Pflichtteil ausgeschlossen trotz Rückabwicklung der Schenkung

Gleichstellungsgeld rettet Pflichtteilsverzicht

Veröffentlicht am: 13.07.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Gleichstellungsgeld rettet Pflichtteilsverzicht

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Kolja Schlecht, Fachanwalt für Erbrecht

Schenkt ein Erblasser einem seiner Kinder das Familienheim und leistet der Beschenkte an die übrigen Geschwister für einen auf diese Schenkung bezogenen vereinbarten Pflichtteilsverzicht eine Ausgleichszahlung („Gleichstellungsgeld“), so gilt deren Pflichtteilsverzicht auch dann fort, wenn die Erblasserin die Immobilie später von dem ursprünglich beschenkten Kind zurückkauft und die Geschwister die Gleichstellungszahlung behalten. Dies entschied das Oberlandesgericht Saarbrücken mit Urteil vom 12.02.2020 (Az. 5 U 59/19).

Gleichstellungsgeld für weichende Kinder

Hintergrund des Urteils war folgender Fall: Eine 2018 verstorbene Frau mit fünf Kindern setzte einen ihrer Söhne per Testament zum Alleinerben ein. Zuvor hatte sie aber im Jahr 1992 ihre Immobilie an eine ihrer Töchter schenkweise übertragen. Die übrigen Kinder vereinbarten damals mit ihrer Mutter einen gegenständlich beschränkten notariellen Pflichtteilsverzicht. Für diesen Verzicht erhielt jedes der vier Kinder Gleichstellungsgeld in Höhe von 20.000 DM von der beschenkten Tochter.

Ausdrücklich hatten die weichenden Geschwister in der Urkunde erklärt:

Für den Fall, dass wir von unserer Schwester die uns aus der vorgenannten Urkunde zustehenden Auszahlungsbeträge von jeweils 20.000 DM (…) erhalten haben, erklären wir uns hiermit hinsichtlich des an unsere Schwester im vorgenannten Vertrag übertragenen elterlichen Hausanwesens für abgefunden und verpflichten uns hiermit, diesbezüglich keinerlei weiteren Ansprüche mehr geltend zu machen, insbesondere soweit es sich um Pflichtteils- oder Pflichtteilsergänzungsansprüche handelt.“

Rückforderung wegen groben Undanks

Einige Zeit später widerrief die Mutter die Schenkung wegen groben Undanks und schloss im Jahr 1997 in einem anschließenden Verfahren einen Vergleich, nach welchem die Mutter das Haus für einen Betrag in Höhe von 100.000 DM von ihrer Tochter zurückkaufte. Die anderen Kinder behielten ihre Gleichstellungszahlung.

Nachdem die Mutter 2018 verstorben war, wandte sich eine andere Tochter an ihren zum Alleinerben eingesetzten Bruder und verlangte ihren Pflichtteil. Sie vertrat die Auffassung, der Wert des Hauses von dann 155.000 EUR sei für ihren Pflichtteilsanspruch dem Aktivnachlass hinzuzurechnen. Ohne den Wert des Hauses war der Nachlass überschuldet. Das Landgericht Saarbrücken wies die Klage der Tochter ab und auch die hiergegen eigelegte Berufung blieb erfolglos.

Wirksamer Pflichtteilsverzicht

Beide Instanzen urteilten, dass sich das Haus zwar zum Todeszeitpunkt unstreitig im Eigentum der Erblasserin befand und auf den zum Alleinerben eingesetzten Sohn übergegangen war, für die erhobenen Pflichtteilsansprüche der Wert der Immobilie in der Erbschaft jedoch im Aktivnachlass nicht zu berücksichtigen sei, weshalb der Nachlass als insgesamt überschuldet anzusehen war.

Trotz der späteren Entwicklung der tatsächlichen Verhältnisse bleibt der 1992 vereinbarte Pflichtteilsverzicht gültig, denn der Verzicht wurde lediglich unter die Voraussetzung gestellt, dass die weichenden Kinder je 20.000 DM erhielten. Diese Zahlungen waren unstreitig erfolgt und auch im Zuge der Rückübertragung an die Mutter nicht an die seinerzeit beschenkte Tochter oder die Mutter zurückgezahlt worden.

Vorweggenommene Erbauseinandersetzung

In Bezug auf die streitbefangene Immobilie sahen die Richter unter wirtschaftlicher Betrachtung eine vorweggenommene Erbauseinandersetzung der daran beteiligten späteren Miterben, wobei die Auszahlung an die weichenden Kinder nur abgekürzt für die Erblasserin durch die Beschenkte erfolgte.

Auch der spätere Rückkauf des Hauses änderte hieran nichts, da der im Rahmen des Pflichtteilsverzichts erhaltenen Wertanteil bei den jeweils Begünstigten verblieb. Eine ausdrücklich vereinbarte auflösende Bedingung dahingehend, dass für den Fall des Rückerwerbs der Pflichtteilsverzicht als nicht vereinbart gelten sollte, hatten die Vertragspartner nicht beurkundet und konnte nicht bewiesen werden.

Keine auflösende Bedingung vereinbart

Ohne eine ausdrückliche Vereinbarung kann eine auflösende Bedingung bei Rückübertragung des Hauses in den Pflichtteilsverzichtsvertrag selbst jedenfalls nicht hineininterpretiert werden. Ebenso wenig wurde die Annahme einer stillschweigend vereinbarten auflösenden Bedingung des Pflichtteilsverzichts erkannt, da es hierfür erheblicher Anhaltspunkte bedarf, die vorliegend fehlten.

Im Ergebnis konnte der verklagte Bruder das Haus behalten und der Immobilienwert schied für die Pflichtteilsberechnung zum Todestag vollständig aus. Bereits bei Abschluss eines Pflichtteilsverzichtsvertrags sollte der nicht selten vorkommende Fall, dass eine Schenkung rückgängig gemacht wird – sei es wegen groben Undanks oder Verarmung -, bedacht und auflösende Bedingungen in den Verzichtsvertrag aufgenommen werden.