Beginn der Anfechtungsfrist in der GmbH

Erkundigungspflicht des Gesellschafters beachten!

Veröffentlicht am: 22.07.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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Erkundigungspflicht des Gesellschafters beachten!

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Christian Westermann, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht und für Arbeitsrecht

Es entspricht ständiger Rechtsprechung, dass für Anfechtungsklagen gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH die Monatsfrist des § 246 Abs. 1 AktG entsprechend gilt, sofern die Satzung keine abweichende Regelung enthält.

Höchstrichterlich aber noch ungeklärt ist die Frage, wann in diesen Fällen die Anfechtungsfrist zu laufen beginnt. Besonders ärgerlich wird es für den anfechtenden Gesellschafter dann, wenn er zwar in der Sache Recht bekommen hätte, der Gesellschafterbeschluss aber wegen der Versäumung der Frist für die Beschlussanfechtungsklage im Ergebnis nicht aufgehoben wird. So war es im jüngst vom OLG Dresden mit Urteil vom 28.05.2020 (Az. 8 U 2611/19) entschiedenen Fall.

Ausschluss einer insolventen Gesellschafterin

Dem Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Die Gesellschafterin (nachfolgend: F-GmbH) war mit 40% am Stammkapital der Beklagten (der B-GmbH) beteiligt. Gesellschafterbeschlüsse werden gemäß der Satzung B-GmbH mit einer Mehrheit von mehr als 75% der abgegebenen Stimmen gefasst.

Die F-GmbH hatte der B-GmbH ein Gesellschafterdarlehn in Höhe von rund EUR 13,0 Mio. gewährt. Die F-GmbH befand sich in Insolvenz und der Gesellschaftsvertrag der GmbH sah für diesen Fall die Möglichkeit der zwangsweisen Einziehung bzw. der zwangsweisen Abtretung „des Geschäftsanteils“ vor.

In einer ersten Gesellschafterversammlung sollte gemäß Einladung über die zwangsweise Abtretung aller Geschäftsanteile der F-GmbH Beschluss gefasst werden. Diese erste Gesellschafterversammlung war beschlussunfähig, da der Insolvenzverwalter der F-GmbH (der spätere Kläger) nicht erschienen war. Zu der dann einberufenen zweiten Gesellschafterversammlung mit gleicher Tagesordnung erschien der Insolvenzverwalter erneut nicht. Für diese Gesellschafterversammlung galt nach der Satzung kein Quorum für die Beschlussfähigkeit mehr.

Teilweise Zwangsabtretung vorgesehen?

Die Mitgesellschafter beschlossen in dieser Versammlung, dass nur ein Teil der Geschäftsanteile der F-GmbH zwangsweise abgetreten werden sollte und die F-GmbH damit im Ergebnis mit weiteren, nicht abgetretenen Geschäftsanteilen Gesellschafterin bleiben sollte. Für die B-GmbH hatte dies den Effekt, dass die Beteiligung der F-GmbH unter die satzungsmäßige Sperrminorität von 25% gedrückt wurde, die F-GmbH aber andererseits Gesellschafterin blieb, wodurch das gewährte Darlehen weiter als nachrangiges Gesellschafterdarlehen zur Finanzierung genutzt werden konnte.

Der Insolvenzverwalter hat den Beschluss über die nur teilweise Zwangsabtretung angefochten. Er begründete dies damit, dass der Gesellschaftsvertrag so auszulegen sei, dass nur eine zwangsweise Einziehung bzw. Abtretung der gesamten Beteiligung zulässig sei. Zweck der Regelung sei es nämlich, den insolventen Gesellschafter vollständig aus der Gesellschaft zu verdrängen („Ganz-oder-gar-nicht-Prinzip“). Die in der Einladung angekündigte Einziehung aller Geschäftsanteile hätte der Insolvenzverwalter nach seiner Aussage akzeptiert, weshalb er auch nicht zu den Versammlungen erschienen sei.

Wann beginnt die Anfechtungsfrist?

Der Insolvenzverwalter hat in erster Instanz vor dem Landgericht Recht bekommen. Das OLG hat darauf hingewiesen, dass es materiell-rechtlich die Rechtsauffassung des Landgerichts teile. Es hat letztendlich aber der Berufung stattgegeben und die Anfechtungsklage abgewiesen, da es die Auffassung vertreten hat, der Kläger habe die einmonatige Anfechtungsfrist nicht eingehalten.

Hierbei kam es entscheidend auf die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage an, ob die Anfechtungsfrist bereits mit der Beschlussfassung oder – jedenfalls in Bezug auf in der Versammlung nicht anwesende Gesellschafter – erst mit der Übersendung eines Versammlungsprotokolls zu laufen beginnt.

Erkundigungspflicht des Gesellschafters

Für die erste Auffassung spreche hier ein hohes Maß an Rechtssicherheit durch eine klare Fristenregelung, für die zweite Auffassung hingegen der Schutz des an der Versammlung nicht teilnehmenden Gesellschafters, welcher erst Kenntnis vom Inhalt des Beschlusses erlangen müsse. Die wohl überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur schließt sich hier der zweiten Auffassung an.

Gleichzeitig verlangt diese Auffassung aber auch, dass der betroffene Gesellschafter zur Wahrung seiner Rechte eine Erkundigungspflicht über den Inhalt der Gesellschafterbeschlüsse hat. Nach Ablauf dieser Frist, die in der Regel zwei Wochen beträgt, beginnt die Beschlussanfechtungsfrist dann auch ohne Kenntnis des Gesellschafters vom Beschlussinhalt zu laufen.

Der Gesellschafterbeschluss war hier am 13.12.2018 gefasst worden. Das Versammlungsprotokoll ging dem Insolvenzverwalter allerdings erst am 10.01.2019 zu, der daraufhin am Montag, den 11.02.2019 die Anfechtungsklage erhoben hat und dabei für den Fristbeginn auf den Tag des Zugangs des Protokolls abgestellt hat. Nach Ansicht des OLG hatte der Kläger hier seine Erkundigungspflicht verletzt und damit nach allen vertretenen Auffassungen die Anfechtungsfrist nicht gewahrt, sodass das OLG die Klage abgewiesen und auch die Revision nicht zugelassen hat.

Konsequenzen für die Praxis

Für die Praxis zeigt sich damit, dass ein Gesellschafter bei einem GmbH-Gesellschafterstreit im eigenen Interesse immer an einer Gesellschafterversammlung teilnehmen sollte. Für eine Beschlussanfechtungsklage sollte sicherheitshalber für die Berechnung der Anfechtungsfrist immer auf den Tag der Gesellschafterversammlung abgestellt werden.

Für die Gestaltung von Gesellschaftsverträgen empfiehlt es sich, in jedem Fall eindeutige Regelungen für die Beschlussanfechtung und insbesondere für die Fristberechnung mit aufzunehmen.