Schenkung zu Lebzeiten trotz Berliner Testament?

Als Schlusserben eingesetzte Kinder dürfen darauf vertrauen, etwas zu erben.

Das gemeinschaftliche Ehegattentestament in Form des sogenannten Berliner Testaments ist der Klassiker unter den letztwilligen Verfügungen. Dabei ist es komplizierter als man denkt. Vor allem die Frage nach der Bindungswirkung und ihrer Reichweite führt immer wieder zu Erbstreitigkeiten. Nun musste das Oberlandesgericht (OLG) Hamm einen Fall entscheiden, in dem es um die Zulässigkeit einer Schenkung ging.

Veröffentlicht am: 09.11.2017
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Vater beschenkt nach dem Tod der Mutter seine neue Partnerin

Geklagt hatte das Kind, das von seinen Eltern im gemeinschaftlichen Testament als Schlusserbe des längstlebenden Ehegatten eingesetzt wurde. Als die Mutter verstarb, lernte der Vater eine neue Partnerin kennen. Dieser schenkte er Fondsbeteiligungen, Lebensversicherungen, Schuldverschreibungen und weitere Vermögenswerte, insgesamt im Wert von ca. 300.000 Euro.

Sohn klagt gegen die „Plünderung“ seines Erbteils

Als der Vater verstarb, stellte der Sohn fest, dass der Nachlass, der ihm aufgrund des Berliner Testaments der Eltern zufiel, wegen der lebzeitigen Schenkungen des Vaters an dessen Freundin nicht mehr seinen Erwartungen entsprach.

Er verklagte die Lebensgefährtin des Vaters daher auf Herausgabe der verschenkten Vermögenswerte. Die Schenkungen, so die Argumentation seines Anwalts, würden sein Erbteil beeinträchtigen und seien daher rückabzuwickeln.

Die beklagte Freundin des Erblassers wehrte sich dagegen indem sie vortrug, die Vermögensübertragungen habe sie als Gegenleistungen für die von ihr erbrachte und vom Erblasser erwarteten Pflegeleistungen erhalten.

Behauptung vereinbarter Pflegeleistungen rettet die Schenkung nicht

Dem wollte das OLG Hamm nicht folgen. Für eine vertragliche Vereinbarung solcher Pflegeleistungen habe die Beklagte nicht schlüssig vorgetragen. Die Richter verneinten, dass der Erblasser mit den Zahlungen und Übertragungen seine Altersvorsorge und Pflege sichern wollte und lehnten folgerichtig ein Eigeninteresse des Erblassers an den Zuwendungen ab.

Die Vermögensübertragungen seien daher als Schenkungen zu bewerten. Der Vater sei aufgrund der wechselbezüglichen Verfügung im Berliner Testament daran gebunden gewesen, dass der Sohn ihn beerbt. Die Schenkungen seien diesbezüglich mit „Benachteiligungsabsicht“ erfolgt, weil der Vater wusste, dass sie den Nachlass des Sohnes schmälern würden.

Geschenkt ist geschenkt?

Das gilt nicht immer Wer Immobilien, Unternehmensanteile, Wertpapier, Geld oder sonstige Vermögenswerte als Schenkung erhält, kann nicht immer sicher sein, diese Vermögenswerte behalten zu dürfen. Das Erbrecht und Schenkungsrecht kennt viele Konstellationen, in denen Schenkungen rückgängig gemacht werden können.

Der geschilderte Fall vor dem Landgericht Hamm ist da noch vergleichsweise exotisch. Häufige Rückforderungsgründe bei Schenkungen sind Vereinbarungen im Schenkungsvertrag oder auch gesetzliche Widerrufsgründe wie zum Beispiel die Verarmung des Schenkers oder auch grober Undank des Beschenkten.

Bei Schenkungen zu Lebzeiten ist außerdem das Pflichtteilsrecht zu beachten. Nicht nur der enterbte Angehörige hat gegebenenfalls Pflichtteilsansprüche gegen den Erben oder den Beschenkten. Pflichtteilsergänzungsansprüche können auch dem Erben zustehen, dessen Erbteil durch lebzeitige Schenkungen ausgehölt wurde.