Vesting Klauseln

Vesting für Startups, Mitarbeiter, Gründer & Investoren

Sogenannte Vesting-Klauseln finden sich mittlerweile in der Praxis überall: In Finanzierungsrunden, Beteiligungsverträgen oder Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen, für Gründer, Minderheitsgesellschafter, neue Mitarbeiter oder auch Kooperationspartner.

Die aus dem US-amerikanischen Rechtsraum importierten Regelungen basieren auf einer nachvollziehbaren Motivation der Investoren. Sie sind aber nicht selten aufgrund ihrer konkreten Ausgestaltung rechtlich angreifbar. Im deutschen Recht müssen solche Vesting-Klauseln zahlreiche Voraussetzungen erfüllen, um wirksam zu sein. Viele in der Praxis verwandten Vesting-Klauseln führen zum Konflikt, wenn den Betroffenen auf der Grundlage eines Vestingprogramms die (virtuelle) Beteiligung entzogen wird.

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1. Was bedeutet Vesting?

Das Prinzip „Vesting“ funktioniert wie folgt: Gründer oder Mitarbeiter von Startups müssen sich ihre Beteiligung an dem Unternehmen dadurch verdienen, dass sie eine bestimmte Zeit lang ihre Arbeitskraft in den Aufbau des Startups investieren.

Dabei sparen sie, untechnisch gesprochen, eine gewisse Anzahl an Anteilen pro Monat an, solange sie in dem Unternehmen arbeiten. Am Ende stehen den Mitarbeitern die GmbH-Geschäftsanteile bzw. virtuellen Anteile ganz zu oder werden je nach Ausgestaltung im Fall eines Exit jedenfalls zum Verkehrswert vergütet. Scheiden die Betroffenen indes verfrüht aus dem Startup aus, verlieren sie ihre Anteile teilweise oder ganz. Typischerweise bekommen Sie als Ausgleich für die verlorenen Anteile einen reduzierten Betrag gemessen am Verkehrswert und manchmal nur den Buchwert oder Nennwert - die jeweilige Bewertungsmethode für das Startup wird dabei nicht selten vertraglich festgelegt.

Das Vesting kann dabei einerseits bei der Finanzierung von Startups die Gründer eines Unternehmens gegenüber den Venture Capital-Investoren an das Unternehmen binden. Umgekehrt verwenden die Startups selbst das Vesting-Modell oft, um eigene Mitarbeiter an sich zu binden. 

2. Musterformulierung Vesting

Die Vereinbarung einer Vesting-Periode könnte in etwa wie folgt lauten: 

Beispiel: "Die virtuellen Geschäftsanteile werden jeweils mit Wirkung zum Monatsersten gewährt („Zuwendungszeitpunkt“). Der Anspruch des Mitarbeiters auf eine Sondervergütung aus den jeweils zugewendeten virtuellen Geschäftsanteilen soll jedoch wirtschaftlich über eine bestimmte Laufzeit von dem Mitarbeiter erdient werden („Vesting Periode“). Die gewährten Virtuellen Geschäftsanteile sowie der Anspruch des Mitarbeiters auf die Sondervergütung können daher ganz oder teilweise nach Maßgabe der Good & Bad Leaver Regelungen wegfallen."

3. Sinn & Zweck - Warum Vesting?

Hintergrund des Vestings sind diverse berechtigte Interessen von Mitarbeitern, Gründern und Investoren, die es in Ausgleich zu bringen gilt. 

Dazu gehört einerseits das berechtigte Interesse von Investoren, wichtige Mitarbeiter oder Gründer von Startups nach ihrer Investition für einen gewissen Zeitraum an das Unternehmen zu binden, dessen Anteile sie erworben haben. Denn der Wert eines Startups bestimmt sich oft ganz maßgeblich an dem Know How der ihn führenden Personen. Würden diese ohne weiteres nach dem Investment das Unternehmen mit all den ihnen verbleibenden Anteilen verlassen können, stünden die Investoren plötzlich mit leeren Händen da.

Dasselbe gilt für Gründer, die ihren Mitarbeitern im Rahmen von Beteiligungsprogrammen (virtuelle) Anteile an dem Unternehmen vermachen. Auch sie möchten sicherstellen, dass die Mitarbeiter einen gewissen Mindestzeitraum für das Startup arbeiten.

Diesem Interesse stehen die Interessen der durch das Vesting Verpflichteten oft entgegen. Einerseits gilt in Deutschland die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG, die in diversen einfachgesetzlichen Normen ihre Ausprägung findet. Jeder muss seinen Beruf frei wählen dürfen und eine unzulässig lange Bindung an ein Unternehmen ist rechtswidrig. Insbesondere Gründer haben zudem oft bereits erhebliche Arbeitskraft in das Unternehmen investiert und müssen für diese bereits geleistete Arbeit entsprechend entlohnt werden.

4. Good & Bad Leaver - Bedeutung

Um diese gegensätzlichen Interessen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen, muss eine Ausdifferenzierung beim Vesting im Einzelfall erfolgen. Diese nimmt die Praxis anhand von sog. Good Leaver-Klauseln und sog. Bad Leaver-Klauseln vor. Dabei werden unterschiedlich strenge Rechtsfolgen an das Ausscheiden der Betroffenen geknüpft je nachdem, wann und warum der Mitarbeiter oder Gründer das Unternehmen verlässt.

Die genaue Ausgestaltung in der Praxis variiert dabei stark. Als Good Leaver werden u.a. die Fälle bezeichnet, bei denen der Betroffene salopp gesagt „unverschuldet“ aus dem Unternehmen ausscheidet, etwa wenn das Unternehmen ihm ohne wichtigen Grund ordentlich kündigt, wenn ein vorläufiger Exit eintritt, wenn er dauerhaft erkrankt und daher arbeitsunfähig wird oder wenn er stirbt. In der Folge wird ihm ein höherer Anteil an Anteilen zugesprochen oder diese höher vergütet als bei einem Bad Leaver.

Als Bad Leaver dagegen werden in der Regel die Fälle bezeichnet, in denen der Betroffene selbst Schuld ist an einer außerordentlichen Kündigung durch das Unternehmen oder wenn er seine vertragsgemäßen Pflichten verletzt. Der Betroffene verliert dann seine Anteile und erhält für diese dann nur eine verminderte Vergütung.

Besonders stark umstritten ist der Fall der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitnehmer. Diese oft als „Grey Leaver“ bezeichneten Fälle werden im Einzelfall in der Praxis oft entweder dem Good- oder Bad Leaver-System zugeordnet oder gänzlich gesondert geregelt.

Weiterführende Informationen zur Frage der Wirksamkeit von Leaver-Klauseln finden Sie hier: Good & Bad Leaver Klauseln

Good & Bad Leaver Klauseln Alle Infos zur Wirksamkeit & Formulierung von Leavern.

5. Vesting kann ungültig sein

Die in der Praxis gängigenVesting- und Leaver-Vertragsklauseln können unwirksam sein, wenn mit ihnen dem Gesellschafter die Beteiligung ohne hinreichenden Grund entzogen werden kann oder wenn die Abfindungsreduzierung unverhältnismäßig hoch ausfällt. Bei der Frage der Wirksamkeit der Klauseln sind die folgenden Faktoren in der Abwägung zu berücksichtigen: Abfindungswert in Bezug auf den eigentlichen VerkehrswertAnlass für das Ausscheiden aus dem Unternehmen, Auszahlungsmodalitäten (z.B. Zeiträume der Auszahlung) und Art und Umfang der bisherigen Beteiligung.

Oft wird in der Praxis bereits erbrachte Arbeitsleistung für das Unternehmen nicht angemessen berücksichtigt, die Vesting-Periode ist zu lang oder der jeweilige Grund für das Ausscheiden aus dem Unternehmen, etwa wegen Krankheit, ist unzulässigerweise als Bad Leaver sanktioniert. Selbst wenn die Einordnung eines Falles als Good oder Bad Leaver richtig ist, können weiter die jeweiligen Rechtsfolgen im Einzelfall unzulässig sein, etwa weil der Betroffene auch nach jahrelangem Verbleiben im Unternehmen seine Anteile zu einem niedrigen Abfindungswert verliert.

Mehr Informationen zur Unwirksamkeit von Abfindungsklauseln finden Sie hier: Nichtigkeit und Unwirksamkeit von Abfindungsklauseln

6. Wie wirkt ein sog. Cliff beim Vesting?

In der sog. Cliff-Period wird das Vesting sozusagen pausiert. Üblich in der Praxis ist ein Cliff mit einer Dauer von 12 Monaten. Erst nach Ablauf des Cliffs gelten die während der Cliff-Period angesparten Anteile als angespart. Anschließend läuft das Vesting regulär jeden Monat weiter. Wird während des Cliffs gekündigt, stehen dem Berechtigten in der Regel gar keine Anteile zu, obwohl er vielleicht schon einige Monate bei dem Startup tätig war. Sinn & Zweck des Cliffs ist es, den Mitarbeiter mindestens für eine gewisse Zeit im Unternehmen zu halten. 

7. Was ist Accelerated Vesting?

Beim beschleunigten Vesting (engl.: Accelerated Vesting) wird für den Fall eines verfrühten Exits während der laufenden Vesting-Periode vereinbart, dass alle Anteile der Betroffenen als gevested angesehen werden. Oft wird der Gründer dann aber für einen weiteren Zeitraum verpflichtet, für das Unternehmen zu arbeiten - die Ausgestaltungen variieren stark. Es gibt keine feste Definition für den Begriff accelerated vesting und daher ist es wichtig, die jeweiligen Klauseln genau zu lesen und zu verstehen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass sich das Unternehmen bei einem verfrühten Exit aufgrund der Leistung der Mitarbeiter besonders gut entwickelt hat und diese daher von dem verfrühten Profit auch beteiligt werden sollen. Die Erfolgserwartungen der Investoren wurden dann sozusagen noch übertroffen.

Musterformulierung: Accelerated Vesting

Es gibt viele Spielarten des Accelerated Vestings. Eine gängige und für den Mitarbeiter sehr positive Formulierung lautet: 

Beispiel: "Endet die Vesting Period durch den Exit während der noch laufenden Vesting Period gilt die Gesamtsumme der virtuellen Geschäftsanteile im Zeitpunkt des Exits als gevestete Anteile (accelerated vesting)."

8. Sonderfall: Gründervesting

Insbesondere bei Gründern von Startups, die von Investoren bei Ihrem Einstieg ins Unternehmen zu einem Vesting verpflichtet werden, gelten besonders hohe Anforderungen aufgrund der durch die Gründer bereits erbrachte Leistung. Zudem gilt nach der höchstgerichtlichen Rechtsprechung im Gesellschaftsrecht das sog. Hinauskündigungsverbotfür Gesellschafter. Dieses besagt, dass Gesellschafter eines Unternehmens nicht von anderen Gesellschaftern ohne weiteres aus ihrer Gesellschafterposition hinausgekündigt werden können, nur weil sie bestehende Dienstverhältnisse beenden. Denn die Gesellschafterstellung ist von dem Dienstverhältnis erst einmal unabhängig.

Insbesondere wenn die Gründer die Mehrheitsbeteiligung an der Gesellschaft in der Hand behalten, ist es Investoren daher versagt, sich über eine Vesting-Klausel sozusagen durch die Hintertür die Mehrheit an den Gesellschaftsanteilen einzuverleiben.

9. Gestaltungsmöglichkeiten - Steuern beachten!

Bei der Ausgestaltung des Vestings in vertraglichen Grundlagen ist zudem unbedingt die steuerliche Perspektive zu beachten und ein Steuerberater Ihres Vertrauens zu konsultieren. Insbesondere bei der Mitarbeiterbeteiligung ist darauf zu achten, dass die im Rahmen enies Vestings übertragenen Anteile zu keiner ruinösen Steuerlast führen. Wen der Mitarbeiter durch die Anteile Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit  in Höhe von mehreren Hunderttausend Euro erhält, weil das Startup in der letzten Finanzierungsrunde einen Millionenwert aufwies, kann die Mitarbeiterbeteiligung schnell in die persönliche Insolvenz des Mitarbeiters führen.

In der VC-Praxis wird die Vesting-Beteiligung meist wie folgt gestaltet:, Aus rechtlicher Sicht erhält der Betroffene zunächst die gesamte Beteiligung. Diese unterliegt dann einer Abschmelzung.  Daher wird das Vesting oft als unwiderrufliches Erwerbsrecht (engl.: Call-Option) ausgestaltet: Die dem Vesting unterfallenden Anteile stehen den Mitarbeitern bzw. Gründern rechtlich von Anfang an zu, die Investoren haben aber ein Erwerbsrecht an den nicht gevesteten Anteilen zu zuvor festgelegten Konditionen. Mit Zeitablauf schmilzt dieses Erwerbsrecht der Investoren von Monat zu Monat ab und im gleichen Verhältnis wächst die Beteiligung des Mitarbeiters bzw. Gründers von Monat zu Monat an (sie wird sukzessive gevestet und wird dann gemäß den individuellen Vereinbarungen schließlich unverfallbar)..

Unsere Beratung im Gesellschaftsrecht

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10. Klauseln prüfen lassen!

Im Ergebnis sollte daher vor jeder vertraglichen Gestaltung unbedingt die Gültigkeit im Einzelfall geprüft werden. Wollen die Gründer und Investoren sichere Vesting-Strukuren errichten, sind diese auch anhand der Rechtsprechung zu messen. An dieser Stelle hat sich noch kein konkreter Marktstandard herausgebildet, der der Rechtsprechung gerecht wird.

Mitarbeiter und Gründer, die bereits einer Vesting-Regelung unterworfen sind, sind zudem gut beraten, im Falle eines Ausscheidens aus dem Unternehmen die Rechtmäßigkeit der für sie geltenden Regelungen von einem Rechtsanwalt überprüfen zu lassen. Sind die Regelungen unwirksam, können sie unter Umständen erheblich höhere Abfindungssummen geltend machen oder ihre Anteile sogar behalten.

Unsere anwaltlichen Leistungen zum Vesting

Die Rechtsanwälte, Fachanwälte und Steuerberater unserer Kanzlei beraten an den Standorten Hamburg, Berlin, München, Frankfurt und Köln umfassend zum Thema Vesting, unter anderem in folgenden Aspekten:

  1. Prüfung bestehender Vesting- und  Leaver-Regelungen auf ihre Gültigkeit
  2. Beratung von Gründern von Startups, Investoren und Mitarbeiter 
  3. Entwurf von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen und Virtuellen Mitarbeiterbeteiligungen (ESOP, VESOP) sowie Managementbeteiligungen
  4. Begleitung von Finanzierungsrunden und Gestaltung von Venture Capital Beteiligungsverträgen
  5. Management von Streitigkeiten im Zusammenhang von Vesting- und Leaver-Regelungssystemen im VC-Bereich

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