Managerhaftung nach erteilter Entlastung?

BGH entwickelt seine Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung fort

Veröffentlicht am: 22.10.2020
Von: ROSE & PARTNER Rechtsanwälte Steuerberater
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BGH entwickelt seine Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung fort

Ein Beitrag von Dr. Boris Jan Schiemzik, Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht

In der Wirtschaftspraxis steht bei jeder ordentlichen Gesellschafterversammlung für den Geschäftsführer einiges auf dem Spiel. Dies gilt für Manager in einer GmbH und GmbH & Co. KG. Wird dem Geschäftsführer die Entlastung verweigert, muss er mit einem Schadensersatzprozess sowie einer Abberufung und außerordentlichen Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags rechnen. Der BGH hat mit seinem aktuellen Urteil vom 22.09.2020 (II ZR 141/19) seine Rechtsprechung zur Geschäftsführerhaftung und Entlastung von Geschäftsführern in einer GmbH & Co. KG weiterentwickelt.

Weiterführende Informationen zu der hiervon etwas unterschiedlich gelagerten Entlastung Geschäftsführers einer GmbH finden Sie hier: Entlastung des GmbH-Geschäftsführers

GmbH & Co. KG – Erfolgsmodell im deutschen Mittelstand

Die Rechtsform der GmbH & Co. KG ist hierzulande so erfolgreich, weil es die steuerlichen und rechtlichen Vorteile einer Kapitalgesellschaft und Personengesellschaft vereint. Sie kombiniert für die Gesellschafter die volle Haftungsabschirmung einer GmbH mit den steuerlichen Vorteilen der personengesellschaftlich organisierten Kommanditgesellschaft (Transparenzprinzip, Verlustverrechnung, etc.). Die GmbH & Co. KG wird insbesondere im Mittelstand und als Familiengesellschaft sehr oft genutzt. Mit ihr lässt sich auch eine Unternehmensnachfolge steueroptimiert gestalten.

Die Geschäftsführer in einer GmbH & Co. KG sind in gestuften Rechtsverhältnissen gleich für zwei Gesellschaften zuständig. Die KG wird durch die persönlich haftende Gesellschafterin, mithin die Komplementär-GmbH, vertreten. In der Komplementär-GmbH erhalten die Geschäftsführer mit dem Bestellungsakt die gesetzlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnisse. Die Rechte und Befugnisse der Geschäftsführer in der GmbH erstrecken sich auch mittelbar auf die KG, die von der GmbH vertreten wird. Die Geschäftsführer haben mithin das Vertrags- und Haftungsregime der GmbH und der GmbH & Co. KG zu beachten.

Reichweite der Entlastung der Komplementär-GmbH

Wenn der Geschäftsführer nur einen Geschäftsführerdienstvertrag mit der Komplementär-GmbH unterhält, besteht zur KG kein direktes vertragliches Verhältnis. Er wird nur mittelbar für die KG als Geschäftsführer tätig. Gleichwohl kann eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers einen direkten Haftungsanspruch der KG gegenüber dem Geschäftsführer begründen, da nach tradierter Rechtsprechung der Geschäftsführervertrag zwischen GmbH und Geschäftsführer eine Schutzwirkung für die KG entwickelt. Der 2. BGH-Senat hat mit der neuen Entscheidung präzisiert, dass der Geschäftsführer gegenüber der KG nach den gleichen Grundsätzen wie gegenüber der GmbH nach § 43 Abs. 2 GmbHG haftet. Hinsichtlich der direkten Geschäftsführerhaftung stellt sich auch immer für den Geschäftsführer die Frage, ob es in der KG-Gesellschafterversammlung einen ausdrücklichen Gesellschafterbeschluss betreffend seine Entlastung gibt. Ein Entlastungsbeschluss führt zu einer Präklusionswirkung. Danach kann die Gesellschaft grundsätzlich im Umfang der Entlastung keine Haftungsansprüche mehr geltend machen.

Der BGH hat nunmehr klargestellt, wie ein isolierter Entlastungsbeschluss zugunsten der GmbH-Komplementärin zu behandeln ist. Beschließt die Gesellschafterversammlung der KG isoliert die Entlastung ihrer Komplementär-GmbH, wirkt nach dem BGH-Urteil vom 22.09.2020 der Entlastungsbeschluss auch im Verhältnis von KG zum Geschäftsführer der Komplementär-GmbH. Wenn die KG also die Amtsführung der Komplementär-GmbH gebilligt hat, kann die KG den Geschäftsführer nicht mehr in Anspruch nehmen. Der Geschäftsführer kann nur haftbar gemacht werden, wenn sich die KG Haftungsansprüche gegen Geschäftsführer vorbehalten habe oder wenn der Entlastungsbeschluss wirksam angefochten und mithilfe des Gerichts beseitigt werde.

Urteilsanalyse und Beweislast im Nichtigkeitsprozess

In der Rechtsform der GmbH & Co. KG sind im Haftungsprozess der KG gegen den Geschäftsführer Besonderheiten zu beachten, wenn es kein direktes Vertragsverhältnis zwischen Geschäftsführer und KG gibt. Der BGH hat eine direkte Haftung des Geschäftsführers gegenüber der KG nach dem Maßstab der GmbH-Verhältnisse bestätigt. Dies ist in der Sache korrekt: Wenn die GmbH & Co. KG als einheitliche Unternehmung verstanden wird, müssen auch die Haftungsverhältnisse in dieser Unternehmung den allgemeinen Haftungsgrundsätzen folgen.

Folgerichtig entscheidet der höchstgerichtliche Zivilsenat demnach auch, dass eine isolierte Entlastung der Komplementär-GmbH auch ihren Geschäftsführer erfasst. Dies ist stimmig: Wer die Amtsführung der Komplementärin billigt, billigt auch die Amtsführung ihres Geschäftsführers. Diese Wertung ist konsequent. Gibt es einen isolierten Entlastungsbeschluss, könnte dieser durch die KG-Gesellschafter nach den allgemeinen Regeln gerichtlich beseitigt werden, wenn Beschlussmängel vorliegen. Im Rahmen einer Nichtigkeitsklage gegen den Entlastungsbeschluss greifen allerdings nicht die besonderen Beweislastregeln des Schadensersatzprozesses gegen den Geschäftsführer, sondern - so der BGH - die reguläre Beweislastverteilung. Die klagenden Gesellschafter müssen alle anspruchsbegründenden Tatsachen darlegen und beweisen. Kann der Pflichtverstoß des Geschäftsführers und der daraus resultierenden erhebliche Schaden bewiesen werden, kann der Entlastungsbeschluss als rechtsmissbräuchlich gerichtlich annulliert werden. Andernfalls wirkt die Entlastung zugunsten des Geschäftsführers und kappt grundsätzlich etwaige Haftungsansprüche im Umfang der gewährten Entlastung.

Trotz der aktuellen BGH-Entscheidung ist jedem Geschäftsführer einer GmbH & Co. KG geraten, dass er auf eine direkte und ausdrückliche Entlastung seiner Person bei der Beschlussfassung der KG-Gesellschafterversammlung besteht. Eine ausdrückliche Entlastung der Komplementär-GmbH und des Geschäftsführers stellt den besten Haftungsschutz für den Geschäftsführer sicher.