Testierfähigkeit - Ratgeber und Beratung, § 2229 BGB

Demenz, Erbschleicher & Co – Testamente prüfen und erfolgreich anfechten

Mit der steigenden Lebenserwartung in Deutschland erhöht sich auch das Risiko, im Laufe des Lebens die Fähigkeit zu verlieren, Testamente zu errichten. In diesem Beitrag erfahren Sie, wann man wegen einer Demenzerkrankung (z.B. Alzheimer), wegen Wahnvorstellungen oder sonstigen geistigen Defiziten die Testierfähigkeit verliert und welche rechtlichen Konsequenzen das hat. Außerdem geben wir praktische Tipps rund um den Kampf um die Wirksamkeit von Testamenten vor dem Nachlassgericht.

Anwaltliche Leistungen rund um die Testierfähigkeit

Unsere Fachanwälte für Erbrecht beraten und vertreten Sie bundesweit in allen Fragen rund um die Testierfähigkeit und Wirksamkeit von Testamenten: 

  • Prüfung der Wirksamkeit von Testamenten im Hinblick auf die Testierfähigkeit
  • Prüfung von Erfolgschancen für die Anfechtung von Testamenten 
  • Gerichtliche Geltendmachung der Testierunfähigkeit nach dem Erbfall im Erbscheinsverfahren oder im Erbenfeststellungsprozess
  • Beratung im Hinblick auf die Errichtung von Testamenten durch an Demenz erkrankte Erblasser 
  • Ermittlungen zur Echtheit des Testaments und zum Nachweis von Erbschleicherei

Informationen über die Arbeitsweise unserer Erbrechtler finden Sie in diesem Video.

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Was ist Testierfähigkeit bzw. Testierunfähigkeit?

Testierfähigkeit die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben.

Grundsätzlich geht das Erbrecht davon aus, dass jeder, der das 16. Lebensjahr vollendet hat, testierfähig ist. § 2229 Abs. 4 BGB regelt, wer in besonderen Fällen dennoch nicht die notwendige Fähigkeit besitzt, ein Testament zu errichten.

§ 2229 Abs 4 BGB:

Wer wegen krankhafter Störung der Geistestätigkeit, wegen Geistesschwäche oder wegen Bewusstseinsstörung nicht in der Lage ist, die Bedeutung einer von ihm abgegebenen Willenserklärung einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, kann ein Testament nicht errichten.

Da diese allgemeine Definition für den Gebrauch in der Praxis unzureichend ist, haben Gerichte und Rechtslehre über Jahrzehnte versucht, die Grenze zwischen Testierfähigkeit und Testierunfähigkeit konkreter zu beschreiben. Der aktuelle Stand stellt sich in Etwa wie folgt dar:

Testierfähig ist, wer

  1. selbständig, frei von Einflüssen etwa interessierter Dritter handeln und eigenverantwortlich Entscheidungen treffen kann;
  2. die Vorstellung hat, dass er ein Testament errichtet;
  3. die Kenntnis hat, welchen Inhalt die darin enthaltenen letztwilligen Verfügungen aufweisen;
  4. sich ein klares Urteil bilden kann, welche Tragweite seine Anordnungen haben, insbesondere welche Wirkungen sie auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der Betroffenen haben;
  5. seine Entscheidungen von vernünftigen Erwägungen abhängig machen kann;
  6. sich über die Gründe, welche für und gegen die sittliche Berechtigung der Anordnungen sprechen, ein Urteil bilden kann und bei der Testamentserrichtung in der Lage ist, sich an Sachverhalte und Ereignisse zu erinnern, Informationen aufzunehmen, Zusammenhänge zu erfassen und Abwägungen vorzunehmen.

Der Erblasser muss also imstande sein, den Inhalt des Testaments von sich aus zu bestimmen und auszudrücken. Dass er fähig sein muss, vernünftig zu handeln, bedeutet nicht, dass er auch tatsächlich vernünftig handeln muss. Aufgrund der Testierfreiheit darf jeder im Rahmen des gesetzlich zulässigen über seinen Nachlass bestimmen – auch wenn die Verfügungen von anderen als offensichtlich unvernünftig empfunden werden.

Die Testierunfähigkeit ist ein Spezialfall der Geschäftsunfähigkeit und mit dieser nicht gleichzusetzen – auch wenn sich die Kriterien für die Beurteilung gleichen. Wurde für den Erblasser von einem Betreuungsgericht (ehemals Vormundschaftsgericht) eine rechtliche Betreuung angeordnet, hat dies keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Testierfähigkeit. Auch wer unter Betreuung steht, kann grundsätzlich noch testierfähig sein.

Testierunfähigkeit und Demenz

Wer zum Zeitpunkt der Testamentserrichtung testierunfähig war, konnte kein wirksames Testament errichten

Eine Vielzahl von Krankheitsbildern kann zur Testierunfähigkeit führen. Zu nennen sind beispielsweise Demenzen, Psychosen, Psychoneurosen, Schizophrenien, affektive Störungen wie Manien und Depressionen oder auch schlichte Intelligenzminderungen.

a. Art und Ausmaß der Krankheit entscheidend

Eine entsprechende Diagnose bedeutet jedoch keinesfalls, dass in diesen Fällen stets Testierunfähigkeit vorliegt. Entscheidend sind stets die Art und das Ausmaß der Erkrankung und ihre Auswirkung auf die Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit im Einzelfall. Auch wenn in vielen Fällen ab einer mittelschweren Demenz Testierunfähigkeit gegeben sein wird, müssen auch hier die dargestellten Kriterien zur Testierfähigkeit sorgfältig geprüft werden.

Unter Altersdemenz mittleren Grades leidende Erblasser, die eine vertraute Umgebung nicht erkennen, verwirrt und orientierungslos sind, nicht vorhandene Personen wahrnehmen und Wahnvorstellungen haben, dürften in diesem Zustand regelmäßig nicht testierfähig sein. Die Krankheitsverläufe bei Morbus Alzheimer oder einer gefäßbedingten (vaskulären) Demenz sind in der Regel von einer fortschreitenden und Schwankungen unterliegenden Verschlechterung der geistigen Fähigkeiten geprägt. Fehlende Testierfähigkeit ist damit einerseits in einem frühen Stadium weniger wahrscheinlich als bei einer fortgeschrittenen Erkrankung; andererseits lässt sich regelmäßig der Zeitpunkt der Schwelle zur Testierunfähigkeit nicht hinreichend genau bestimmen.

b. Gibt es lichte Momente?

Lange Zeit war in der Rechtsprechung anerkannt, dass auch an der Demenz erkrankte Erblasser durch lichte Momente, auch „luzide Intervalle“ genannt, zwischenzeitlich wieder die Testierfähigkeit erlangen konnten, auch wenn sie zuvor schon wegen ihrer fortschreitenden Demenz als testierunfähig galten.

In der medizinischen und psychiatrischen Forschung wurde der Begriff der hellen Momente in den letzten Jahrzehnten allerdings zunehmend abgelehnt. Der Grund hierfür ist, dass man nach derzeitigen Stand der Forschung von einem irreversiblen Verlauf von Demenzerkrankungen ausgeht. Mittlerweile hat sich auch die Rechtsprechung dieser Annahme angeschlossen.

Wegweisend war hier ein Urteil des Oberlandesgerichts München vom 1.7.2013 (31 Wx 266/12). Demnach seien sogenannte lichte Momente bei Erblassers, die an chronisch-progredienter Demenz leiden, ausgeschlossen, da das Krankheitsbild medizinisch keine Verbesserung zulassen. 

c. Meist fachkundige Begutachtung erforderlich

Die Beurteilung der Testierfähigkeit demenzkranker Menschen ist somit komplex und gerade in Grenzfällen Laien nicht möglich. Insbesondere kann nicht aus der bloßen Äußerung eines Willens durch den Erblasser darauf geschlossen werden, dass dieser den Willen auch tatsächlich selbstbestimmt bilden konnte. Da weder Rechtsanwälte noch Richter über die erforderlichen medizinischen bzw. psychiatrischen Kenntnisse verfügen, wird beim Streit über die Testierfähigkeit einer an Demenz erkrankten Person regelmäßig das Urteil eines Psychiaters ausschlaggebend sein. Dieser sollte seinerseits über einschlägige forensische Erfahrung und den notwendigen zivilrechtlichen Hintergrund verfügen.

Welche Auswirkung hat Testierunfähigkeit auf die Wirksamkeit von Testamenten?

Fehlt eine der beschriebenen Voraussetzungen für die Testierfähigkeit, ist das Testament unwirksam. Relevanter Zeitpunkt für die Beurteilung ist allein der Moment der Testamentserrichtung. War der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung des Testaments testierunfähig, ist das Testament unwirksam. Es bleibt auch dann unwirksam, wenn der Erblasser später wieder testierfähig wird. Er kann dann entweder ein neues Testament wirksam errichten oder das unwirksame alte Testament durch neuerliche Unterzeichnung bestätigen. Wird der Erblasser erst nach der Testamentserrichtung testierunfähig, berührt dies die Wirksamkeit des Testaments nicht.

Was ist bei der Errichtung eines Testaments durch einen an Demenz erkrankten Erblasser zu beachten?

Wer an Demenz erkrankt, sollte sich mit der Errichtung seines Testaments nicht zu viel Zeit lassen

Erkrankt eine Person an Alzheimer oder einer anderen Art der Demenz, kommt mit dem Bewusstsein von Alter und Vergänglichkeit oft auch der Wunsch nach der Regelung des Nachlasses, der wiederum die Frage der Testierfähigkeit aufwirft. In diesem Fall sollte der letzte Wille zwar nicht übereilt, aber doch zeitnah errichtet werden, da mit zunehmendem Alter bzw. Krankheitsverlauf die Wahrscheinlichkeit der Testierunfähigkeit zunimmt.

Eine Gewissheit, dass die Testierfähigkeit eines Demenzkranken nach dem Erbfall nicht angezweifelt und gerichtlich überprüft werden kann, gibt es nicht. Betroffene können und sollten ungeachtet dessen bereits bei der Errichtung des Testaments darauf hinwirken, dass eine gegebene Testierfähigkeit auch nach dem Erbfall einer gerichtlichen Überprüfung standhält.

a. Notarielles Testament hier in der Regel vorteilhaft

Empfehlenswert ist zunächst die notarielle Beurkundung der letztwilligen Verfügung. Bei der Testamentserrichtung hat der Notar sich – zumindest durch eingehende Unterhaltung – von der Testierfähigkeit zu überzeugen und hierüber einen Vermerk zu erstellen. Hat der Notar keine Zweifel an der Testierfähigkeit, bedeutet dies aber nicht zwingend, dass damit die Testierfähigkeit und damit die Wirksamkeit des Testaments gegeben sind. Der Notar ist schließlich weder Arzt noch Sachverständiger in medizinischen Fragen und gibt lediglich eine Beurteilung im Rahmen seines pflichtgemäßen Ermessens ab. Dennoch kommt bei einem späteren Streit über den Geisteszustand und die Testierfähigkeit des Erblassers der Einschätzung des Notars durchaus Bedeutung zu. Der Notar wird zur Beurteilung der Testierfähigkeit aber vielfach auf das Urteil eines sachverständigen Dritten angewiesen sein und gegebenenfalls den Beteiligten empfehlen, sich um ein ärztliches Attest zu bemühen. Im Vermerk zur Testierfähigkeit finden sich dann zusätzlich zu den Erkenntnissen des Notars noch Angaben zum Arzt und zu dessen Ausführungen.

b. Im Zweifel vorsorglich Gutachten einholen

Auch im Übrigen ist den Betroffenen bei der Testamentserrichtung durch an Demenz erkrankte Personen ein ärztliches Gutachten zum Zeitpunkt der Verfügung zu empfehlen, das später bei einem etwaigen Erbstreit vorgelegt werden kann. Derartige Gutachten haben im Vergleich zu späteren vom Gericht nach dem Erbfall eingeholte Gutachten den Vorteil, dass der sachverständige Arzt die zu begutachtende Person selbst im direkten Gespräch begutachten kann. Ein Privatgutachten zu Lebzeiten sollte möglichst von einem Facharzt für Psychiatrie oder Nervenheilkunde durchgeführt werden, der mit der Problematik der Testierfähigkeit vertraut ist und ein entsprechend spezifiziertes Gutachten erstellen kann. Viele in der Praxis vorgelegte Gutachten erfüllen diese Voraussetzungen nicht. Insbesondere dürfte ein Attest des Hausarztes in der Regel nicht ausreichend sein.

Wie kann ich ein Testaments bei Zweifeln an der Testierfähigkeit nach dem Erbfall anfechten?

Verstirbt eine unter Demenz leidende Person, die ein Testament errichtet hat, kann es zum Streit über die Wirksamkeit des letzten Willens kommen. Wer durch das Testament benachteiligt wurde, wird schnell die Auffassung vertreten, dass der Erblasser nicht mehr testierfähig war. Benachteiligt sind in der Regel Angehörige, die ohne Testament von der gesetzlichen Erbfolge profitieren würden. Ändert der Erblasser die gesetzlichen Erbquoten oder setzt er familienfremde Personen wie Freunde oder Pflegepersonal als Erben ein, wird das Testament in vielen Fällen unter Berufung auf die fehlende Testierfähigkeit angegangen werden.

Die gerichtliche Klärung der Testierfähigkeit kann grundsätzlich im Rahmen einer Feststellungsklage vor den ordentlichen Zivilgerichten erfolgen. In den meisten Fällen wird der Rechtsstreit – zumindest zunächst – jedoch vor dem Nachlassgericht im Erbscheinsverfahren geführt, weil entweder testamentarische oder gesetzliche Erben zu ihren Gunsten einen Erbschein beantragen.

a. Das Erbscheinsverfahren beim Nachlassgericht

Das Nachlassgericht geht entsprechend der gesetzlichen Regelung bis zum Beweis des Gegenteils zunächst von der Testierfähigkeit des Erblassers aus. Werden von einem Beteiligten konkrete Zweifel an der Testierfähigkeit vorgetragen, die über die bloße pauschale Behauptung fehlender Testierfähigkeit hinausgehen, muss das Gericht von Amts wegen dieser Frage nachgehen.

Das Gericht klärt die Frage der Testierfähigkeit vor allem durch die Würdigung des Vortrags der Parteien, die Vernehmung von Zeugen, sowie die Einholung schriftlicher Stellungnahmen und Sachverständigengutachten. Wichtige Bausteine der gerichtlichen Ermittlung durch das Nachlassgericht oder auch das Zivilgericht können sein:

  • Vortrag der Beteiligten: Der Vortrag der Beteiligten im Erbscheinsverfahren hinsichtlich der Testierfähigkeit wird gewürdigt. Relevant sind auffällige Verhaltensweisen des Erblassers die Rückschlüsse auf eine mögliche Testierunfähigkeit zulassen können. Beteiligte am Verfahren können nicht als Zeugen vernommen, sondern lediglich als Auskunftsperson oder Partei befragt werden.
  • Umstände der Beurkundung: Bei einem notariellen Testament holt das Nachlassgericht die schriftliche Stellungnahme des Notars ein.
  • Notare, Rechtsanwälte, Steuerberater als Zeugen: Die berufliche Schweigepflicht von Anwälten, Notaren und Steuerberatern besteht grundsätzlich auch über den Tod des Mandanten hinaus. Hinsichtlich der Feststellung der Testierfähigkeit besteht jedoch in der Regel eine Aussagepflicht auch dieser Personen, weil die Klärung dieser Frage stets dem mutmaßlichen Willen des Erblassers entsprechen dürfte.
  • Arzt als Zeuge: Auch Ärzte unterliegen einer beruflichen Schweigepflicht, aus der grundsätzlich ein Zeugnisverweigerungsrecht folgt. Wie bei anderen Berufsgeheimnisträgern hängt die Befreiung von der Schweigepflicht vom tatsächlichen oder mutmaßlichen Willen des Patienten ab. Auch hier wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass derjenige, der ein Testament errichtet, ein Interesse daran hat, dass sein behandelnder Arzt bei Zweifeln an der Testierfähigkeit zur Aufklärung beiträgt. Dann besteht eine Aussagepflicht des Arztes.
  • Sonstige Zeugen: Als sonstige Zeugen für die gerichtliche Klärung der Testierfähigkeit des Erblassers kommen Personen aus dem persönlichen und auch geschäftlichen Umfeld des Testierenden in Betracht.
  • Medizinischer Befund: Das Gericht verschafft sich Klarheit über den medizinischen Befund des Erblassers. Hierzu holt es schriftliche Stellungnahmen von behandelnden Ärzten ein und zieht gegebenenfalls eine Krankenakte bei. 9
  • Betreuungsakte: War für den Erblasser eine gerichtliche Betreuung eingerichtet, kann die entsprechende Akte zur Klärung der Frage der Testierfähigkeit beitragen – auch wenn das Erfordernis der Betreuung nicht mit der Testierunfähigkeit gleichzusetzen ist.
  • Sonstige Unterlagen: Weitere für das Gericht relevante Unterlagen können z.B. Pflegedokumentationen, Gutachten der Pflegeversicherung und natürlich das Testament selbst sein.
  • Privatgutachten: Hat einer der Beteiligten bereits auf eigene Initiative ein Gutachten zur Testierfähigkeit erstellt, wird das Gericht dieses würdigen und den Gutachter gegebenenfalls als sachverständigen Zeugen laden.
  • Sachverständigengutachten: Das Gericht versucht zunächst aufgrund der oben genannten Punkte konkrete auffällige Verhaltensweisen des Erblassers vor dem Hintergrund des medizinischen Befunds aufzuklären und hieraus mögliche Schlüsse zu ziehen. Bei verbleibenden Zweifeln wird ein psychiatrischer Sachverständiger hinzugezogen. Der Sachverständige soll dabei nicht nur den medizinischen Befund, sondern auch dessen Auswirkungen auf die Fähigkeit zur Einsicht und zur selbstbestimmten Willensbildung klären und hierüber ein Gutachten erstellen. Das Gericht würdigt das Gutachten des Sachverständigen und lässt es sich gegebenenfalls auch mündlich erklären. Auch den Beteiligten bzw. ihren Rechtsanwälten muss der Gutachter dann Rede und Antwort stehen. Das Gericht prüft, ob der festgestellte Sachverhalt sowie der rechtlich relevante Begriff der Testierfähigkeit dem Gutachten zugrunde liegen und ob es nachvollziehbar und schlüssig ist. Es muss Mängel und Widersprüche im Gutachten aufklären. Gebunden ist das Nachlassgericht an das Ergebnis des Gutachtens nicht. Es kann daher auch anders entscheiden oder ein weiteres (Ober-)Gutachten beauftragen.

Ist das Nachlassgericht nach dieser Aufklärung davon überzeugt, dass der Erblasser vor und nach der Testamentserrichtung anhaltend testierunfähig war, darf es von einer Testierunfähigkeit im Zeitpunkt der Testamentserrichtung ausgehen. Verbleiben bei dem Gericht dagegen trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten zur Aufklärung Zweifel über die Testierfähigkeit, geht dies immer zulasten desjenigen, wer sich auf die Wirksamkeit des Testaments beruft. Das Testament wird daher im Zweifel für unwirksam erklärt.

b. Das Verfahren vor dem Zivilgericht

Die Berufung auf die Nichtigkeit eines Testaments wegen Testierunfähigkeit ist zeitlich nicht an das Erbscheinsverfahren gebunden und kann grundsätzlich auch nach Ausstellung eines Erbscheins noch beim Zivilgericht vorgebracht werden. Auch bedarf die Berufung auf die Testierunfähigkeit keiner förmlichen Anfechtung des Testaments.

Video: Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit von Testamenten

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, wann eine letztwillige Verfügung ungültig ist oder angefochten werden kann - mit Praxistipps unserer Fachanwälte für Erbrecht.

Erbschleicher und Demenz – Welche Probleme tauchen auf?

Gerade bei an Demenz erkranken Erblassern besteht nicht selten das Problem, dass Dritte unbefugt auf diesen bei der Testamentserrichtung Einfluss nehmen. Möglich ist, dass solche Erbschleicher entweder ein handschriftliches Testament unter dem Namen des dementen Erblassers selbst errichten. Da eine Stellvertretung bei der Errichtung von Testamenten immer unzulässig ist, sind solche Testamente immer unwirksam. Zu Problemen führt aber dann häufig, dass nach dem Tod gerichtlich festgestellt werden muss, dass das Testament nicht vom Erblasser stammt.

Auch wenn der Erblasser die tatsächliche Errichtung des Testaments selbst vornimmt, also entweder vollständig handschriftlich verfasst oder beim Notar in seiner Anwesenheit beurkunden lässt, beeinflussen häufig Dritte den Inhalt des Testaments.

Problematisch ist in der Praxis die Beeinflussung des Erblassers durch Dritte, die gegebenenfalls ein eigenes Interesse an der Testamentserrichtung haben, z.B. selbst als Erbe eingesetzt werden wollen. Eine solche Einflussnahme ist nur solange zulässig, wie sich der Erblasser trotz der Einflussnahme durch Beratung, Unterstützung, Empfehlungen etc. von dem Einfluss des Dritten lösen und entsprechend seinem selbstbestimmten Willen handeln kann. Ist er dazu nicht in der Lage oder wird er daran gehindert, entsprechend seiner Einsicht zu handeln, ist das Testament unwirksam. Allein die Tatsache, dass ein Demenzkranker sich vollständig auf die Empfehlung eines Dritten verlässt, ohne diese nachzuprüfen oder ganz seinen Wünschen nachkommt, bedeutet daher nicht, dass das Testament wegen Testierunfähigkeit unwirksam ist, solange der Erkrankte sich bewusst und eigenständig für die Vorschläge und Wünsche entscheidet. Wird dem Erblasser ein fremder Wille „in die Feder diktiert“, ohne, dass er darüber reflektiert, fehlt es an der Testierfähigkeit. Ebenso testierunfähig ist, wer sich aus Angst vor seelischen oder körperlichen Verletzungen den Wünschen oder Anweisungen eines Dritten nicht widersetzen kann – unabhängig davon, ob diese Angst überhaupt begründet ist.

Erbschleicher & Erbschleicherei Hier erfahren Sie, wie sie Erbschleicherei verhindern können und unwirksame Testamente anfechten können.

FAQ Testierfähigkeit

Schnelle Antworten auf häufige Fragen

Kann ich als Minderjähriger ein wirksames Testament errichten?

Testierfähig ist grundsätzlich jeder ab einem Alter von 16 Jahren. Vor dem 16. Geburtstag kann daher niemand ein wirksames Testament errichten. Wer bereits mindestens 16 Jahre, aber noch nicht volljährig ist, dem, muss hierbei ein Notar oder eine sonstige Amtsperson bei der Errichtung beratend zur Seite gestanden haben.

Ist ein an Demenz erkrankter Erblasser automatisch testierunfähig?

Nein, es kommt immer auf den Schweregrad der Erkrankung. Entscheidend ist, ob der Erblasser trotz der Erkrankung eine ausreichende Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit hatte. Aber einer mittelschweren Demenz wird Testierunfähigkeit allerdings wahrscheinlich.

Was ist Testierfähigkeit?

Die Testierfähigkeit beschreibt die Fähigkeit, ein Testament zu errichten, zu ändern oder aufzuheben. Grundsätzlich ist jeder ab dem 16. Lebensjahr testierfähig. Die Testierfähigkeit kann aber aufgehoben sein, insbesondere bei psychischen Erkrankungen.

Kann mein Vater/meine Mutter noch ein Testament errichten, wenn er/sie an Demenz leidet?

Demenz führt nicht zwingend dazu, dass ei Erblasser nicht mehr testierfähig ist. Es kommt auf den Grad der Erkrankung an. Sofern ein an Demenz erkrankter Erblasser noch ein Testament errichten möchte, sollte er sich nicht zu viel Zeit lassen und einige Vorkehrungen treffen, damit das Testament nach seinem Tod nicht angegriffen wird.

Ausgezeichnete Beratung im Erbrecht

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