Vorstandshaftung in der AG

Haftung des Vorstandes - Klage gegen den Vorstand auf Schadensersatz

In den vergangenen Jahren ist es zu einer Flut von Fällen gekommen, in denen Vorstände wegen Pflichtverletzungen in Haftung genommen wurden. Maßgeblich beeinflusst haben diese Entwicklung zwei Dinge: Erstens, die klärende Feststellung des BGH, dass der Aufsichtsrat  Haftungsansprüche gegen den Vorstand in jedem Fall durchzusetzen muss. Zweitens, die Einführung von D&O-Versicherungen in Deutschland, welche Haftungsmasse generiert haben.

Wann ein Vorstand mit dem Privatvermögen haftet, wer Klagen gegen den Vorstand vorbringen kann und was AG und Vorstand im Zusammenhang mit der Vorstandshaftung wissen sollten, lesen Sie nachfolgend.

Inhalt

Unsere Expertise zur Vorstandshaftung (Klage, Klageabwehr)

Unser hoch qualifiziertes Team von Rechtsanwälten und Fachanwälten für Gesellschaftsrecht berät Sie zu allen Fragen betreffend die Durchsetzung und Abwehr der Haftung des Vorstandes:

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Überblick und Besonderheiten der Vorstandeshaftung

Im Falle einer Pflichtverletzung haftet ein Mitglied des Vorstandes der betroffenen Aktiengesellschaft für den entstandenen Schaden persönlich mit seinem Privatvermögen.

1.1 Typische Bereiche der Haftung des Vorstandes

Klassische Haftungsfelder und Haftungsrisiken für Vorstände sind:

  • wirtschaftlich nachteilige Geschäfte, z.B. klassische Fehlinvestitionen
  • unzureichende Organisation der Binnenstruktur der Gesellschaft („Compliance - Verstöße“)
  • Missachtung von Zustimmungsvorbehalten von Aufsichtsrat und Hauptversammlung
  • Datenschutz
  • unlauterer Wettbewerb UWG, Kartellverstöße GWB
  • Verletzung von Wettbewerbsverboten, Missbrauch von Geschäftsgeheimnissen Geschäftschancen der Gesellschaft
  • Untreue und Betrug zulasten der Gesellschaft
  • Verstöße gegen Steuerstrafrecht
  • Verspätete Anmeldung der Insolvenz der Gesellschaft

1.2 Haftung des Vorstands nach Innen und nach Außen

In der Regel sieht sich der Vorstand Ansprüchen seitens der Gesellschaft ausgesetzt (sogenannte Innenhaftung). Grundsätzlich in Betracht kommt jedoch auch eine unmittelbare Haftung gegenüber Dritten. Mögliche Anspruchssteller und Kläger sind Gläubiger der Gesellschaft, Kapitalanleger, Investoren, Aktionäre und der Fiskus in der Unternehmenskrise.

1.3 Gesamtverantwortung, Gesamthaftung des Vorstandes

Für die Haftung des Vorstandes besonders praxisrelevant ist zudem die sogenannte Gesamtverantwortlichkeit des Vorstandes. Jedes Vorstandsmitglied ist im Grundsatz verantwortlich für die Handlungen jedes einzelnen anderen Vorstandsmitglieds. Hieraus ergeben sich vielfältige Haftungsszenarien.

1.4 Vorstand als Treuhänder fremder Vermögensinteressen

Der Vorstand ist dazu berufen, die Interessen der Aktionäre als Anteilsinhaber der Aktiengesellschaft zu wahren. Der Vorstand ist insofern Treuhänder fremder Vermögensinteressen. Als solcher unterliegt er besonderen Sorgfaltspflichten und einer strafrechtlichen Verantwortlichkeit. Steht die Haftung eines Mitglieds des Vorstandes in Frage, steht immer zugleich die Frage einer strafbaren Untreue (§ 266 StGB).

§ 266 Abs. 1 StGB (Untreue, Vorstand)

"Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, mißbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

Pflichten und Pflichtverletzungen des Vorstandes (Sorgfalt, Treue)

2.1 Sorgfältige Unternehmensleitung durch den Vorstand

Zentrale Pflicht des Vorstandes ist die sorgfältige Leitung des Unternehmens, die sogenannte Sorgfaltspflicht. Welche konkreten Einzelpflichten sich hieraus ergeben, kann nur im Einzelfall bestimmt werden. Maßgeblich ist dabei die Vielzahl variierender und situationsabhängiger Faktoren.

Zu den wesentlichen unternehmensspezifischen Faktoren zählen.

  • Art und Größe des Unternehmens
  • wirtschaftliche und finanzielle Lage des Unternehmens
  • wirtschaftliches, politisches, konjunkturelles und branchenspezifisches Umfeld des Unternehmens
  • besondere interne Regularien: Satzung, Geschäftsordnung und/oder Anstellungsvertrag
  • besondere externe Regularien: Aufsichtsrecht, Corporate Governance Kodex (DCGK)
  • Aufgabenverteilung innerhalb eines mehrköpfigen Vorstands
  • Art, Umfang und Bedeutung einer konkreten Maßnahme

Die genannten Faktoren bilden kein starres Korsett, sondern beeinflussen sich situationsbezogen gegenseitig. Hierdurch ist eine Einzelfallbetrachtung unausweichlich. Hinzutritt, dass einzelne Pflichten des Vorstandes fix sind, d.h. sich aus dem Gesetz ergeben. So sind beispielsweise Pflichten aus den Bereichen Steuern, Sozialversicherung, Kartellrecht, Strafrecht gesetzlich konkret geregelt, sodass sich Pflichtverletzungen und die sich anschließende Haftung leicht erkennen lassen. Andere Pflichten sind hingegen oft unklar. So sind viele Entscheidungen des Vorstandes unternehmerische Ermessensentscheidungen, welche nur bei genauerer Betrachtung ein Urteil über Haftung oder Nicht-Haftung erlauben.

2.2 Treue des Vorstandes gegenüber der AG

Weitere wesentliche Pflicht des Vorstandes ist die sogenannte „Treuepflicht“. Diese verpflichtet das einzelne Vorstandsmitglied, stets im Interesse des Unternehmens zu handeln und dieses vor etwaigen Nachteilen zu schützen.

Insbesondere darf ein Mitglied des Vorstandes nicht die eigenen Interessen oder die Interessen Dritter über die Interessen des Unternehmens stellen: Die Interessen des Unternehmens haben - vereinfacht gesprochen - schlichtweg Vorrang. So verbietet die Treuepflicht es dem Vorstand, mit dem eigenen Unternehmen in Wettbewerb zu treten, Geschäftschancen des Unternehmens eigennützig wahrzunehmen und Geschäfts-/Betriebsgeheimnisse sowie Know-how preiszugeben.

2.3 Sonderpflichten des Vorstandes

Schließlich sieht das Aktiengesetz einige Fälle vor, in denen den Vorstand unmittelbar eine Schadensersatzpflicht gegenüber der Aktiengesellschaft trifft (§ 93 Abs. 3 AktG). Diese im Aktiengesetz geregelten Sondertatbestände betreffen die Verletzungen von Kapitalerhaltungsregeln, deren Einhaltung zu den Kernpflichten des Vorstands gehört. Dies gilt speziell für die praxisrelevante scharfe Haftung des Vorstands für alle nach Insolvenzreife geleisteten Zahlungen der Aktiengesellschaft.

Vorstand AG - Pflichten und Haftung

Die wesentlichen Rechte und Pflichten des Vorstandes, die maßgeblich die Haftung des Vorstandes bestimmen, erläutert Rechtsanwalt und Fachanwalt Dr. Jänig in unserem Youtube-Video.

Voraussetzungen der Haftung des Vorstands

Die Haftung des Vorstandes setzt im Wesentlichen vier Dinge voraus  (vgl. § 93 AktG):

  • Verletzung von Pflichten durch den Vorstand
  • fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln des Vorstandes
  • Schaden der Aktiengesellschaft
  • ursächlicher Zusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden

3.1. Pflichtverletzung des Vorstandes

In der Praxis steht zuvorderst die Frage der Pflichtverletzung. Wie bereits oben dargestellt, ist die Beantwortung der Frage in vielen Fällen von einer Betrachtung der konkreten Umstände abhängig. Je nachdem auf welcher Seite man steht, geht es hier immer darum, anhand aller einzelnen Sachverhaltsaspekte Pflichten zu definieren.

3.2. Fahrlässigkeit, Vorsatz und Haftung

Eng mit der Frage der Pflichtverletzung verbunden ist die Frage eines fahrlässigen oder vorsätzlichen Handelns des Vorstandes. Das fahrlässige Handeln kann in einem fahrlässigen Tun oder einem fahrlässigen Unterlassen bestehen. Insbesondere in Compliance - Fällen steht das Unterlassen im Fokus der Beteiligten.

3.3. Schaden und Ursachenzusammenhang

Weiterhin setzt die Haftung des Vorstandes eines Schaden voraus, der durch die infrage stehende pflichtverletzende Handlung des betreffenden Vorstandsmitgliedes tatsächlich verursacht wurde.

Diese Verursachung ist meist fraglich, wenn die Handlungen auf Entscheidungen des Gesamtvorstandes beruhen („Kollegialentscheidungen“) und einzelne Vorstandsmitglieder gegen betreffende Maßnahmen gestimmt haben. Auch die Fälle des sogenannten rechtmäßigen Alternativverhaltens („Der Schaden wäre auch entstanden, wenn ich mich rechtmäßig verhalten hätte.“) bereiten in der Praxis zumeist Schwierigkeiten. Ein Klassiker sind natürlich auch sämtliche unternehmerischen Ermessensentscheidungen ("Hatte man Anhaltspunkte, dass die Investition eine Fehlinvestition werden würde?").

Auch der Schaden steht nicht selten infrage oder ist oft nur schwierig nachzuweisen. So können etwaige Gewinne aus an sich rechtswidrigen Geschäften gegebenenfalls auf etwaige Verluste angerechnet werden. Im Einzelfall kann dies zu einem gänzlichen Entfall der Haftung trotz schwerwiegender Pflichtverletzungen führen.

Wer darf klagen? Klagen gegen den Vorstand auf Schadensersatz

Bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand muss danach unterschieden werden, wer Ansprüche gegen den Vorstand geltend machen kann.

Danach ergeben sich unterschiedliche Pflichten und Rechte, aber auch unterschiedlich hohe Hürden für die Geltendmachung der Ansprüche durch

  • Aufsichtsrat
  • Hauptversammlung
  • Aktionäre

Nähere Informationen zu den jeweiligen Voraussetzungen erhalten Sie durch Klick auf die folgenden Konstellationen:

Durchsetzung der Vorstandshaftung - AUFSICHTSRAT

Die Aktiengesellschaft kennt mit dem Aufsichtsrat ein klassisches Überwachungs- und Kontrollorgan. Dieser ist nach § 111 AktG verpflichtet, die Geschäftsführung durch den Vorstand zu überwachen. Diese Überwachung ist einerseits präventiv, andererseits auch repressiv.

Zur präventiven Überwachung gehört es, dass der Aufsichtsrat sich fortlaufend über die Geschäfte der Gesellschaft informiert bzw. seitens des Vorstandes informieren lässt. In Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation, den branchentypischen Besonderheiten und den Umständen der aktuellen Situation sind diese Informationen von größerer oder weniger großer Breite und Tiefe. Besteht der Verdacht von Pflichtverletzungen, hat der Aufsichtsrat diesem unter Wahrnehmung seiner Auskunftsrechte, Einsichtsrechte und Informationsrechte nachzugehen und gegebenenfalls eigene interne Untersuchungen vorzunehmen.

Zur repressiven Überwachung gehört es, Ansprüche gegenüber Mitgliedern des Vorstands gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen. Die Erfahrung zeigt indes, dass den Haftungsansprüchen und deren Durchsetzung rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten gegenüberstehen. Auch Aspekte der Außendarstellung und des Personalmarketings können im Ausgangspunkt gegen eine Geltendmachung von etwaigen Haftungsansprüchen sprechen.

Was muss der Aufsichtsrat tun?

Nach der insoweit richtungsweisenden ARAG/Garmenbeck-Entscheidung des Bundesgerichtshofes aus dem Jahr 1997 hat der Aufsichtsrat bei seiner Entscheidung, Ansprüche gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen oder nicht, folgende zwei Prüfungsschritte zu beachten:

#Schritt 1 - Prozessrisikoanalyse

Im ersten Schritt hat sich der Aufsichtsrat - im Zweifel mit fachkundiger Unterstützung - ein Urteil über den rechtlichen Bestand und die faktische Durchsetzbarkeit der Ersatzansprüche zu bilden. Diese im Ausgangspunkt einfache Prüfung begegnet in der Praxis der alles entscheidenden Frage: Welche Erfolgswahrscheinlichkeit muss für die Anspruchsverfolgung vorliegen - einfache Wahrscheinlichkeit, überwiegende Wahrscheinlichkeit oder sogar ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit? 50%, 65% oder 90%? Im ARAG/Garmenbeck-Fall, in dem der BGH eine Pflicht zur Durchsetzung der Schadensersatzansprüche bejahte, lag ein ganz offensichtlich pflichtwidriges Verhalten des verklagten Vorstandsmitglieds vor.

#Schritt 2 - Liegen besondere Umstände vor?

Ist die erfolgreiche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche hiernach wahrscheinlich, so hat der Aufsichtsrat in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob außergewöhnliche Umstände gegen die Geltendmachung der Ansprüche sprechen. Mit anderen Worten: Die Nichtverfolgung der Ansprüche soll die Ausnahme und die Anspruchsverfolgung die Regel sein.

Inanspruchnahme, Klage gegen Vorstand vor dem Landgericht

Liegen keine außergewöhnlichen Umstände vor, so muss der Aufsichtsrat den Vorstand auf Schadensersatz in Anspruch nehmen. Gewöhnlich geschieht dies zunächst durch ein außergerichtliches Schreiben durch einen vom Aufsichtsrat beauftragten Rechtsanwalt. Das Schreiben löst typischerweise den Versicherungsfall der D&O-Versicherung aus ('"claims-made-Prinzip"'), wodurch das betreffende Vorstandsmitglied gewöhnlich Anspruch gegen die D&O-Versicherung auf Ersatz etwaiger Rechtsberatungskosten erhält.

Zahlt der Vorstand den außergerichtlich geltend gemachten Schaden nicht, muss der Aufsichtsrat als Vertreter der AG Klage gegen den Vorstand erheben. Die Klage ist vor dem Landgericht zu erheben, das sich örtlich nach dem Sitz der AG bestimmt.

Notwendig für die Inanspruchnahme des Vorstandes ist ein entsprechender Beschluss des Aufsichtsrates.

Haftungsrisiken für den Aufsichtsrat

Die Pflicht des Aufsichtsrates zur Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen begründet zugleich ein Haftungsrisiko für den Aufsichtsrat. Macht er trotz entsprechender Pflicht Ansprüche gegen den Vorstand nicht geltend, haftet er selbst. In der Praxis ist daher zu beobachten, dass der Aufsichtsrat Ansprüche gegen den Vorstand geltend macht, um dem Risiko einer eigenen Haftung mit dem Privatvermögen zu entgehen.

Durchsetzung der Vorstandshaftung - HAUPTVERSAMMLUNG

Weniger bekannt ist, dass auch die Hauptversammlung die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen der AG gegen den Vorstand beschließen kann (§ 147 AktG).

Hauptversammlungsbeschluss, einfache Mehrheit

Es bedarf hierzu lediglich eines rechtmäßigen Beschlusses der Hauptversammlung im Rahmen einer ordentlichen oder außerordentlichen Hauptversammlung. Für die Beschlussfassung der Hauptversammlung genügt eine einfache Mehrheit.

Beschlüsse der Hauptversammlung sind in der Praxis fehleranfällig; entsprechende Anfechtungsklagen oder Nichtigkeitsklagen sind daher keine Seltenheit. Aus taktischen Gründen kann es sich daher für Mitglieder des Vorstandes empfehlen, mit dem Erwerb von Aktien der AG sich ein entsprechendes Klagerecht von Beginn an zu "sichern".

Aufsichtsrat oder besonderer Klagevertreter

Beschließt die Hauptversammlung über die Geltendmachung von Haftungsansprüchen gegen den Vorstand, so hat sie im Rahmen des Beschlusses die Wahl über die Person, die die Ansprüche gegen den Vorstand geltend machen soll:

Die Hauptversammlung kann zum einen die tatsächliche Geltendmachung der Haftung des Vorstandes dem Aufsichtsrat überlassen. Dieser ist dann innerhalb einer Frist von sechs Monaten verpflichtet, die Ansprüche gegen den Vorstand geltend zu machen.

Die Hauptversammlung kann aber auch ausdrücklich einen eigenen Vertreter, den sogenannten besonderen Vertreter, bestellen. Dieser macht anstelle des Aufsichtsrates im Namen der AG die Schadensersatzansprüche gegen die betreffenden Mitglieder des Vorstandes geltend. Der Bestellung eines besonderen Vertreters ist in der Praxis die Regel: Wieso sollte die Hauptversammlung dem Aufsichtsrat die Klage gegen den Vorstand überlassen, wenn dieser sich weigert, die Klage selbst zu erheben?

Dem besonderen Vertreter kommen nach Auffassung der Gerichte eigene Informationsrechte gegenüber der Aktiengesellschaft zu. Er entscheidet zudem nach pflichtgemäßen Ermessen über die Art und Weise der Geltendmachung der Schadensersatzansprüche.

Durchsetzung der Vorstandshaftung - AKTIONÄR, MINDERHEITSAKTIONÄR

Noch weniger bekannt ist, dass Aktionäre auch unabhängig von einem Beschluss der Hauptversammlung Schadensersatzansprüche gegen Mitglieder des Vorstandes (und des Aufsichtsrates) im Rahmen des sogenannten Klagezulassungsverfahrens durchsetzen können (§ 148 AktG).

Voraussetzungen

Zur Aufrechterhaltung der unabhängigen Leitung der Aktiengesellschaft durch den Vorstand und zur Vermeidung einer Verdrängung des Aufsichtsrates als primäres Aufsichtsorgan sind die gesetzlichen Hürden für die erfolgreiche Durchführung eines Klagezulassungsverfahrens indes sehr hoch:

  • Antrag bei Gericht von Aktionären, deren Anteile zusammen 1% des Grundkapitals oder einen anteiligen Betrag von 100.000 EUR am Grundkapital erreichen;
  • antragstellende Aktionäre müssen Aktien vor dem Zeitpunkt erworben haben, in dem die relevanten Pflichtverletzungen der Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder bekannt geworden sind;
  • vergebliche Aufforderung des Aufsichtsrates zur Geltendmachung der Schadensersatzansprüche;
  • nicht nur leichte, sondern schwerwiegende Pflichtverletzungen seitens des Vorstandes („Unredlichkeit“ und grobe Gesetzes- oder Satzungsverletzung);
  • Geltendmachung stehen keine überwiegenden Gründe des Gesellschaftswohls entgegen.

Gerichtliches Verfahren

Über den Antrag von Aktionären auf Klagezulassung entscheidet das Landgericht, in dessen Bezirk die Aktiengesellschaft ihren Sitz hat. Vor der Entscheidung hat das Landgericht das  betreffende Vorstandsmitglied anzuhören. Die AG selbst ist nur "Beigeladende".

Gibt das Gericht dem Antrag statt, können die Aktionäre die betreffenden Ansprüche im Namen der Aktiengesellschaft für die Gesellschaft selbst geltend machen. Sie haben hierzu einen Rechtsanwalt zu beauftragen.

Einzelheiten Klagezulassungsverfahren

Nähere Informationen zum Klagezulassungsverfahren finden Sie hier: Klagezulassungsverfahren für Schadensersatzklagen gegen den Vorstand.

Wer muss was bei der Klage auf Schadensersatz des Vorstands beweisen?

Ungeachtet der Frage, welche formellen Voraussetzungen für die Klage auf Haftung des Vorstandes gegeben sein müssen, stellt sich im Haftungsprozess stets die Frage, welche Seite was darlegen und beweisen muss. Das Aktiengesetz ist im Ausgangspunkt hier sehr klar.

Die Aktiengesellschaft muss in ihrer Klage zunächst nur drei Dinge darlegen:

  • die nach Ansicht der AG schädigende Handlung des Vorstandes,
  • die Höhe des entstandenen Schadens,
  • den ursächlichen Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und dem entstandenen Schaden.

Das Vorstandsmitglied muss, wenn es einer Haftung entgehen möchte, hingegen darlegen und beweisen, dass

  • es nicht pflichtwidrig gehandelt hat, das heißt es objektiv "alles richtig gemacht hat" oder
  • kein Verschulden vorliegt, das heißt es subjektiv  "alles richtig gemacht hat" oder
  • kein ursächlicher Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und dem entstandenen Schaden besteht.

Im gerichtlichen Verfahren stellen sich diese Grundregeln jedoch nicht so einfach. Dies liegt auch daran, dass die Gerichte beiden Seiten - AG und Vorstandsmitglied - Informationsrechte zugestehen. So soll einerseits die AG einen einklagbaren Anspruch gegen den Vorstand haben, umfassend Auskunft über das eigene Verhalten zu geben. Andererseits soll auch das Vorstandsmitglied einen Anspruch gegen die AG haben, Einsicht in Unterlagen, Dokumente der AG zu nehmen, um sich "verteidigen" zu können. Die Praxis zeigt indes, dass insbesondere das ausgeschiedene Vorstandsmitglied große Informationsdefizite betreffend seine Verteidigung hat. Der Nachweis eines pflichtgemäßen Verhaltens ist nach dem Ausscheiden aus dem Vorstandsamt ein schwieriges Unterfangen.

Die Taktik für Angriff und Verteidigung ist vor diesem Hintergrund im gerichtlichen Verfahren von besonderer Bedeutung. Bereits im Vorfeld etwaiger Gerichtsverfahren sind die Themen Darlegung und Beweislage einerseits und Informationsbeschaffung andererseits vom Rechtsanwalt strategisch mitzudenken.

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Strategische Aspekte der Vorstandshaftung (Angriff, Verteidigung)

Für den Vorstand und mithin auch für die betroffene Aktiengesellschaft stellt sich in der Praxis die Frage, mit welchen grundsätzlichen Erwägungen eine Haftung des Vorstandes teilweise oder gänzlich ausgeschlossen werden kann. Diese Erwägungen sind strategisch sowohl für Angriff (Klage) als auch Verteidigung (Klageabwehr) wichtig.

6.1. Begrenzung, Einschränkung und Ausschluss der Haftung

Sowohl das Aktiengesetz als auch die Gerichte kennen Aspekte, die wesentlichen Einfluss auf die Haftung des Vorstandes nehmen können. Diese Aspekte sind nicht nur im Rahmen der präventiven Haftungsvermeidung relevant, sondern auch bei der tatsächlichen Geltendmachung von Ansprüchen gegen den Vorstand. Dazu zählen unter anderem:

  • Zustimmung des Aufsichtsrates zur Handlung des Vorstandes
  • Zustimmung der Hauptversammlung zur Handlung des Vorstandes (§ 93 Abs. 4 S. 1 AktG)
  • Einrichtung eines Risikomanagementsystem / Compliance System
  • Mitverantwortung von anderen Vorstandsmitgliedern (Ressortverteilung)
  • Ausübung unternehmerischen Ermessens
  • eingeholter externer Expertenrat
  • Verjährung des Haftungsanspruchs

6.2. Wirksamkeit vertragliche Regelungen zur Vorstandshaftung

Das Aktienrecht ist tendenziell zurückhaltend mit vertraglichen Regelungen, welche zu einer partiellen oder gänzlichen Einschränkung der Haftung des Vorstandes führen (können). Die Gerichte haben diese gesetzgeberische Grundtendenz aufgenommen und zeigen eine Tendenz, entsprechende Regelungen als unwirksam zu sehen. Dies gilt zum Beispiel für:

  • gänzlicher oder teilweiser Verzicht der AG auf Schadensersatz, Umgehung von (§ 93 Abs. 4 S. 3 AktG)
  • Einschränkung der Haftung im Vorstandsvertrag, durch individuelle Vereinbarungen zu Verschuldensgrad, Haftungshöchstsummen, Verjährung, Verfallsklauseln

6.3. Aufhebungsvereinbarungen und Haftung

Die strengen Regelungen des Aktienrechts zur Enthaftung führen in der Praxis indes nicht selten zu kaum lösbaren Problemen, da insbesondere die Gerichte Einschränkungen der Vorstandshaftung kritisch sehen. So bedarf die Gestaltung von Vorstandsverträgen und einvernehmlichen Vereinbarungen im Zusammenhang mit der (vorzeitigen) Abberufung und Aufhebung von Vorstandsverträgen besonderer Sorgfalt. Klar ist, dass ein schlichter Verzicht der AG auf etwaige Ansprüche ("Generalquittung") unwirksam ist.

Entsprechende Probleme stellen sich auch im Fall eines Gesellschafterstreits / Aktionärstreits in Aktiengesellschaften mit einem kleinen Aktionärskreis, die gewöhnlich mit Streitigkeiten über die Vorstandstätigkeiten des „Aktionärs-Vorstands“ einhergehen.

Strategien zur Haftungsvermeidung für den Vorstand Hier finden Sie nähere Informationen zur Vermeidung, Begrenzung und Ausschluss der Haftung von Vorstandsmitgliedern

Haftung des Vorstandes gegenüber Aktionären, Anlegern und Investoren?

Eine direkte Haftung des Vorstandes gegenüber Aktionären, Anlagern und Investoren scheidet gewöhnlich aus.

Eine unmittelbare Haftung kommt nur in Betracht, wenn gesetzliche Spezialregelungen eine solche Haftung ausdrücklich vorsehen oder strafrechtliche Tatbestände erfüllt sind. Die Einzelheiten einer entsprechenden Direkthaftung sind in Teilen nach wie vor umstritten.

Grundsätzlich denkbar ist eine Haftung im Zusammenhang mit folgenden Sachverhalten:

  • falsche Angaben bei Gründung, Kapitalerhöhung (§ 399)
  • unrichtige Darstellung der Gesellschaftsverhältnisse (§ 400 AktG)
  • Insolvenzantragspflicht (§ 15 InsO)
  • Untreue (§ 266 StGB)
  • Kapitalanlagebetrug (§ 264a StGB)
  • Betrieb von Bankgeschäften ohne Erlaubnis
  • § 117 AktG
  • Prospekthaftung
  • Wettbewerbsverstöße, Immaterialgüterrechtsverletzungen (u.a. § 9 UWG, § 97 UrhG, § 14 MarkenG)

Anders als vielfach vermutet, bietet das Anlegerrecht (Kapitalmarktrecht) keinen generellen Direktanspruch von Anlegern und Investoren gegen Vorstände. Dies gilt auch für die kapitalmarktrechtlichen Pflichten (ad-hoc-Publizität, Insiderhandel). Diese dienen primär dem Schutz des Kapitalmarktes und dem Schutz des individuellen Anlegers.

Abberufung, Kündigung des Vorstandes Hier finden Sie nähere Informationen zur Abberufung, Amtsniederlegung und Kündigung des Vorstandes.

FAQ - Vorstandshaftung

Mit einem Klick finden Sie die Antwort auf die wichtigsten Fragen zur Haftung des Vorstands einer AG.

Wie haftet der Vorstand einer AG?

Der Vorstand einer AG haftet persönlich mit seinem Privatvermögen. Die Haftung besteht gegenüber der AG und Dritten.

Wer vertritt die AG bei Klagen gegen den Vorstand?

Der Aufsichtsrat vertritt die AG bei Klagen gegen den Vorstand. Dies gilt insbesondere bei Schadensersatzklagen.

Können Aktionäre den Vorstand verklagen?

Ja. Aktionäre können entweder über einen Beschluss der Hauptversammlung oder über die gerichtliche Bestellung eines besonderen Vertreters im Namen der AG gegen den Vorstand klagen.

Wie lange haftet ein Vorstand einer AG?

Der Vorstand einer AG haftet fünf Jahre (gerechnet ab Zeitpunkt der Pflichtverletzung); rechtlich gesprochen; Ansprüche der AG gegen den Vorstand verjähren nach 5 Jahren. Bei Aktiengesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, verjähren die Ansprüche nach zehn Jahren.

Wann verjähren Ansprüche gegen den Vorstand?

Ansprüche gegen den Vorstand verjähren grundsätzlich in fünf Jahren; bei Aktiengesellschaften, die zum Zeitpunkt der Pflichtverletzung börsennotiert sind, in zehn Jahren (§ 93 Abs. 6 AktG). Diese Verjährungsfrist gilt unabhängig davon, ob die Gesellschaft Kenntnis von der betreffenden Pflichtverletzung hat oder nicht. Anders als sonst üblich beginnt die Verjährungsfrist mit der Vornahme oder Unterlassung der betreffenden Handlung.

Kann die AG auf Schadensersatz gegenüber dem Vorstand verzichten?

Ja, aber nur unter engen Voraussetzungen:

  • Anspruch älter als 3 Jahre
  • Zustimmung der Hauptversammlung
  • kein Widerspruch von einer Aktionärsminderheit, deren Anteile zusammen 10% des Grundkapitals erreichen

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