Digitalisierung: Der Notar in der Cloud

GmbH-Gründung, Notartermine, Unternehmenspublizität – alles online!

Veröffentlicht am: 01.03.2021
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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GmbH-Gründung, Notartermine, Unternehmenspublizität – alles online!

Ein Beitrag von Fachanwalt für Rechtsanwalt Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht in Hamburg

eSoccer, eCommerce, Blockchain … und nun kommt auch das deutsche eCorporate? Nein, es ist noch nicht der Cybersex für die Wirtschaftsjuristen. Aber Schritt für Schritt entdeckt auch die Bundesjustizministerin das Internet – wir reiben uns die Augen!

Gedrängt von der EU-Kommission beginnt unser Gesetzgeber hierzulande mit der Digitalisierung des Wirtschaftsrechts. Die nächste bedeutende Online-Initiative startet nächstes Jahr. Startup-Gründer, Konzernmütter, ausländische Investoren können dann auf den Besuch beim Notar verzichten, wenn sie eine GmbH gründen oder eine Zweigniederlassung errichten wollen. Alles online möglich. Deutschland will am liebsten bei diesen Dingen so unbürokratisch werden wie das digital talentierte Lettland.

EU-Digitalisierungsrichtline

Die Bundesregierung ist verpflichtet, die in 2019 in Kraft getretene EU-Digitalisierungsrichtlinie (EU – 2019/1151) umzusetzen, durch die die EU die europaweiten Gesellschaftsgründungen im Wege digitaler Kanäle vereinfachen will (Company Law Package). Das Bundesjustizministerium hat nun im Februar 2021 seinen Gesetzesentwurf vorgelegt, mit dem das Unternehmensrecht einen Digitalisierungsschub erhalten soll.

Die wichtigste Neuregelung betrifft die Online-Gründung der GmbH. Die EU gewährt für die Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie grundsätzlich eine Frist bis zum August 2021, ermöglicht aber ihren Mitgliedsstaaten eine Verlängerung bis zum 1. August 2022. Die Bundesregierung hat bereits schon ihre Verlängerungsoption gezogen und will die Internet-Gründungen sowie die Digitalisierung des Unternehmensregisters in Deutschland bis zum August nächsten Jahres ermöglichen.

Was wird im deutschen Gesellschaftsrechts digitalisiert?

Die EU wollte die Digitalisierung der Gründung der GmbH, UG, AG und KGaA ermöglichen. Das deutsche Justizministerium machte jedoch von einer Opt-Out-Möglichkeit Gebrauch und will die Internet-Gründung nur für die GmbH und UG ermöglichen. Begründet wird die gesetzgeberische Zurückhaltung mit der Komplexität des Gründungsvorgangs bei AGs und KGaAs.

Des Weiteren soll zukünftig bei der Unternehmenspublizität auf die umständliche Bekanntmachung von Unternehmensdaten im Bundesanzeiger verzichtet werden. Jahresabschlüsse werden gemäß dem once-only-Prinzip nur noch im Unternehmensregister offengelegt werden. Mithin entfällt die aktuelle Doppelpublizität im Unternehmensregister und Bundesanzeiger. Überdies will der Gesetzesentwurf einen kostenlosen Abruf aller wesentlichen Unternehmensdaten ermöglichen. Das Handelsregister wird also zukünftig auf Abrufgebühren verzichten.

Die Online-GmbH-Gründung

Gesetzesziel ist die Vereinfachung und Schnelligkeit beim Gründungsprozedere. Wesentliche Erleichterungen betreffen das notarielle Beurkundungs- und Handelsregisterverfahren. Bei der Kapitalausstattung der GmbH und UG wird sich nichts ändern. Die Gesellschaftsgründung ist weiterhin nur mit einer Einlage von EUR 25.000,00 möglich, wobei das Stammkapital bei der Gründung grundsätzlich nur hälftig aufgebracht werden muss. Will der Gründer jedoch ein Stammkapital von weniger als EUR 25.000,00, muss er auf die UG (haftungsbeschränkt) zurückgreifen. Auch die Anforderungen an den GmbH-Gesellschaftsvertrag verändern sich nicht.

Der Gesetzgeber wollte auch nicht auf den Notar als Gatekeeper im Gründungsverfahren verzichten, da er sich als Beratungs- und Kontrollinstanz bewährt hat. Nahezu ungeprüften Gesellschaftsgründungen wie etwas in UK oder Lettland erteilt das Justizministerium eine Absage. Der Notar wird weiterhin als den Gesellschaftsvertrag formell beurkunden, dies halt nur im Wege einer Online-Videokonferenzsitzung. Für die Beurkundung von Gründungsunterlagen und Beglaubigungen von Handelsregisteranmeldungen bleibt der Notar also weiterhin zuständig. Nur das physische Treffen mit dem Notar kann entfallen. Die Identität der Gründer und Geschäftsführer wird im Rahmen des Onlineverfahrens durch einen Chip im Ausweispapier festgestellt.

Klarzustellen ist, dass die Gründung der GmbH vor Ort beim Notar weiterhin möglich sein wird. Der Notar wird also nicht vollends in der Cloud verschwinden. Für Kapitalerhöhungen in der GmbH, Änderungen des Gesellschaftsvertrags und den Kauf einer GmbH muss der Weg zum Notar vor Ort weiterhin angetreten werden.

Bewertung des Gesetzesentwurfs aus der Anwaltspraxis

Zuallererst ist der EU-Gesetzgeber zu loben. Er scheint ein Innovationstreiber in Sachen eGovernment-Service zu sein. Die Digitalisierungsinitiative ist zu begrüßen, auch wenn der deutsche Gesetzgeber es versäumt hat, auf breiter Front die Online-Gründung für alle deutschen Gesellschaftsformen einzuführen. Auch die Bar-Gründung von etwa kleinen Aktiengesellschaften sollten aus Praktikersicht online möglich werden. Alle Hürden wie das zusätzliche Erfordernis der Bestellung des Aufsichtsrats bei der AG-Gründung ließen sich mittels der Videokonferenz mit dem Notar nehmen.

Der Gesetzgeber verspricht mit dem neuen Digitalinstrument eine schnelle Online-GmbH-Gründung. Zu bedenken ist aber, dass die GmbH-Gründung nur abgeschlossen werden kann, wenn die Gründer ihr Stammkapital auf ein Bankkonto der GmbH überweisen, was der Geschäftsführer versichern muss. Hierauf achtet der Notar peinlich genau. Hier stellt sich die Frage, inwieweit die Banken bei der Kontoeröffnung für in Gründung befindliche GmbH ihr Verfahren vereinfachen. Oftmals nimmt die Kontoeröffnung viel Zeit in Anspruch. Die Banken lassen insbesondere Gründer im Ausland bei der Kontoeröffnung für die neue GmbH i.G. nicht selten sogar Wochen warten.