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Verantwortungseigentum (GmbH-VE)

Am Unternehmenszweck orientierte Alternativen zu klassischen Unternehmensformen

Seit geraumer Zeit wird im angelsächsischen Raum und zunehmend auch in Deutschland unter dem Stichwort „Purpose Economy“ eine neue sinnorientierte Wirtschaftsweise diskutiert. Diese bestreitet den Vorrang der Profitorientierung für die Anteilseigner (Shareholder Value) und stellt den unternehmerischen Zweck und dessen nachhaltige Verwirklichung in den Mittelpunkt. Daraus entwickelt wurde eine neue Unternehmensform, die jüngst auch im deutschen Rechtsraum vermehrt gefordert wird. Was steckt dahinter?

Unser Team von Rechtsanwälten, Fachanwälten und Steuerberatern berät Sie zu allen Fragen der alternativen und nachhaltigen Unternehmensgründung sowie der Unternehmensnachfolge innerhalb der Familie auch in Form von Stiftungen oder beim Verkauf an Dritte.

Für eine unverbindliche Anfrage kontaktieren Sie bitte direkt telefonisch oder per E-Mail einen unserer Ansprechpartner oder nutzen Sie das Kontaktformular am Ende dieser Seite.

Ziel: Verantwortungsvoller Umgang mit Eigentum

Der Begriff Verantwortungseigentum bezeichnet solche Unternehmen, deren rechtliche Gestaltung eine sinnorientierte und nachhaltige Wirtschafsweise auf Anteilseigner-Ebene sicherstellt. Sie befinden sich dadurch in Verantwortungseigentum. Ein „Verantwortungseigentümer“ ist damit ein Gesellschafter mit Stimm- und Teilhaberechten, aber ohne Ansprüche auf Gewinnausschüttung und Liquidationserlös.

Der Zweck des Unternehmens ist damit nicht in erster Linie die Vermögensmehrung der Gesellschafter, sondern die Selbstständigkeit des Unternehmens. Dadurch können Waren und Dienstleistungen in nachhaltiger Weise angeboten und gesellschaftliche Verantwortung für Angestellte und Kunden getragen werden – ohne, dass das Credo der Gewinnmaximierung solche langfristigen Pläne durchkreuzt.

Verantwortungseigentum in Deutschland

Bisher werden ähnliche Ziele im deutschen Recht nur durch komplizierte Rechtskonstruktionen erreicht. Derzeit gibt es in Deutschland mit Bosch und Carl Zeiss zwei weltweit erfolgreiche Großunternehmen, die seit langer Zeit existieren und welche durch unterschiedliche Stiftungslösungen von kurzfristigen Profitinteressen von Anlegern entkoppelt und stattdessen strukturell auf eine nachhaltige Entwicklung angelegt sind.

Ende 2019 wurde mit viel Rückenwind aus Politik und Wirtschaft die Stiftung Verantwortungseigentum in Berlin gegründet, die für eine Verbreitung und Förderung des Modells Verantwortungseigentum sorgen soll. Eine Gruppe von mit dieser Stiftung verbundenen Rechtswissenschaftlern hat dazu bereits einen „Entwurf eines Gesetzes für die Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Verantwortungseigentum“ vorgelegt. Dieses sieht die Ergänzung des GmbH-Rechts und die Schaffung einer neuen Rechtsform, der GmbH-VE (GmbH im Verantwortungseigentum), vor.

Hohe Nachfrage durch Start-ups

Tatsächlich ist bei mittlerweile insbesondere bei jungen Existenzgründern zunehmend eine starke Sinnorientierung zu spüren. Die im Rahmen von Start-ups verfolgten Geschäftsmodelle haben oft nicht primär den Zweck, Geld zu verdienen, sondern eine moderne und nachhaltige Wirtschaftsweise zu fördern.

Es ist ein neuer Idealismus spürbar, die Welt verbessern zu wollen, der diesen Gründern als Hauptantrieb dient, ohne dass diese die Notwendigkeit leugnen, profitabel wirtschaften zu müssen, um am Markt bestehen zu können. Eine Reihe von Start-ups und Mittelständlern auf der Suche nach einem geeigneten Modell der Unternehmensnachfolge sind dem Beispiel in jüngerer Zeit in modernem Gewand gefolgt, wie Ecosia, Waschbär oder Elobau.

Strukturelle Veränderung durch Investoren verhindern

Diesem Trend stehen aber klassische Venture Capital Finanzierungen entgegen, bei denen profitorientierte Kapitalgeber auf einen monetär erfolgreichen Exit hoffen und auch angewiesen sind. Wenn einem Start-up dann der große Durchbruch gelingt und ein Börsengang erfolgt, verändert dies regelmäßig den Charakter des Unternehmens auf einschneidende Weise, da jetzt die oft kurzfristigen Interessen anonymer Aktionäre die Marschroute bestimmen.

Viele Gründer sind daher für die Finanzierung von Start-ups unter dem Stichwort Verantwortungseigentum auf der Suche nach alternativen Strukturen, welche die Unternehmensverantwortung langfristig in die Hände derjenigen Personen legt, die aktiv die Unternehmensgeschicke steuern, also vor allem Mitarbeiter und Management. Diese Verantwortungseigentümer werden von den Unternehmensgewinnen weitgehend entkoppelt und dienen stattdessen im Wesentlichen der langfristigen Verfolgung der Unternehmenszwecke anstatt an Anleger ausgeschüttet zu werden, die durch ein reines Gewinninteresse mit dem Unternehmen verbunden sind.

Vorteile für Familienunternehmen im Mittelstand

Auch für viele Mittelständler auf der Suche nach einem geeigneten Modell der Unternehmensnachfolge ist dies interessant. Diese sind ihrem Unternehmen und den Mitarbeitern oft sehr eng verbunden. Sofern innerhalb der Familie jedoch kein geeigneter Nachfolger zur Verfügung steht, ist oft der Verkauf, nicht selten an einen rein gewinnorientieren Private Equity Fonds, die Folge. Ob und wie das Unternehmen dann weitergeführt wird, liegt dann nicht mehr in der Hand des abgebenden Unternehmers.

Eine Stiftungslösung kann ein Ausweg zur langfristigen Absicherung des Unternehmens sein. Dabei kommen verschiedenste Modelle

je nach Situation und Interesse des Unternehmers in Betracht. Diese zeichnen sich allerdings regelmäßig durch eine hohe Komplexität und Inflexibilität aus.

Bei einem Unternehmen in Verantwortungseigentum wird die Zukunft des Unternehmens nicht in die Hände nachfolgender Generationen von Familienmitgliedern gelegt, sondern stattdessen in eine Gemeinschaft von Gesellschaftern, die befähigt sind, das Unternehmen zu führen und sich quasi als Treuhänder des Unternehmens auf begrenzte Zeit einbringen. Dies schließt nicht aus, die Familienmitglieder abgebenden Unternehmers durch eine angemessene Gewinnbeteiligung abzusichern. Die Gewinnansprüche sind jedoch begrenzt und ein Verkauf des Unternehmens wird ausgeschlossen.

Inhalt des Gesetzesentwurfs für die GmbH-VE

Wie genau das Verantwortungseigentum gesetzlich ausgzugestalten wäre, ist indes noch unklar und in vielen Details streitig. Um die oben genannten Zwecke zu verwirklichen, sieht der Gesetzesentwurf der Stiftung Verantwortungseigentum eine Reihe von Instrumenten vor, unter anderem folgende:  

  1. So steht der Jahresüberschuss der GmbH-VE zwingend nicht den Gesellschaftern zu, sondern der Gesellschaft.
  2. Abweichende Regelungen sind unwirksam.
  3. Das Vermögen der Gesellschaft wird an diese und die Verwirklichung ihres Zwecks gebunden.
  4. Im Gesellschaftsvertrag der GmbH in Verantwortungseigentum müssen hinreichende Vorkehrungen getroffen werden, um diese Vermögensbindung und die Verwendung des Überschusses sicherzustellen.
  5. Andernfalls ist eine Eintragung abzulehnen.
  6. Informationen über die Vorkehrungen müssen dauerhaft öffentlich zur Verfügung gestellt werden.

Steuerlich soll die GmbH-VE übrigens wie eine normale GmbH behandelt werden, wird somit nicht etwa wegen Gemeinnützigkeit bevorzugt.

Vergleich zur Stiftungslösung

Neben altbewährten Strukturen, wie Stiftungslösungen, bilden sich in der jetzigen Beratungspraxis aber auch neue Gestaltungsüberlegungen heraus. Das Stiftungsrecht wird dabei in vielen Fällen als zu starr angesehen und auch die obligatorische Stiftungsaufsicht wird von vielen als belastend empfunden.

Stiftungen bewegen sich zudem traditionell zwischen den Polen Gemeinnützigkeit und Privatnützigkeit im Sinne von Profitorientierung im Interesse der Destinatäre. Bei Verantwortungseigentum geht es dagegen in erster Linie um die Interessen des Unternehmens und damit aller Stakeholder, wie Mitarbeitern, Kunden oder lokalen Gesellschaftsgruppen, in denen das Unternehmen am Standort verhaftet ist.

Gestaltungsmöglichkeiten im traditionellen Gesellschaftsrecht

Derzeit lässt sich eine langfristig am Unternehmenszweck orientierte rechtliche Struktur außerhalb von Stiftungen nur mit verhältnismäßig komplexen Gestaltungen erreichen, wie dem Veto-Share- Modell. Bei diesem gibt es unterschiedliche Anteilsklassen. Die Stimmrechte liegen in der Hand der Verantwortungseigentümer, die mit dem Unternehmenszweck eng verbunden sind. Das können das Management oder gewählte Vertreter der Belegschaft sein.

Die Gewinnrechte dagegen liegen bei Investoren und sind gedeckelt, ebenso wie die Gewinnansprüche der Verantwortungseigentümer. Außerdem gibt es einen Mini-Anteil für eine Stiftung, deren einziger Zweck es ist, eine Veränderung an der Verantwortungseigentümerstruktur zu verhindern (sog. Asset Lock).

In der Beratungspraxis spielen auf Verantwortungseigentum ausgelegte Gestaltungen zunehmend eine wichtige Rolle. Sollte der vorgelegte Gesetzesentwurf zum GmbHG in so oder in ähnlicher Form umgesetzt werden, steht in Zukunft eine deutlich weniger komplexe Gestaltung zur Verfügung.

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