Urteil im Erbstreit Veltins rechtskräftig

Testament gültig, Pflichtteilsansprüche verjährt

Veröffentlicht am: 03.12.2025
Qualifikation: Rechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrecht

Mehr als 30 Jahre nach dem Versterben der Mutter scheint nun Schluss zu sein im Erbstreit zwischen Carl Clemens Veltins und seinen Schwestern. Der enterbte Sohn, der im Verfahren vor dem Landgericht Arnsberg verlor, hat keine Berufung eingelegt, sodass die Entscheidung rechtskräftig ist. Im Konflikt ging es sowohl um die Gültigkeit des Testaments als auch um etwaige Pflichtteilsansprüche. Das Urteil ist inzwischen öffentlich. Es gibt nicht nur Einblicke in das Familienleben der Sauerländer Brauerei-Dynastie, sondern ist auch in rechtlicher Sicht interessant (Landgericht Arnsberg, Urteil vom 5. Juni 2025, 4 O 84/24).

Der umstrittene Pflichtteilsverzicht

Die Unternehmerin Rosemarie Veltins hatte zunächst ihrem damals noch minderjährigen Sohn Carl Clemens eine wertvolle Unterbeteiligung an ihrer Kommanditbeteiligung geschenkt. An seinem 18. Geburtstag (Pfingstsamstag) vereinbarten Mutter und Sohn bei einem Notar einen Pflichtteilsverzicht. Die Umstände dieses Vertrags sind umstritten. Carl Clemens fühlte sich jedenfalls im Nachhinein überrumpelt und unangemessen benachteiligt. Er hatte sogar den beurkundenden Notar wegen einer behaupteten Amtspflichtverletzung auf Schadensersatz in Anspruch genommen, da der ihn nicht korrekt aufgeklärt habe. In der Nacht vor der Beurkundung des Pflichtteilsverzichts habe er außerdem seinen 18. Geburtstag gefeiert und sei stark alkoholisiert erst gegen 5 Uhr morgens eingeschlafen, um dann wenige Stunden danach von seiner Mutter geweckt zu werden, die ihn zum Notar mitnahm. 

Wortlaut des Pflichtteilsverzichts vom 24.05.1980

„Ich P., (…) verzichte mit Rücksicht auf die mir von meiner Mutter, (…) gemachten Zuwendungen auf mein Pflichtteilsrecht am Nachlass meiner Mutter.

Ich, Frau X, (…) nehme den Pflichtteilsverzicht meines Sohnes P. an.

Wir sind über die Bedeutung des Pflichtteilsverzichts belehrt. Der vorstehende Pflichtteilsverzicht ist unter der auflösenden Bedingung vereinbart, dass er unwirksam wird, wenn nicht auch die weiteren Kinder der Erschienenen zu 2) auf ihr Pflichtteilsrecht verzichten sollten.

(…)

Vorgelesen, genehmigt, unterschrieben:

(…)“

Video: Wann ist ein Pflichtteilsverzicht ungültig?

Wie weit man bei der Vereinbarung eines Pflichtteilsverzichts gehen kann und wann enterbte Angehörige Chancen haben, gegen den Verzicht vorzugehen, verrät Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.

1984 stahl Carl Clemens dann im Haus seiner Mutter unter anderem Geld, Schmuck und Waffen, was zu einer strafrechtlichen Verurteilung führte. Kurz darauf vereinbarten Mutter und Sohn notariell den Widerruf und die Rückabwicklung der Schenkung der Unterbeteiligung am Kommanditanteil. Die auf dem Konto von Carl Clemens aus der Unterbeteiligung generierten Gelder in Höhe von mehr als 7 Millionen Euro sollten bei ihm verbleiben. Dabei einigten sich die Parteien auch darauf, dass der vereinbarte Pflichtteilsverzicht bestehen bleibe. 

Der enterbte Sohn machte später im Erbstreit vor dem Landgericht geltend, dass er den Verzicht sowohl aufgrund formeller Mängel bei der Beurkundung als auch aufgrund von Sittenwidrigkeit für ungültig hält. Das Gericht deutete in der Urteilsbegründung an, dass “gewichtige Gründe” gegen die Sittenwidrigkeit des Pflichtteilsverzichts sprechen, da der Kläger diesbezüglich seiner Beweislast nicht nachgekommen sei. Darauf komme es in der Entscheidung aber gar nicht an, da etwaige Ansprüche jedenfalls verjährt seien. 

Wann hatte Carl Clemens “Kenntnis” von seiner Enterbung?

Nach dem bis 2009 geltenden Pflichtteilsrecht verjährten Pflichtteilsansprüche in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von dem Eintritt des Erbfalls und von der ihn beeinträchtigenden Verfügung Kenntnis erlangt hat, spätestens aber nach 30 Jahren. Von dem Testament wusste Carl Clemens spätestens 1995, da er damals zunächst versuchte, das Testament anzufechten. Gewissheit darüber, dass er durch das Testament enterbt wurde, hatte er spätestens im Jahr 2004, als das Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht abgeschlossen war. Damit waren etwaige Pflichtteilsansprüche bereits 2007 verjährt. 

Wie testierfähig war Rosemarie Veltins?

Im Mai 1993 errichtete Rosemarie Veltins ein notarielles Testament, in dem sie ihre Töchter als Erben zu gleichen Teilen einsetzte. Carl Clemens und seine Abkömmlinge wurden in dem Testament ausdrücklich von der Erbfolge ausgeschlossen. Die Kinder des Sohnes sollten lediglich ein Geldvermächtnis von jeweils 500.000 Euro erhalten. Diese Enterbung rechtfertigte Rosemarie in der letztwilligen Verfügung damit, dass Carl Clemens bereits zu Lebzeiten Zuwendungen in ausreichendem Maße erhalten habe. Außerdem verwies sie darauf, dass sie aufgrund der Pflichtteilsverzichte aller Kinder in keiner Weise in ihrer Testierfreiheit eingeschränkt sei.

Später im streitigen Erbscheinsverfahren vertrat der enterbte Carl Clemens, er sei auch Erbe geworden, weil das Testament der Mutter ungültig sei. Zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung war Rosemarie bereits einige Jahre an Krebs erkrankt und im Gehirn hatten sich Metastasen gebildet. Daher, so die Behauptung des Sohnes, sei sie krankheitsbedingt testierunfähig gewesen. Kurz vor ihrem Tod sei sie verwirrt und von der Einnahme schwerster Medikamente gezeichnet gewesen. 

Das reichte dem Gericht aber nicht, um eine Testierunfähigkeit gemäß § 2229 BGB anzunehmen. Dem klagenden Sohn sei es nicht gelungen, entsprechende Anhaltspunkte für eine geistige Erkrankung der Mutter vorzutragen und unter Beweis zu stellen. Für die Testierfähigkeit spreche zudem, dass sich der Notar von der Geschäfts- und Testierfähigkeit von Rosemarie Veltins überzeugt hatte und sie vor allem noch bis ca. zwei Monate vor ihrem Tod als alleinvertretungsberechtigte Geschäftsführerin die Brauerei geleitet habe. 

Video: Testierfähigkeit

Wann tatsächlich die Grenze zur Testierunfähigkeit überschritten ist und wie diese Frage vor Gericht verbindlich geklärt wird, erklärt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.

Keine Sittenwidrigkeit der Enterbung

Carl Clemens hielt das Testament der Mutter außerdem für sittenwidrig, da sie ihn in der letztwilligen Verfügung aufgrund seines Geschlechts diskriminiert habe. Sie habe ihre negativen Gefühle gegenüber ihrem ersten Ehemann, der angeblich fremdgegangen sei, auf ihn projiziert und habe ihn im Alter von 10 Jahren auf ein Internat geschickt, um ihn aus dem Familienverbund auszuschließen. Auch hierauf ließ sich das Landgericht nicht ein. Die Enterbung und auch die etwaigen Motive seien von der Testierfreiheit gedeckt und die Ausführungen des Sohnes zu diesem Punkt seien auch nicht schlüssig. 

Richtig enterben bei der Unternehmensnachfolge

Gerade bei Unternehmerfamilien wird nach wie vor noch von dem gesetzlichen Prinzip “Kinder erben zu gleichen Teilen” abgewichen. Der Hauptgrund dafür ist, dass der Familienbetrieb nur von bestimmten Abkömmlingen weitergeführt werden soll, die über entsprechende Qualifikationen verfügen oder sich zum Beispiel durch geleistete Mitarbeit im elterlichen Betrieb als Nachfolger aufdrängen. Eine streitanfällige Erbengemeinschaft aller Kinder wird dabei als Bedrohung für das Unternehmen angesehen. Häufig wird dabei übersehen, dass es durchaus gesellschaftsrechtliche Gestaltungsmöglichkeiten gibt, die eine funktionierende Unternehmensnachfolge auch sichern können, ohne dass man wirtschaftlich zu sehr in die Gleichbehandlung der Kinder eingreifen muss. 

Dennoch gibt es Konstellationen, in denen eine geordnete Betriebsnachfolge eine erbrechtliche Regelung erfordern, die nur durch einen Pflichtteilsverzicht der „weichenden Erben“ nachhaltig abgesichert werden kann. Der Fall Veltins gehört nicht zuletzt aufgrund der zu Tage getretenen familiären Probleme wohl dazu. Aus der Sicht der Nachfolger ist das noch einmal gut gegangen. Ob der Pflichtteilsverzicht von Carl Clemens Veltins aber wirklich vor Gericht Bestand gehabt hätte, wenn dieser seine Version von den Umständen des Verzichts hätte beweisen können und sich vor der Verjährung darum gekümmert hätte, bleibt zumindest fraglich.

 

Autor Autorin Dorothee von Detten, Fachanwältin für Erbrecht
Dorothee von DettenRechtsanwältin, Fachanwältin für Erbrechtv.detten@rosepartner.de Autorenprofil