Streit in der Erbengemeinschaft - das gibt's doch gar nicht!

Wenn Rechtsempfinden auf Rechtswirklichkeit trifft.

Veröffentlicht am: 26.07.2016
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
Lesedauer:

Stirbt ein vermögender Mensch, wissen die Angehörigen sofort, wem was zusteht. Dafür brauchen sie weder einen Anwalt für Erbrecht noch selbst vertiefte Kenntnisse der erbrechtlichen Regelungen des BGB. Es reicht allein das eigene „gesunde“ Rechtsempfinden“ sowie eine Bewertung der Lebensleistungen und Charaktere der potentiellen Erben.  

Streitfalle Erbengemeinschaft

Leider kommen auf diese Weise nicht nur die Beteiligten zu unterschiedlichen Ergebnissen. In der Regel deckt sich dann auch noch keines dieser Ergebnisse mit der tatsächlichen gesetzlichen oder testamentarischen Erbfolge. Der Erbstreit scheint daher fast so unvermeidlich wie der Erbfall selbst.   Besonders viele Aha-Erlebnisse (oder besser Oh-Nein-Erlebnisse) beschert die Erbengemeinschaft. Gibt es mehr als einen Erben, gehört den Miterben alles gemeinsam. Diese Zwangsgemeinschaft führt nicht selten zu langjährigen Erbstreitigkeiten, an deren Ende das Familienvermögen verscherbelt wird und der einzig positive Effekt die Arbeitsplatzsicherung von Erbrechtsanwälten und Nachlassrichtern ist. 

Ja wo ist denn der Nachlass? Kein Auskunftsanspruch gegen Miterben

Wie frustrierend eine Erbengemeinschaft sein kann, zeigt eine aktuelle Entscheidung des Landgerichts Mönchengladbach, in der es um Auskunftsansprüche unter Miterben sowie die Zahlung eines Nutzungsentgelts für eine Nachlassimmobilie ging.

Vor Gericht stritten Bruder und Schwester aufgrund des Erbfalls ihrer Mutter. Der Bruder hatte mit der Verstorbenen in deren Haus gelebt und blieb auch nach dem Tod der Mutter dort wohnen. Da die Mutter verwitwet war und kein Testament hinterlassen hatte, waren die Geschwister je zur Hälfte gesetzliche Erben und bekamen einen entsprechenden gemeinschaftlichen Erbschein. Die Schwester wollte natürlich wissen, was zum Nachlass gehörte. Als der Bruder auf entsprechende Nachfragen nicht reagierte, wurde ein Rechtsanwalt eingeschaltet. Dieser begehrte für seine Mandantin Auskunft über den Nachlassbestand und außerdem eine Nutzungsentschädigung für die Mitbenutzung des Hauses sowie Rechenschaft über getätigte Geschäfte bezüglich des Nachlasses.

Die Richter am Landgericht sahen jedoch keinen der geltend gemachten Ansprüche. Es gibt nämlich keinen allgemeinen Auskunftsanspruch unter Miterben zur Klärung des Nachlassbestandes. Alle vom Gericht geprüften möglichen Anspruchsgrundlagen laufen ins Leere. Ebenso verhält es sich mit der Nutzungsentschädigung. Wenn überhaupt hätte ein solcher Anspruch erst in Betracht kommen können, wenn die Schwester eine Neuregelung der Hausnutzung verlangt hätte. Und auch eine Verpflichtung des Bruders zur Rechenschaftslegung für die Geschäfte nach dem Erbfall sahen die Richter nicht.

Frust im Erbstreit

Was soll die Schwester davon halten? Rechtlich ist ihre Stellung in der Erbengemeinschaft identisch mit der ihres Bruders. Faktisch hilft ihr das aber herzlich wenig. Ihr Bruder bewohnt das Haus der Erblasserin. Was zum Nachlass gehört oder zu seinem Eigenvermögen, ist für Außenstehende kaum nachvollziehbar. Die Schwester muss mit ansehen, wie ihr Bruder auf eBay Wertgegenstände veräußert, die nach ihrer Überzeugung zum Nachlass gehören. Zugang zu Unterlagen hat sie im Gegensatz zu ihrem Bruder nicht.

Und dann sagen die Richter, dass der Miterbe der alle Informationen und die tatsächliche Verfügungsgewalt über den gesamten Nachlass hat, noch nicht einmal verpflichtet ist, seiner Schwester einen Überblick zu geben? Und es soll keinen Ausgleich dafür geben, dass er kostenlos im der Erbengemeinschaft gehörenden Haus wohnt, während sie Miete für ihre Wohnung zahlen muss?  

Nicht selten trägt der Anwalt Mitschuld

In wohl keinem anderen Rechtsgebiet – außer vielleicht noch im Familienrecht – klaffen die tatsächliche Rechtslage und das Rechtsempfinden der Beteiligten so oft und so häufig auseinander. Vielleicht muss man vorliegend aber auch dem Anwalt der klagenden Schwester einen Vorwurf machen. Offenbar hat er weder die Mitwirkung bei der Errichtung eines Nachlassverzeichnisses geltend gemacht (was rechtlich möglich gewesen wäre) noch eine Neuregelung der Hausnutzung gefordert.

Viele Rechtsanwälte, gerade wenn es sich nicht um Spezialisten bzw. Fachanwälte für Erbrecht handelt, setzen außergerichtliche Schreiben auf oder klagen sogar, ohne sich vorher mit der Rechtslage intensiv auseinandergesetzt zu haben. Diese „das darf doch wohl nicht wahr sein, da machen wir mal Druck-Taktik“, losgelöst von den Spielregeln des Erbrechts, weckt meist falsche Erwartungen bei den Mandanten und führt regelmäßig zu Enttäuschungen. Der gute Rechtsanwalt für Erbrecht muss sich daher auf die Erfolgsaussichten in der Sache konzentrieren – selbst auf die Gefahr hin, dass sein Mandant das nicht nachvollziehen kann und zum Erbstreit auch noch ein Konflikt zwischen Anwalt und Mandant kommt.

(Bild: Copyright Kantver - Fotolia.com)