Der Gerichtsstand bei Klagen gegen juristische Personen

Neuer Impuls durch das Kammergericht

Eine GmbH kann einen Satzungssitz haben, aber woanders tätig sein und ihre Hauptverwaltung betreiben (Verwaltungssitz). Das führt in der Praxis zu Problemen für Gläubiger, die gerichtlich gegen die GmbH vorgehen wollen. Eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin schafft Orientierung.

Veröffentlicht am: 23.04.2025
Qualifikation: Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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Die Frage des Gerichtsstands ist im Zivilprozessrecht von zentraler Bedeutung. Sie bestimmt, welches Gericht örtlich für eine Klage zuständig ist, wo ein Gläubiger also seine Rechte geltend machen kann. Bei natürlichen Personen richtet sich das nach dem Wohnsitz und insoweit bestehen selten Unklarheiten. Bei Klagen gegen juristische Personen, insbesondere GmbHs, kann die Bestimmung des korrekten Gerichtsstands jedoch schwierig sein. Denn es kann verschiedene „Sitze“ einer GmbH geben und gesetzlich ist das nicht abschließend geregelt. Entsprechend ergeben sich für potenzielle Kläger Unsicherheiten, vor welchem Gericht sie klagen können. Eine aktuelle Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 6. März 2025 (2 UH 2/25) nimmt dazu Stellung.

Satzungssitz, Verwaltungssitz und mehr

Die Frage, welches Gericht bei Klagen gegen eine GmbH zuständig ist, ist für die Praxis von erheblicher Bedeutung und richtet sich im Ausgangspunkt nach dem sogenannten „allgemeinen Gerichtsstand“, der sich bei juristischen Personen nach § 17 Abs. 1 ZPO grundsätzlich nach deren „Sitz“ richtet. Doch der „Sitz“ ist bei einer GmbH nicht eindeutig, denn sie kann mehrere haben. Der Gesellschaftsvertrag (Satzung) bestimmt den sog. „Satzungssitz“. Daneben kann es einen davon abweichenden „Verwaltungssitz“, der sich nach dem tatsächlichen Mittelpunkt der Geschäftsleitung bestimmt und ganz woanders – im Bundesgebiet – liegen kann. Verkomplizierend kommt hinzu, dass die im Handelsregister eingetragene Geschäftsanschrift in der Praxis zwar oft mit dem Verwaltungssitz identisch ist, aber nicht identisch sein muss. Gerade bei überregional tätigen Gesellschaften oder Briefkastengesellschaften kann es hier zu Abweichungen kommen, sodass gleich mehrere „Sitze“ und damit örtlich verschiedene Gerichte in Betracht kommen.

Meinungsstand und frühere Rechtsprechung des KG zum Gerichtsstand

Bisher vertrat das Kammergericht Berlin die Auffassung, dass in solchen Fällen auf den tatsächlichen Verwaltungssitz abzustellen sei. Dies galt selbst dann, wenn sich dieser außerhalb von Berlin befand. Diese Sichtweise führte jedoch zu Kritik, da sie zu einem "gespaltenen" Gerichtsstand führen konnte: Zuständigkeit des Landgerichts am Satzungssitz, z. B. Berlin, Zuständigkeit des Amtsgerichts am auswärtigen Verwaltungssitz, z. B. in Stade oder Rosenheim. In der juristischen Literatur wurden auch andere Ansätze diskutiert, wie die Anknüpfung an den Sitz des Registergerichts. Vom Streitwert oder Streitgegenstand hing danach ab, ob der Kläger in Berlin, Flensburg oder Konstanz klagen musste. In der Literatur wurde diese zu unpraktischen Ergebnissen führende Rechtsprechung kritisiert und ein Festhalten am Satzungssitz, also dem im Gesellschaftsvertrag festgelegten Sitz gefordert. 

Ein darüberhinausgehendes Problem ergibt sich für Fälle, für die das Amtsgericht – nicht das Landgericht – zuständig ist, immer dann, wenn es am Satzungssitz mehrere Amtsgerichte gibt, wie in Berlin oder Hamburg. Teilweise wurde insoweit gefordert, insoweit auf den Sitz des Registergerichts abzustellen, andere Stimmen plädierten für ein Wahlrecht des Klägers zwischen allen Amtsgerichten des Landgerichtsbezirks.

Änderung der Rechtsprechung des Kammergerichts: Wahlrecht bezüglich Gerichtsstand

Mit der aktuellen Entscheidung vom 6. März 2025 (2 UH 2/25) hat das Kammergericht seine Rechtsprechung teilweise aufgegeben und der Kritik an den geschilderten unpraktischen Folgen nachgegeben. Es schließt sich nun der Auffassung des OLG Frankfurt aus dem Urteil des OLG Frankfurt vom 29.4.2021 (11 SV 16/21) an, wonach dem Kläger ein Wahlrecht zusteht, wenn es am nicht näher spezifizierten Satzungssitz mehrere Amtsgerichte gibt und sich der Verwaltungssitz außerhalb des zuständigen Landgerichtsbezirks befindet. Der Kläger kann somit unter allen dort befindlichen Amtsgerichten wählen. 

Praktische Handhabung des Gerichtsstandes

Die Entscheidung hat für potenzielle Kläger gegen eine GmbH folgende Auswirkungen:

  • Klarstellung: Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts besteht Klarheit, dass bei nicht näher spezifizierter Sitzangabe im Gesellschaftsvertrag und auswärtigem Verwaltungssitz ein Wahlrecht des Klägers besteht.
  • Wahlrecht: Kläger können den für sie „günstigsten“ Gerichtsstand innerhalb Berlins wählen. Eine Beschränkung auf das Registergericht findet nicht statt.
  • Sorgfalt: Dennoch bleibt eine sorgfältige Prüfung des Gerichtsstands unerlässlich. Das gilt für die Einordnung nach Instanzen ebenso wie für Spezialzuständigkeiten, z. B. Arbeitsgericht.

Ausblick: Rechtssicherheit bei Gerichtswahl

Bislang liegt noch keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zu dieser Problematik vor. Mit der Entscheidung des Kammergerichts Berlins schließen sich jedoch neben dem OLG Frankfurt zwei damit befasste Oberlandesgerichte der Mehrheitsmeinung in der Literatur an. Das erhöht die Rechtssicherheit bei der Gerichtswahl in diesen Fällen deutlich und schafft auch für potenzielle Kläger gegen eine GmbH (oder UG) mehr Rechtssicherheit.

 

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