Wann kann Gesellschafter im eigenen Namen klagen?

Actio pro socio nicht gegen Fremdgeschäftsführer der GmbH?

Der BGH konkretisiert in seinem neusten Urteil vom 25.01.2022 (Az. II ZR 50/20) die Rechtsfigur der sog. Actio pro socio und gibt damit einen Wegweiser für Gesellschafterstreitigkeiten gegen Fremdgeschäftsführer. Wir beleuchten das Urteil für Sie im Schnelldurchlauf...

Veröffentlicht am: 28.03.2022
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Actio pro socio nicht gegen Fremdgeschäftsführer der GmbH?

Autor: Fiona Schönbohm, Rechtsanwältin in Hamburg und Berlin

Der BGH konkretisiert in seinem neusten Urteil vom 25.01.2022 (Az. II ZR 50/20) die Rechtsfigur der sog. Actio pro socio und gibt damit einen Wegweiser für Gesellschafterstreitigkeiten gegen Fremdgeschäftsführer. Wir beleuchten das Urteil für Sie im Schnelldurchlauf:

Ansprüche der Gesellschaft im Gesellschafterstreit

Die Actio pro socio wird insbesondere im Gesellschafterstreit oft dann relevant, wenn sich verschiedene Gesellschafter der GmbH zerstritten haben und Ansprüche geltend machen. Eigentlich bestehen die meisten Ansprüche, oft: Haftungs- oder Schadensersatzansprüche gegen einen Gesellschafter-Geschäftsführer, auf Seiten der GmbH. Diese müsste die Ansprüche gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer also selbst geltend machen.

§ 46 Nr. 8 GmbHG sieht hier aber die Erforderlichkeit eines Gesellschafterbeschlusses vor, und zwar immer dann, wenn Ansprüche gegen Geschäftsführer oder Gesellschafter geltend gemacht werden sollen. Da hier also die Mitwirkung des beklagten Gesellschafter-Geschäftsführers nötig wäre, beißt sich die Katze oft sozusagen in den Schwanz und eine Geltendmachung ohne Mitwirkung des Betroffenen wäre nicht möglich.

In diesen Fällen greift die von der Rechtsprechung entwickelte Figur der Actio pro Socio. Diese spricht dem verbleibenden Gesellschafter dann die Prozessführungsbefugnis zu, die Ansprüche der GmbH notfalls auch im eigenen Namen geltend machen zu können.

Sonderfall: Der Fremdgeschäftsführer als Gegner

In der hier zu entscheidenen Konstellation ging es indes nicht um die Geltendmachung von Ansprüchen des einen gegen den anderen Gesellschafter. Vielmehr waren es Haftungsansprüche gegen einen Fremdgeschäftsführer, der nicht selbst Gesellschafter der GmbH war, die klageweise von einem Gesellschafter der GmbH geltend gemacht wurden.

Nach Uneinigkeit in den Zwischeninstanzen entschied der BGH nun letztinstanzlich, dass die Actio pro socio bei der Geltendmachung von Ansprüchen gegen einen Fremdgeschäftsführer grundsätzlich keine Anwendung finde. Die Klage wurde also wegen mangelnder Prozessführungsbefugnis des klagenden Gesellschafters abgewiesen.

Streit zwischen den GmbH-Gesellschaftern bleibt intern

Hintergrund der Konstellation war wohl, dass andere Gesellschafter der GmbH die der Gesellschaft möglicherweise zustehenden Ansprüche gegen den Geschäftsführer nicht geltend machen wollten. In einer solchen Situation sind dem alleine handelnden Gesellschafter dann bei entsprechenden Mehrheitsverhältnissen erstmal die Hände gebunden.

Der BGH betonte aber, dass solche Streitigkeiten um die Geltendmachung von bestehenden Ansprüchen gegen Dritte in der Gesellschaft bleiben und ausgetragen werden müssen. Die Umgehung der Einigungsvoraussetzungen durch die Actio pro socio sei nicht möglich.

Anwendbar: Ausnahmen für Actio pro socio bei der GbR?

In der Entscheidung drückte sich der BGH aber letztlich vor der eigentlichen Grundsatzentscheidung, die sich die Anwälte der Betroffenen möglicherweise erwartet hatten.

Denn bei der GbR hat die Rechtsprechung die Anwendbarkeit der Actio Pro Socio für folgende Konstellation anerkannt: Der einzelne Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts kann immer dann eine Gesellschaftsforderung einklagen, wenn

  1. er an der Geltendmachung ein berechtigtes Interesse hat,
  2. die anderen Gesellschafter die Einziehung der Forderung aus gesellschaftswidrigen Gründen verweigern und
  3. zudem der verklagte Gesellschaftsschuldner an dem gesellschaftswidrigen Verhalten beteiligt ist.

Diese Rechtsprechung ist mittlerweile durch das Gesetzes zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (nunmehr § 715b Absatz 1 Satz 2 BGB) festgehalten. 

Eine Beteiligung des Weiteren Gesellschafters der GmbH an den haftungsbegründenden Umständen stand hier zwar im Raum - konnte aber nach Ansicht des Gerichts letztlich nicht hinreichend bewiesen werden. Und die Richter ließen daher die Frage der Anwendbarkeit explizit offen.

Exkurs: Minderheitenrechte der Aktionäre 

Auch der § 148 AktG (Klagezulassungsverfahren), der eine Klagebefugnis für Aktionären in gewissen Minderheitskonstellationen vorsieht, lasse - so die Richter - hier keine andere Bewertung zu. Eine analoge Anwendung oder Heranziehung des Rechtsgedankens auf die GmbH sei nicht angezeigt, da die GmbH in ihrer Systematik anderen Regeln folge als die Aktiengesellschaft (AG). 

Fazit: Was bleibt dem Minderheitsgesellschafter der GmbH? 

In der vorliegenden Konstellation waren daher dem klagende Minderheitsgesellschafter der GmbH sozusagen die Hände gegenüber dem Fremdgeschäftsführer gebunden, da der verbleibende Gesellschafter eine Geltendmachung der Ansprüche ablehnte und der notwendige Gesellschafterbeschluss nicht zustande kam.

Dem GmbH-Minderheitsgesellschafter bleibt im GmbH-Recht aber die Geltendmachung von Ansprüchen gegen den sich weigernden Mitgesellschafter. Denn bei bestehenden Ansprüchen kann dessen Weigerung einen Verstoß gegen die Treuepflicht begründen und der Minderheitsgesellschafter kann, wenn die Gesellschaftermehrheit es treuwidrig unterlässt, Ansprüche der Gesellschaft geltend zu machen, Schadensersatz im Wege der actio pro socio gegen die Mehrheitsgesellschafter verlangen (so schon BGH, Urteil vom 5. Juni 1975 - II ZR 23/74).

Die Actio pro socio bleibt dem Minderheitsgesellschafter damit in solchen Konstellationen tatsächlich doch erhalten - nur nicht gegen Dritte, sondern gegen die pflichtwidrig handelnden Mitgesellschafter.