Gesellschafter-Klage „actio pro socio“ wird eingeschränkt

BGH will keine Doppelklagen gegen einen Mitgesellschafter

Veröffentlicht am: 15.07.2019
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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BGH will keine Doppelklagen gegen einen Mitgesellschafter

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

Der Bundesgerichtshof bezieht mit seinem Urteil vom 22.01.2019 (II ZR 143/17) Position zum Klagerecht eines Gesellschafters, das in der Fachwelt als „actio pro socio“ bekannt ist. Mit dem gesetzlich nicht verankerten, aber im Gesellschaftsrecht anerkannten Rechtsinstitut „actio pro socio“ ist anerkannt, dass ein Gesellschafter gegen einen Mitgesellschafter ein Klagerecht zusteht. Mit diesem Gesellschafter-Klagerecht kann ein Gesellschafter gegen den Mitgesellschafter Sozialansprüche, meist handelt es sich um Einlage- und Beitragspflichten, zugunsten der Gesellschaft einklagen.

Gesellschafterstreit in der KG

Der BGH hatte über den Fall in einer KG mit zwei Kommanditisten zu entscheiden. Beide Kommanditisten waren mit einem Kapital an der KG jeweils mit EUR 5.000,00 beteiligt und haben eine weitere Einlageverpflichtung von je EUR 95.000,00 beschlossen. Danach ist es zu einer Gesellschafterstreitigkeit in der KG gekommen. Als einer der beiden Kommanditisten seiner vereinbarten Einlagepflicht nicht nachkam, wurde der säumige Gesellschafter von der KG auf Einlagenzahlung verklagt. Es klagte neben der Gesellschaft aber auch der Mitgesellschafter im eigenen Namen auf Leistung an die KG, also im Wege der „actio pro socio“. Der beklagte Kommanditist sah sich also mit zwei inhaltlich identischen Klagen konfrontiert. Faktisch handelte für beide klägerischen Parteien ein und die gleiche Person.

Zug durch die Instanzen

Das Landgericht gab der KG Recht, verneint indes die isolierte Leistungsklage des Mitgesellschafters. Der klagende Kommanditist ging in die Berufung. In der Berufungsinstanz vor dem OLG obsiegte er schließlich. Gegen diese OLG-Entscheidung zog der verurteilte Kommanditist mit einer Revision vor den BGH, der hinsichtlich der „actio pro socio“ wie folgt entschieden hat:

Eine Klage zu viel - Treuepflicht und Rechtsmissbrauch

Der BGH hat sich in diesem Fall gegen die „actio pro socio“ ausgesprochen und insoweit dem beklagten Kommanditisten das Recht eingeräumt. Das Gericht betonte, dass die Klage der KG alle Verhältnisse erschöpfend regelt und die „actio pro socio“ des Mitgesellschafters daher durch die Grundsätze der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht begrenzt werde. Der BGH sah in der zweiten zeitgleichen Klageerhebung die Grenze zum Rechtsmissbrauch des klagenden Gesellschafters überschritten. Aus Sicht des Gerichts hatte die Gesellschafterklage keinerlei Vorteile, die über die Klage der KG hinausgingen. Die „actio pro socio“ sollte offensichtlich lediglich die Prozesskosten für den beklagten Gesellschafter erhöhen. Eine solche Verteuerung der Prozesskosten kann mit der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht nicht in Einklang gebracht werden – so der zweite Senat des BGH.

Urteilsanalyse zur „actio pro socio“-Entscheidung und Praxishinweis

Die Entscheidung des BGH ist sachgerecht und wird auch zukünftig bei Gesellschafterstreitigkeiten Berücksichtigung finden.

Die „actio pro socio“ ist aus dem Gedanken des Minderheitenschutzes heraus entwickelt worden. Zwar verfügt der Kommanditist in einer KG über keine überragend starken Gesellschafterrechte, z. B. hat er nur eingeschränkte Informationsrechte. Ihm wird aber ein eigenes eingeschränktes Klagerecht gegen den Mitgesellschafter, der Gesellschafterbeschlüsse missachtet, eingeräumt. Ohne diese Klagemöglichkeit hätte ein Minderheitsgesellschafter gegen einen Mehrheitsgesellschafter, der seine Einlagenverpflichtungen nicht nachkommt, keine rechtliche Handhabe, wenn der Mehrheitseigner den Geschäftsführer kontrolliert oder zwischen Geschäftsführung und Mehrheitsgesellschafter enge personelle Verflechtungen bestehen. Wenn die Geschäftsführung einer KG sich weigert, gegen den Mehrheitsgesellschafter gerichtlich aktiv zu werden, ist es sachgerecht, dass der Minderheitsgesellschafter ein eigenes Klagerecht erhält – so die höchstgerichtliche Rechtsprechung. Andernfalls liefe der Minderheitenschutz leer.

In einem Fall, in dem die Geschäftsleitung einer Gesellschaft aber gegen einen säumigen Gesellschafter mit einer Zahlungsklage vorgeht, verbleibt grundsätzlich kein Raum für die „actio pro socio“ des Mitgesellschafters. Die „actio pro socio“ unterliegt der Subsidiarität. Die Subsidiarität stellt dann kein Hindernis dar, wenn die Klage der Gesellschaft rechtliche Risiken birgt, z. B. wegen Schwierigkeiten bei der Postulationsfähigkeit oder Prozessfähigkeit. Dann wird eine Doppel-Klage von Gesellschaft und Mitgesellschaft denkbar. Wo solche Risiken aber nicht bestehen, wird man nach dem neuen BGH-Urteil die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht als Maßstab bei einer „actio pro socio“ enger anlegen müssen.