Beschlussmängelklagen nach MoPEG

BGH-Urteil klärt offene Fragen

Seit Anfang 2024 wurde das Personengesellschaftsrecht durch das MoPEG grundlegend reformiert. In einem aktuellen Urteil hat der BGH eine Reihe von Rechtsfragen im Zusammenhang mit Beschlussmängelstreitigkeiten geklärt.

Veröffentlicht am: 19.05.2025
Qualifikation: Rechtsanwalt & Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Mit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts und zur Anpassung von Vorschriften im Gesellschaftsrecht (MoPeG) am 1. Januar 2024 wurde das Personengesellschaftsrecht nach über 100 Jahren grundlegend reformiert. Insbesondere hat sich auch das Recht bezüglich der Anfechtung von Gesellschafterbeschlüssen tiefgreifend geändert. Das neue, von den Kapitalgesellschaften wie GmbH und AG, bekannte Anfechtungsmodell löste das bisherige Feststellungsmodell ab. Beschlüsse sind daher so lange gültig, bis sie nach einer Klage durch ein Gericht aufgehoben werden. Wie immer schafft eine neue Rechtslage auch offene Fragen. Der BGH hatte in einem Urteil vom 10. Dezember 2024 (Az. II ZR 37/23) die Gelegenheit, zu einigen dieser Fragen Stellung zu nehmen. Es gibt nun Klarheit zur Anwendbarkeit des neuen Rechts auf Beschlüsse, die vor der Reform gefasst wurden und zu anderen wichtigen Fragestellungen in diesem Zusammenhang.

Ausgangslage: Beschlussmängelklagen nach MoPEG – Was ist neu, was bleibt?

Die bisherige Rechtslage, wonach fehlerhafte Beschlüsse grundsätzlich ex tunc, d.h. vom Moment der Beschlussfassung an, nichtig waren, wird durch das MoPEG nun für Personenhandelsgesellschaften – nicht aber zum Beispiel für die GbR – zugunsten des von den Kapitalgesellschaften her bekannten Modells geändert. Fehlerhafte Beschlüsse sind danach zunächst wirksam, bis sie durch eine erfolgreiche Beschlussmängelklage beseitigt werden. Damit wird das Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Bestandskraft von Beschlüssen gestärkt – ein Paradigmenwechsel, der die Handlungsfähigkeit von Personengesellschaften erheblich verbessert.

Das bedeutet:

  • Bei Personenhandelsgesellschaften ist nun grundsätzlich eine Anfechtungsklage möglich.
  • Bei sonstigen Personengesellschaften als der GbR, bleibt es dagegen bei der Feststellungsklage – es sei denn, der Vertrag sieht etwas anderes vor.

Mit der Umstellung von der Anfechtungs- auf die Feststellungsklage geht auch eine verkürzte Frist – 3 Monate – einher, innerhalb der die Klage eingelegt werden muss. Danach bleibt der Gesellschafterbeschluss in Kraft, auch wenn er Mängel aufweist. Schwere Mängel führen zur Nichtigkeit und können grundsätzlich auch noch später angegriffen werden mit der Feststellungsklage. Allerdings birgt dies das Risiko, dass ein erkennendes Gericht den Beschlussmangel als nicht entsprechend schwerwiegend ansieht, dass er zur Nichtigkeit führt und die Klage wird dann trotz des Mangels abgewiesen.

Durch den Gesellschaftsvertrag kann davon abgewichen werden. So können Personenhandelsgesellschaften weiterhin das Feststellungsmodell wählen und die GbR kann durch Gesellschaftsvertrag zum Anfechtungsmodell optieren. In der Regel ist aus praktischer Sicht das Anfechtungsmodell effizienter und daher vorzugswürdig.

Was sagt der BGH in seinem Urteil?

Der BGH entschied in seinem Urteil über die Wirksamkeit von Ausschlussbeschlüssen einer Kommanditgesellschaft. Die Klägerin war aus der Gesellschaft ausgeschlossen worden, was sie mit einer Feststellungsklage gegen einzelne – aber nicht gegen alle – Gesellschafter angriff.

Der BGH hat insbesondere Folgendes entschieden:

  • Keine Anwendung des neuen Rechts auf Altbeschlüsse: Der BGH betonte, dass das neue Anfechtungsmodell nicht rückwirkend gilt. Altbeschlüsse bleiben also nach dem Recht zu beurteilen, das zum Zeitpunkt der Beschlussfassung galt.
  • Zulässigkeit einer Feststellungsklage gegen einzelne Gesellschafter: Der BGH bestätigte, dass es keine notwendige Streitgenossenschaft aller widersprechenden Gesellschafter gibt. Eine Klage kann also gegen nur einen oder einige Gesellschafter gerichtet sein – solange darin Missbrauch vorliegt.
  • Verjährung und Fristwahrung: Der BGH stellte klar, dass gesellschaftsvertraglich vereinbarte Klagefristen auch dann gewahrt sind, wenn die Klage zunächst fristgerecht bei einem örtlich unzuständigen Gericht eingereicht wird und später verwiesen wird.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung hat konkrete Auswirkungen auf die Prozessführung in Beschlussmängelsachen:

Klagen gegen einzelne Gesellschafter sind zulässig. Die Mitgesellschafter stellen nach Ansicht des BGH keine notwendigen Streitgenossen dar. Gesellschafter können daher gezielt gegen einzelne gegnerische Gesellschafter vorgehen – etwa, weil diese den umstrittenen Beschluss besonders unterstützt haben. Dies kann eine Art „Musterverfahren“ sein und senkt, insbesondere bei vielen Mitgesellschaftern, das Kostenrisiko. Es birgt aber auch Gefahren, da es die nicht mit-verklagten Mitgesellschafter auch nicht bindet. In einem nachfolgenden Rechtsstreit gegen andere Gesellschafter könnte das Gericht tatsächlich auch abweichend entscheiden von dem ersten Gericht. In der Regel sollten daher sämtliche Mitgesellschafter verklagt werden.

Satzungsanpassungen vorbeugend erwägen. Obwohl das Feststellungsmodell für Nicht-Personenhandelsgesellschaften, wie die GbR, weiterhin gilt, kann es sinnvoll sein, gesellschaftsvertraglich das Anfechtungsmodell einzuführen – etwa, um Klagen effizienter abzuwehren oder selbst schneller handeln zu können. Dabei macht eine Klage gegen die Gesellschaft statt gegen die Mitgesellschafter regelmäßig Sinn. Auch die Möglichkeit, verlängerte oder verkürzte Anfechtungsfristen zu regeln, kann sinnvoll sein, zum Beispiel um Spielraum für Verhandlungslösungen nach streitiger Beschlussfassung zu schaffen oder, im anderen Fall, um schnell Klarheit zu erlangen, ob der Beschluss angefochten wird oder wirksam bleibt.

Das BGH-Urteil vom 10. Dezember 2024 klärt für die Praxis einige wichtige Fragen bezüglich Beschlussmängelklagen. In jedem Fall sollten Gesellschafter prüfen, ob der Gesellschaftsvertrag einer Anpassung im Hinblick auf die neue Rechtslage bedarf, um den Umgang mit Beschlussmängelstreitigkeiten effektiv zu regeln. Solche Streitsituationen schaffen oft existenzielle Bedrohungen für die Gesellschaft. Die Form des Streits sollte dann zumindest effektiv geregelt sein, um die Risiken abzumildern.

 

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