von Schiedssprüchen bei Einverständnis der Parteien, um die Transparenz und Rechtsfortbildung zu stärken;
  6. Vorlage von Schiedssprüchen und weiteren Schriftstücken auf Englisch auch vor deutschen Gerichten (Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren);
  7. Zuständigkeit der Commercial Courts, sofern vorhanden, sodann Möglichkeit das gesamte Verfahren auf Englisch zu führen;
  8. Einführung eines Rechtsbehelfs zur Beseitigung von bestandskräftigen inländischen Schiedssprüchen;
  9. Vollziehung von ausländischen Maßnahmen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes;
  10. Verbindung der Feststellung der Zulässigkeit eines Schiedsverfahrens nach § 1032 ZPO mit der Feststellung über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung;
  11. Rückverweisungsmöglichkeit von aufgehobenen Schiedssprüchen;
  12. Beschränkung der Anordnungsbefugnis des Gerichts (§ 1063 Abs. 3 S. 1 ZPO) auf dringende Fälle.

Weitere mögliche Änderungen betreffen den Eilschiedsrichter, dissenting opinions, die Einführung von gemeinsamen Spruchkörpern für Schiedssachen und die Übertragung von richterlichen Handlungen im Rahmen der Beweisaufnahme auf die Oberlandesgerichte.

Wie sind die Reformvorhaben zu bewerten?

Es ist zu begrüßen, dass das Bundesjustizministerium sich mit der Stärkung des Schiedsorts Deutschland befasst. Insbesondere die fortschreitende Digitalisierung und die Möglichkeit, gewisse Teile des Verfahrens auf Englisch zu gestalten, sind im internationalen Wettbewerb sicherlich wichtig.

Ob das neue Schiedsverfahrensrecht wirklich formfrei, englisch und digital wird, bleibt abzuwarten. Ob sich die Beteiligten an der angestrebten Veröffentlichung von Schiedssprüchen beteiligen werden, kann schon heute bezweifelt werden. Dabei werden die legislativen Ziele der Spezialisierung, Verlässlichkeit und Transparenz von der gesamten Schiedscommunity geteilt. Wenn der Gesetzgeber hält, was er verspricht, lassen sich auch komplexe Verfahren wie zum Beispiel multilaterale Gesellschafterstreitigkeiten größerer Unternehmen im Wege eines Schiedsverfahrens schneller und versierter beenden.

Unterm Strich bleibt abzuwarten, ob die Reformvorschläge weit genug gehen. Ein Referentenentwurf ist noch nicht veröffentlicht. Wenn es so weit ist, informieren wir weiter.