Bundesjustizminister will den digitalen Zivilprozess

Reallabors für das Online-Gerichtsverfahren

Justizminister Buschmann will das Zivilverfahren zukunftsfähig machen. Ein Online-Gerichtsverfahren soll mit dem Rückenwind des Zeitgeistes in einem Reallabor getestet werden.

Veröffentlicht am: 13.06.2024
Qualifikation: Rechtsanwältin, Corporate Litigation
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Durch den Einsatz moderner Technologien sollen die Gerichte bürgernah und leistungsfähig werden. Der Referentenentwurf ist druckfrisch. Am 11. Juni 2024 hat das Bundesministerium der Justiz den Entwurf für ein Gesetz zur Entwicklung und Erprobung eines Online-Verfahrens in der Zivilgerichtsbarkeit vorgestellt. Dieser Entwurf markiert einen bedeutenden Schritt in Richtung einer umfassenden Digitalisierung der Justiz in Deutschland.

Ziele des digitalen Zivilprozesses

Der Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärte, dass die Digitalisierung der Justiz entscheidend für die Effizienz und Modernisierung des Rechtswesens sei. Mit dem neuen Gesetz sollen insbesondere Zahlungsansprüche mit geringem Streitwert in einem einfachen, nutzerfreundlichen und vollständig digitalen Verfahren geltend gemacht werden können. Dies erleichtert den Zugang zur Justiz erheblich und reduziert die Bearbeitungszeit für Gerichte durch den Einsatz digitaler Unterstützungswerkzeuge.

Erprobung und Evaluierung

Das Gesetz sieht vor, dass einzelne Gerichte ab 2025 vollständig digital geführte Zivilverfahren erproben. Dieses sogenannte Reallabor dient als Testumgebung, um innovative Technologien unter realen Bedingungen zu erproben. Die Ergebnisse dieser Erprobung sollen eine Grundlage für eine dauerhafte Regulierung und die weitere Digitalisierung der Justiz liefern. Die Erprobung ist auf einen Zeitraum von zehn Jahren angelegt, mit Evaluierungen nach vier und acht Jahren.

Big Points des geplanten Online-Gerichtsverfahrens

Der Entwurf des Gesetzes beinhaltet mehrere zentrale Maßnahmen. Das sind die wesentlichen Punkte kurz zusammengefasst:

  • Digitale Klageerhebung: Bürgerinnen und Bürger können Klagen über digitale Eingabesysteme einreichen, unterstützt durch Informationsangebote und Abfragesysteme.
  • Gerichtliche Zuständigkeit: Erfasst werden Rechtsstreitigkeiten vor den Amtsgerichten, die auf Zahlung von Geldsummen bis zu 5.000 EUR gerichtet sind.
  • Verfahrensrechtliche Anpassungen: Einführung von Möglichkeiten für Verfahren ohne mündliche Verhandlung und erweiterte Nutzung von Videoverhandlungen.
  • Digitale Unterstützung in Massenverfahren: Spezielle Eingabesysteme sollen die Justiz in standardisierten Fällen, wie z.B. Fluggastrechten, unterstützen.
  • Kommunikationsplattform: Einführung einer Plattform zur digitalen Kommunikation zwischen Gerichten und Verfahrensbeteiligten.

Bundesweite Koordination und Projektpartnerschaften

Die Umsetzung dieses Gesetzes wird durch ein Digitalisierungsprojekt des Bundesministeriums der Justiz begleitet. Der Bund koordiniert in Partnerschaft mit interessierten Ländern und Gerichten die Entwicklung und Erprobung des Online-Verfahrens. Derzeit sind acht Länder und elf Pilotgerichte beteiligt.

Gesetzgeber betritt Neuland

Mit diesem Gesetzesentwurf setzt die Bundesregierung ein klares Zeichen für die Modernisierung der Justiz. Der digitale Zivilprozess soll nicht nur den Zugang zur Justiz erleichtern, sondern auch die Effizienz und Transparenz der Verfahren steigern. Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer zukunftsfähigen und bürgernahen Justiz, die den Anforderungen der digitalen Gesellschaft gerecht wird.

Interessierte Kreise haben bis zum 12. Juli 2024 Gelegenheit, Stellung zu dem Gesetzesentwurf zu nehmen. Diese werden auf der Website des Bundesministeriums der Justiz veröffentlicht, was für Transparenz und eine breite Beteiligung sorgt. Der vollständige Gesetzesentwurf ist auf der Website des Bundesministeriums der Justiz abrufbar: Referentenentwurf: https://www.bmj.de/SharedDocs/Downloads/DE/Gesetzgebung/RefE/RefE_Erprobungsgesetz_Zivilprozess.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Wir sind sehr gespannt, wann sich die Idee des digitalen Gerichtsverfahrens bei kleinen und großen Streitwerten, etwa auch bei wirtschaftsrechtlichen Klagen gegen Unternehmen, wird durchsetzen können.