Ich habe nichts zu vererben

KG Berlin zum Testamentsentwurf per Email

Veröffentlicht am: 28.06.2017
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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KG Berlin zum Testamentsentwurf per Email

Ein Gastbeitrag von Fiona Schönbohm

Erbrechtliche Gerichtsentscheidungen zu selbst verfassten Testamenten haben oft einen hohen Unterhaltungswert. Das trifft auch auf ein Urteil des Kammergerichts Berlin zu, bei dem sich die Richter mit einer verschwundenen letztwilligen Verfügung befassen mussten.

Vier Kinder, zwei Ehefrauen und eine Reise nach China

Es wird gestritten um die horrende Summe von 3.879,63 Euro. Dafür zieht doch jeder gern in die oberste Instanz. Aber wie sonst bekäme unsere lieben Richter die Gelegenheit, ein zweites Gesetz aus Rechtsprechungen zu schreiben. Jurastudenten wissen, warum das so qualvoll ist. Wie auch immer.

Der Erblasser, Vater von vier Kindern aus erster Ehe, errichtete zunächst im Jahre 2010 ein erstes Testament, in dem er sein Vermögen seinen Kindern zu gleichen Teilen vermachte. Es sollte die gesetzliche Erbfolge gelten.

Es kam wie es kommen musste: Kaum frisch verheiratet, änderte der gute Mann seine Meinung. Auf einer Reise in China im Jahr 2011 musste es dann scheinbar ganz schnell gehen. Er setzte ein handschriftliches, neues Testament auf, in dem seine zweite Ehefrau als Alleinerbin eingesetzt wurde.

Neuer Wille, neues Spiel!

Die Berliner Richter entschieden, dass in diesem zweiten Testament ein neuer Wille des Erblassers zum Ausdruck komme. Dadurch sei das erste Testament widerrufen worden. Denn ein Testament könne einerseits durch ein Widerrufstestament aufgehoben werden. Aber auch durch Errichtung eines neuen, wirksamen Testamentes wird nach deutschem Erbrecht das alte insofern unwirksam, als das neue Testament inhaltliche Änderungen vorsieht. So lag es hier. Damit war die neue Ehefrau des guten Mannes wirksam zur Alleinerbin eingesetzt worden. So weit so gut.

Die Suche nach dem Testament

Allerdings kam im vorliegenden Fall erschwerend hinzu, dass das zweite Testament nicht auffindbar ist. Von dem in China verfassten Testament existierte zwar noch eine Fotokopie. Das Original ging aber auf dem Postwege verloren, als es der Erblasser an den Testamentsvollstrecker schickte.

Hierzu entschieden die Richter, dass von der wirksamen Errichtung eines Testaments ausgegangen werden muss. Es existierte jedenfalls im Jahr 2011 ein Original. Auch wenn dieses unauffindbar sei, so beweise doch die Fotokopie seine Existenz und seinen Inhalt. Zum Widerruf müsste der Erblasser entweder ein weiteres, drittes Testament errichtet oder das zweite vernichtet haben. Dazu lagen hier aber keine Anhaltspunkte vor. Das Testament ist daher grundsätzlich wirksam.

Eine E-Mail ohne Folgen

Viele Juristen sind der Ansicht, es gebe die Möglichkeit, sich einer anderen Person als Werkzeug zur Vernichtung des eigenen Testaments zu bedienen. Das war hier fraglich. Denn Knackpunkt des Falles war weiterhin eine E-Mail des Erblassers aus dem Jahr 2013. Darin erklärte der Ehemann, es sich erneut anders überlegt zu haben: Er habe sein gesamtes Vermögen, darunter ein erhebliches Barvermögen und einige Immobilien in Berlin, schon jetzt auf seine neue Geliebte übertragen. Er habe daher „nichts weiter zu vererben“.

Per Telefon forderte er den Testamentsvollstrecker daher auf, „das Testament zu vernichten“. Da dieser das zweite Testament aus China nie erhalten hatte, ging er davon aus, er sollte das erste Testament vernichten, das bei ihm immer noch zur Verwahrung lag. Vor Gericht brachten nun die Kinder des Erblassers vor, es sei vielmehr das zweite Testament gemeint.

Eigenhändig meint handschriftlich

Dazu entschied das Gericht folgendes: Der Testamentsvollstrecker sei niemals in Besitz des zweiten Testaments gewesen, könne es daher also jedenfalls auch nicht als Werkzeug zerstört haben. Es sei folglich auch nicht das zweite, sondern das erste Testament tatsächlich zerstört worden. Ob in der E-Mail eine Widerrufserklärung hinsichtlich des zweiten Testaments gelegen habe, sei nicht ganz offensichtlich.

Das sei hier aber nicht zu entscheiden gewesen, so die Richter. Denn jedenfalls genüge sie nicht den Anforderungen an einen wirksamen Testamentswiderruf. Dieser muss nämlich eigenhändig erfolgen. Die Aufhebung eines Testaments hat dieselben Formvorschriften wie seine Errichtung, da die Folgen ähnlich weitreichend sind. Der Testierende soll dadurch vor übereilten Entscheidungen geschützt werden und die Rechtssicherheit geschützt. Eine E-Mail ist aber gerade nicht handschriftlich. Das zweite Testament blieb daher wirksam.

Wer beim Erbstreit einen Erbschein beantragt, kann also sogar mit einer Fotokopie zum Erfolg kommen. Ungeachtet dessen sollte man als Erblasser aber stets darüber nachdenken, das jeweils gültige Testament in die amtliche Verwahrung zu geben. So bleibt den tatsächlichen und vermeintlichen Erben im Zweifel einiges erspart.