Der Versammlungsleiter, der nicht abstimmen durfte

OLG München zum Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung

Veröffentlicht am: 01.06.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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OLG München zum Stimmrecht in der Gesellschafterversammlung

Ein Gastbeitrag von Sonja Dähnhardt

Aufgrund der knapp gehaltenen gesetzlichen Regelungen zum Ablauf der Gesellschafterversammlung kommt es immer wieder zu rechtlichen Unklarheiten. Häufig entstehen im Laufe der Zeit Verhältnisse, die die Gesellschafter bei der Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages noch nicht vorhergesehen, und daher nicht bedacht haben. Immer wieder haben deshalb die Gerichte über Fragen zum Thema Gesellschafterversammlung zu entscheiden.

Vom Stimmrecht ausgeschlossenen Versammlungsleiter

Anfang des Jahres lag dem Oberlandesgericht München zum Beispiel eine Streitsache vor, bei der es um die Frage ging, ob ein vom Stimmrecht ausgeschlossener Gesellschafter trotzdem als Versammlungsleiter an der Gesellschafterversammlung beteiligt sein darf. Zur Erinnerung: Ein Versammlungsleiter ist beim Ablauf des Treffens für die Einhaltung der Tagesordnung, für die Gesprächsmoderation sowie schlussendlich für die Feststellung der gefassten Beschlüsse zuständig.

Nun soll ausgerechnet ein Gesellschafter, der nicht an der Abstimmung teilnehmen darf (zum Beispiel, weil es um seine eigene Abberufung geht), den Gesellschafterbeschluss feststellen und somit über dessen Wirksamkeit entscheiden?

Keine Missbrauchsgefahr, da Versammlungsleiter gesetzlich gebunden ist?

Ja, meint zumindest das OLG München. Schließlich hat der Versammlungsleiter bei der Beschlussfeststellung gerade kein eigenes Ermessen, sondern sei an die gesetzlichen Regelungen gebunden. Einen Missbrauch der Feststellungsbefugnis scheinen die Richter daher nicht zu befürchten. Im Gegenteil, eventuelle Stimmrechtsausschlüsse sind in der Regel nicht unumstritten. Der Versammlungsleiter soll in seiner Position nicht von diesen Zweifeln belastet werden.

Ein Fall von Münchner Naivität?

Ob das OLG bei der Annahme, ein Versammlungsleiter verhalte sich immer rein objektiv und sei durch die gesetzlichen Regelungen zwingend gebunden, nicht etwas naiv entschieden hat, bleibt fraglich. Auch ein Versammlungsleiter, der sich an alle Vorschriften hält, wird Wege finden die Beschlussfeststellung mindestens hinauszuzögern. Zudem hat der Versammlungsleiter durch seine Moderationsaufgabe einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf den Ablauf der Versammlung.

Allerdings ging das Gericht bei seiner Entscheidung vom gesetzlichen Regelfall aus, bei dem der Versammlungsleiter zu Beginn jeder Versammlung von den Gesellschaftern gemeinsam gewählt wird. Hier ist es wohl unwahrscheinlich, dass die übrigen Gesellschafter gerade denjenigen zum Versammlungsleiter bestimmen, dessen Rechte sie in der folgenden Versammlung einschränken wollen. Ob sich die Argumentation der Münchner Richter aber auch in Gesellschaften bewähren wird, in denen der Versammlungsleiter bereits in der Satzung festgelegt ist bleibt zweifelhaft.