Genossenschaft eG, Genossenschaftsrecht
Wie funktionert die Genossenschaft? Von Gründung über Vorstand, Mitgliederversammlung bis Prüfungsverband.
Die Genossenschaft ist eine spannende Gesellschaftsform für die Verfolgung gemeinsamer wirtschaftlicher Ziele. Ob Bürger Windparks gemeinsam gründen, Bauherren gemeinsam Häuser bauen, Mieter gemeinsam Wohnungsunternehmen betreiben oder Kaufleute gemeinsam Einkaufsgemeinschaften oder Verkaufsgemeinschaften bilden wollen, in diesen und anderen Anwendungsfeldern wird die Genossenschaft als Rechtsform genutzt.
Wie die Genossenschaft funktioniert, wie sie gegründet wird und was der Prüfungsverband macht, lesen Sie nachfolgend.
Expertise und Leistungen unserer Anwälte und Fachanwälte
Unsere genossenschaftsrechtlich spezialisierten Rechtsanwälte und Fachanwälte für Gesellschaftsrecht betreuen Genossenschaften, Vorstände, Aufsichtsräte und Mitglieder in allen Fragen rund um die Genossenschaft und deren laufenden Geschäftsbetrieb:
- Gründung von Genossenschaften (Satzung, Vorstandsvertrag, GenRegister, Prüfungsverband)
- Geschäftsführung, Haftung und Vergütung von Vorstand und Aufsichtsrat
- Begleitung von Generalversammlungen, Vertreterversammlungen
- Abschluss und Beendigung von Vorstandsverträgen
- Anfechtung von Beschlüssen der Generalversammlung
- Streit in der Genossenschaft
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1. Genossenschaft eG - Begriff, Grundzüge, Besonderheiten
Genossenschaften sind juristische Personen mit dem Zweck der Förderung ihrer Mitglieder. Sie werden sowohl für gewerbliche/wirtschaftliche als auch für soziale oder kulturelle Zwecke genutzt. Typische Tätigkeitsfelder wirtschaftlicher Genossenschaften sind
- Einkaufsgenossenschaften,
- Konsumgenossenschaften,
- Baugenossenschaften, z.B. Wohnungsbaugenossenschaften
- Kreditgenossenschaften, z.B. Volks- und Raiffeisenbanken
- Handwerksgenossenschaften.
Die Mitglieder der Genossenschaft – deren Anzahl grundsätzlich nicht begrenzt ist, aber mindestens drei betragen muss - erwerben bei Gründung Genossenschaftsanteile. Hierdurch erfolgt die Finanzierung der Genossenschaft ("Beteiligungskapital"). Die weitere Finanzierung durch Eigenkapital ist auch bei der Genossenschaft möglich.
Alle Mitglieder sind grundsätzlich gleichberechtigt, unabhängig von der Höhe ihrer jeweiligen Kapitalbeteiligung. Es finden grundsätzlich keine Ausschüttungen statt, da der Förderzweck und nicht die Gewinnerzielung im Vordergrund steht. Genossenschaftsmitglieder können sowohl natürliche Personen als auch juristische Personen sein.
Die gesetzlich vorgeschriebenen Organe der eingetragenen Genossenschaft sind der Vorstand, der Aufsichtsrat und die Generalversammlung (bzw. deren besondere Form die Vertreterversammlung).
Die Genossenschaft haftet gegenüber Gläubigern mit ihrem Vermögen. Die Mitglieder der Genossenschaft haften nicht persönlich, sofern - dies ist wichtig - in der Satzung der Genossenschaft eine Nachschusspflicht ausgeschlossen ist.
Die rechtlichen Grundlagen der Genossenschaft sind im Genossenschaftsgesetz festgehalten. Weitere wesentliche rechtliche Grundlage der Genossenschaft ist die Satzung der Genossenschaft ("Gesellschaftsvertrag"). Die Genossenschaft ist im Genossenschaftsregister ("Handelsregister")' einzutragen. Sie hat in ihrem Namen (Firma) die Bezeichnung "eingetragene Genossenschaft" oder die Abkürzung "eG" zu führen.
Soweit Genossenschaften wirtschaftlich tätig sind, unterliegen sie wie jede andere Kapitalgesellschaft der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer.
2. Vorstand der Genossenschaft
Die Geschäftsführung und Vertretung der Genossenschaft obliegt dem Vorstand. Er führt in alleiniger Verantwortung die Geschäfte der Genossenschaft und ist insofern betreffend Geschäftsführung und Vertretung dem Vorstand einer AG vergleichbar.
Der Vorstand einer Genossenschaft besteht grundsätzlich aus mindestens zwei Personen (vgl. § 24 GenG). Die Satzung der Genossenschaft kann also auch bestimmen, dass der Vorstand aus mehr als zwei Personen besteht. Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 20 Mitgliedern kann die Satzung hingegen bestimmen, dass der Vorstand nur aus einer Person besteht.
Sämtliche Mitglieder des Vorstandes müssen selbst Mitglied der Genossenschaft sein. Vorstand darf nicht sein, wer Mitglied des Aufsichtsrates ist.
Zuständig für die Bestellung der Vorstandsmitglieder ist die Mitgliederversammlung. Die Mitgliederversammlung entscheidet auch über den Widerruf der Bestellung des Vorstandes (Abberufung). Die Genossenschaftssatzung kann auch bestimmen, dass ein anderes Gremium - z.B. der Aufsichtsrat - für Bestellung und Abberufung des Vorstandes zuständig ist.
Die Vorstandsmitglieder, insbesondere hauptberufliche Mitglieder, sind gewöhnlich über einen Vorstandsvertrag (synonym Dienstverhältnis, Dienstvertrag) mit der Genossenschaft vertraglich verbunden. Auf dessen Basis erhalten die Vorstandsmitglieder wie andere Geschäftsleiter eine Vergütung.
Unser Video zum Ausscheiden des Vorstandes der Genossenschaft eG
Unser Kollege Rechtsanwalt Dr. Jänig, LL.M. (Durham) erklärt ausführlich Voraussetzungen und Ablauf von Abwahl und Kündigung des Vorstandes einer Genossenschaft; samt praktischen Tipps.
3. Aufsichtsrat der Genossenschaft
Der Aufsichtsrat ist das Kontrollorgan der Genossenschaft. Er hat die Tätigkeit des Vorstandes - Geschäftsführung und Vertretung - umfassend zu überwachen. Um dies tun zu können, gewährt das Genossenschaftsgesetz dem Aufsichtsrat umfassende Rechte. So kann der Aufsichtsrat vom Vorstand jederzeit Auskunft über alle Angelegenheiten der Genossenschaft verlangen. Er ist auch berichtigt, sämtliche Unterlagen der Genossenschaft einzusehen und zu prüfen.
Der Aufsichtsrat besteht aus drei Mitgliedern. Diese werden von der Generalversammlung gewählt. Die Satzung kann eine größere Zahl von Aufsichtsratsmitglieder bestimmen. Die Generalversammlung ist auch für die Abberufung, d.h. für den Widerruf der Bestellung von Aufsichtsratsmitgliedern zuständig. Auch eine Entsendung von Personen in den Aufsichtsrat ist nach dem GenG unter bestimmten Voraussetzungen zulässig.
Genossenschaften mit wenigen Mitgliedern, nicht mehr als 20 Mitglieder, können durch Satzungsbestimmung auf die Einrichtung eines Aufsichtsrates verzichtet. Dessen Aufgaben (Rechte, Pflichten) werden dann grundsätzlich von der Generalversammlung wahrgenommen.
4. Generalversammlung, Mitgliederversammlung der eG
Die Generalversammlung ist – wie die Hauptversammlung im Aktienrecht – das oberste Organ der Genossenschaft. Sie wird in der Praxis häufig auch Mitgliederversammlung genannt. Sachlich besteht kein Unterschied zwischen der Generalversammlung und der Mitgliederversammlung. Beide Begriffe können synonym verwendet werden.
Aufgaben der Generalversammlung
Wichtige Entscheidungen innerhalb der Genossenschaft, wie beispielsweise
- die Bestellung und Abberufung des Vorstandes,
- die Bestellung und Abberufung des Aufsichtsrates,
- die Änderungen der Satzung,
- die Genehmigung / Feststellung des Jahresabschlusses,
- die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat
- der Beschluss über die Gewinnverwendung
obliegen von Gesetzes wegen der Generalversammlung. Die genannten Entscheidungen der Generalversammlung definieren zugleich deren Aufgaben und auch Kompetenzabgrenzungen gegenüber Vorstand und Aufsichtsrat. Hat die Genossenschaft auf die Einrichtung eines Aufsichtsrates verzichtet (zulässig, wenn (a) nicht mehr als 20 Mitglieder und (b) entsprechende Satzungsbestimmung), übernimmt die Generalversammlung die Rechte und Pflichten des Aufsichtsrates, soweit das Genossenschaftsgesetz nichts anderes bestimmt.
Die Generalversammlung wird grundsätzlich durch den Vorstand der Genossenschaft einberufen, soweit nicht nach der Satzung oder das GenG auch andere Personen dazu ermächtigt sind.
5. Vertreterversammlung als besondere Form der Generalversammlung
Eine Genossenschaft, die mehr als 1.500 Mitglieder (Genossen) hat, kann durch Satzungsregelung bestimmen, dass die Generalversammlung nicht aus allen Mitgliedern, sondern nur aus Vertretern der Mitglieder besteht. Man spricht hier von der Vertreterversammlung. Die Vertreterversammlung setzt sich aus mindestens 50 Vertretern zusammen. Diese werden von den Mitgliedern der Genossenschaft gewählt.
6. Gründung einer Genossenschaft
Gründungen von Genossenschaften können sowohl Neugründungen als auch Umwandlungen von bestehenden Vereinen bzw. Gesellschaften anderer Rechtsform nach dem Umwandlungsgesetz sein.
6.1 Voraussetzungen
Für die Neugründung einer eingetragenen Genossenschaft (e.G.) bedarf es drei oder mehr Personen. Mitglieder einer Genossenschaft können natürliche Personen und sogenannte juristische Personen sein. Mit anderen Worten: auch eine GmbH oder eine AG, aber auch Gemeinden oder Landkreise können im Grundsatz Mitglied einer Genossenschaft sein. Insbesondere Wohnungsgenossenschaften, Baugenossenschaften haben die jeweiligen Gemeinden, Städte und Landkreise als Genossenschaftsmitglieder. Das Genossenschaftsgesetz erlaubt auch sogenannte investierende Mitglieder, bei denen statt der Förderung des Genossenschaftszwecks die Gewinnorientierung stärker im Vordergrund steht. Mit der Mitgliedschaft in der Genossenschaft erhalten die Mitglieder Genossenschaftsanteile.
Die Mitglieder müssen sich einen Gesellschaftsvertrag (Satzung) geben, dessen Mindestinhalt von § 6 GenG bestimmt wird. Die Genossenschaft ist schließlich zum Genossenschaftsregister anzumelden, konkret sind die Satzung und die Mitglieder des Vorstandes anzumelden.
6.2 Ablauf der Gründung
Der Ablauf der Gründung ist in seiner Grundstruktur relativ einfach:
- Gründungsteam (mind. 3 Personen)
- Erstellung Genossenschaftskonzept (wirtschaftlich, finanziell)
- Suche und Auswahl eines genossenschaftlichen Prüfungsverbandes
- Erstellung der Genossenschaftssatzung
- Unterzeichnung der Satzung durch alle Mitglieder
- Wahl des Vorstandes
- Prüfung der Gründung, Gründungsunterlagen durch Prüfungsverband, Erhalt Prüfungsbescheinigung
- Anmeldung der Gründung der Genossenschaft zum Genossenschaftsregister (über Notar)
6.3 (Gründung von) Familiengenossenschaften zulässig?
Die sogenannten Familiengenossenschaften erfahren sehr viel Aufmerksamkeit in den Medien. Doch was ist das? 'Es handelt sich dabei um Genossenschaften, deren Mitgliederkreis sich ausschließlich aus Familienmitgliedern zusammensetzen und drei Primärzwecken dienen:
- der Vermögenssicherung
- Vermögensverwaltung
- der Steuervermeidung.
Angesichts dieser Primärzwecke ist die Familiengenossenschaft sehr umstritten. Große genossenschaftliche Prüfungsverbände und auch Teile der Fachliteratur erachten diese Zwecke mit vom Genossenschaftsgesetz genannten Zwecken für unvereinbar. In der Konsequenz soll eine solche Familiengenossenschaft - als Vermögensverwaltungsgenossenschaft oder Dividendengenossenschaft - nicht wirksam gegründet werden können.
7. Prüfungsverband, Prüfung der Genossenschaft
Jede Genossenschaft - egal ob klein oder groß - muss einem sogenannten Prüfungsverband angehören. Dabei handelt es sich meist um eingetragene Vereine, denen von der jeweils zuständigen Landesbehörde (gewöhnlich Wirtschaftsministerium oder Landwirtschaftsministerium) amtlich das Prüfungsrecht verliehen wurde.
Die eG ist verpflichtet, den Namen und den Sitz des gewählten Prüfungsverbandes auf ihrer Internetseite oder (sofern eine solche nicht vorhanden is)t, auf den "Geschäftsbriefen" anzugeben.
Ziel der Prüfung durch den Prüfungsverband ist die Feststellung
- der wirtschaftlichen Verhältnisse der eG,
- der Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung der eG.
Die Prüfung durch den Prüfungsverband ist insofern weiter gefasst als die Prüfung durch einen Jahresabschlussprüfer. Sie umfasst insbesondere folgende Punkte:
- "Einrichtungen", u.a. Satzung, Geschäftsordnungen, interne Richtlinien
- "Vermögenslage", u.a. Kapitalausstattung, Liquidität, Rücklagen, Rentabilität, Umsatz
- "Geschäftsführung", u.a. Tätigkeit von Vorstand und Aufsichtsrat, Angemessenheit von Vergütung und Auslagen, Unternehmensorganisation, interne Kontrollsysteme
- Jahresabschluss
- Mitgliederliste
Abhängig von der Größe der eG führt der Prüfungsverband jedes Jahr oder jedes zweite Jahr seine Prüfung durch.
Die Kosten und das Dienstleistungsangebot der Prüfungsverbände unterscheiden sich teilweise deutlich. Der passende Prüfungsverband sollte daher sorgfältig ausgewählt werden.
8. Europäische Genossenschaft (Societas Europaea Cooperativa)
Auch die Gründung einer europäischen Genossenschaft (Societas Europaea Cooperativa, CSE) ist möglich. Für die Gründung bedarf es entweder mindestens fünf natürlicher Personen, deren Wohnsitz in mindestens zwei EU-Mitgliedstaaten liegt oder aber zwei Genossenschaften, die in zwei oder mehr EU-Staaten ihren Sitz unterhalten. Diese hat sich in der Praxis bislang nicht durchsetzen können.
Unsere Beratung im Gesellschaftsrecht
Wir sind eine Kanzlei mit einem Schwerpunkt im Gesellschaftsrecht und M&A. In diesem Video erfahren Sie, was uns als Wirtschaftskanzlei auszeichnet und worauf es bei der Beratung im Wirtschaftsrecht ankommt.
9. FAQ Genossenschaft eG
Mit einem Klick finden Sie die Antwort auf die wichtigsten Fragen rund um die Genossenschaft vom Anwalt.
Was ist eine Genossenschaft?
Eine Genossenschaft ist eine Gesellschaft, deren Zweck vor allem auf Förderung der wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Belange der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.
Wie viele Mitglieder muss eine Genossenschaft haben?
Eine Genossenschaft muss mindestens drei Mitglieder haben.
Haften die Mitglieder einer Genossenschaft persönlich?
Nein, wenn in der Satzung eine Nachschusspflicht ausgeschlossen ist.
Wer bestellt den Vorstand einer Genossenschaft?
Den Vorstand einer Genossenschaft bestellt die Mitgliederversammlung (Generalversammlung), sofern die Satzung nichts anderes bestimmt.
Wie funktioniert die Genossenschaft?
Eine Genossenschaft funktioniert ähnlich einer Aktiengesellschaft. Es gibt einen Vorstand, der die Geschäfte führt. Es gibt einen Aufsichtsrat, der den Vorstand überwacht. Und es gibt eine Mitgliederversammlung, die die wesentlichen Entscheidungen in der Genossenschaft trifft.
Welche Beispiele für eine Genossenschaft gibt es?
Beispiel für Genossenschaften im Wirtschaftsleben sind: Baugenossenschaften, Wohnungsgenossenschaften, Genossenschaftsbanken ("Volksbanken"), Einkaufsgenossenschaften (Edeka), Verkaufsgenossenschaften (Winzergenossenschaften).
Gibt es einen Anwalt oder Fachanwalt für Genossenschaftsrecht?
Nein, obwohl das Genossenschaftsrecht eine Spezialmaterie ist. Allerdings beraten gewöhnlich Fachanwälte für Gesellschaftsrecht im Genossenschaftsrecht. Diese haben eine besondere Expertise als Anwalt in gesellschaftsrechtlichen Strukturen. Bei ROSE & PARTNER beraten aufgrund der strukturellen Ähnlichkeiten der Genossenschaft mit der Aktiengesellschaft aktienrechtlich geprägte Anwälte als Anwalt im Genossenschaftsrecht.