Bindungswirkung des Berliner Testaments

Einschränkungen für Widerruf, Änderung und Schenkungen

Wenn Ehegatten gemeinsam ihren letzten Willen errichten, hat das weitreichende Konsequenzen. Das gilt vor allem für Erbeinsetzungen, die (gewollt oder nicht) eine Bindungswirkung entfalten. Den Betroffenen ist dann häufig nicht bewusst, welche Einschränkungen das für die Testierfreiheit nach sich zieht.  

Problem Bindungswirkung - ein Kurzüberblick

Ehegatten errichten häufig Berliner Testamente, in denen sie sich gegenseitig zu Alleinerben einsetzen und die gemeinsamen Kinder als Schlusserben. Solche Verfügungen entfalten eine Bindungswirkung. Diese führt regelmäßig dazu, dass ein Ehegatte zu Lebzeiten des anderen nicht heimlich neu testieren kann und dass er nach dem Versterben des anderen auch die Einsetzung der Schlusserben nicht mehr zu ändern vermag. Wann eine solche Bindungswirkung entsteht, welche Vor- und Nachteile das hat und welche individuellen Regelungen zu empfehlen sind, erfahren Sie im nachfolgenden Beitrag unserer Fachanwälte für Erbrecht

Berliner Testament - Bindungswirkung und andere Probleme

In diesem Video erklärt Rechtsanwalt Bernfried Rose die Stolpersteine rund um das Berliner Testament und gibt passende Lösungen. 

Anwaltliche Leistungen rund um das Berliner Testement und den Erbfall

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  • Gestaltung der Erbfolge durch Ehegattentestamente (Berliner Testament) oder Erbverträge
  • Prüfung der Bindungswirkung von gemeinschaftlichen Testamenten
  • Durchsetzung bzw. Abwehr von Pflichtteilsansprüchen enterbter Kinder
  • Steuerliche Optimierung von Berliner Testamenten
  • Gutachterliche Stellungnahmen zu Fragen der Wirksamkeit und Auslegung von Testamenten

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Für welche Testamente und Verfügungen gilt die Bindungswirkung?

Bindungswirkung entfalten nur letztwillige Verfügungen, die von zwei Personen gemeinsam errichtet werden. Besonders typisch und stark ist die Bindungswirkung beim Erbvertrag. Aber auch gemeinschaftliche Testamente von Ehegatten, insbesondere sogenannte Berliner Testamente führen regelmäßig zu einer Einschränkung der Testierfreiheit.

Solche Ehegattentestamente können sowohl einseitige als auch wechselbezügliche Verfügungen (§ 2270 Absatz 1 BGB) enthalten. Wechselbezüglichkeit bedeutet, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre. 

§ 2270 BGB | Wechselbezügliche Verfügungen

(1) Haben die Ehegatten in einem gemeinschaftlichen Testament Verfügungen getroffen, von denen anzunehmen ist, dass die Verfügung des einen nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen sein würde, so hat die Nichtigkeit oder der Widerruf der einen Verfügung die Unwirksamkeit der anderen zur Folge.

(2) Ein solches Verhältnis der Verfügungen zueinander ist im Zweifel anzunehmen, wenn sich die Ehegatten gegenseitig bedenken oder wenn dem einen Ehegatten von dem anderen eine Zuwendung gemacht und für den Fall des Überlebens des Bedachten eine Verfügung zugunsten einer Person getroffen wird, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht.

Ob eine Verfügung wechselbezüglich ist und damit Bindungswirkung entfaltet, ist nicht immer sofort klar. Dann muss das Testament ausgelegt werden. Für eine Wechselbezüglichkeit spricht dann zum Beispiel eine sprachliche Zusammenfassung der Verfügung, also etwa die Verwendung von Begriffen wie “wir", “gemeinsam” oder “gegenseitig”. Kommt man auch im Wege der Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, greift die Zweifelsregelung des § 2270 Absatz 2 BGB. Dort werden explizit die Fälle der gegenseitigen Erbeinsetzung sowie der Einsetzung von Verwandten als Schlusserben genannt. 

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Zweck und Konsequenzen der Bindungswirkung

Die Bindungswirkung schränkt die Betroffenen damit in ihrer Testierfreiheit ein. Das hat einen guten Grund: Bei wechselsbezüglichen Verfügungen verlässt sich der eine Ehegatte auf den anderen. Er setzt ihn zum Alleinerben ein, weil dieser ihn ebenfalls entsprechend einsetzt. Und außerdem will man sicher sein, dass die gemeinsam ausgesuchten Schlusserben letztlich tatsächlich zu Zuge kommen.

a. Gegenseitige Erbeinsetzung

"Wir setzen und gegenseitig zu Alleinerben ein."

Eine solche gegenseitige Erbeinsetzung erfüllt nur dann ihren Zweck, wenn sich beide darauf verlassen können. Daher kann ein Ehegatte, der ein entsprechendes gemeinschaftliches Testament errichtet hat, die Erbeinsetzung des anderen nicht einfach so widerrufen bzw. ändern. Die Vorschriften über den Widerruf solcher wechselbezüglichen Verfügungen finden sich in § 2271 BGB.

Danach kann ein Ehegatte nicht einfach durch ein neues Testament eine andere Erbfolge festlegen. Ein Widerruf zu Lebzeiten ist zwar möglich, erfordert aber die Einhaltung einer strengen Form. Notwendig ist eine notarielle Beurkundung der Rücktrittserklärung, auch wenn es sich “nur” um ein handschriftliches Testament handelt. Außerdem muss die Erklärung dann als Ausfertigung (keine Kopie) dem anderen Ehegatten zugehen - was in der Regel von einem Gerichtsvollzieher durchgeführt wird. 

In der Praxis kommt es zu diesem Prozedere, wenn die Ehe in der Krise ist. Nach einer Trennung wünscht sich häufig der eine (wohlhabende) Ehegatte den anderen nicht mehr als Alleinerben. Dieser andere (weniger wohlhabendere) stimmt dann aber einer gemeinsamen Änderung des Testaments nicht zu. Dann muss das halt im Alleingang wie oben beschreiben stattfinden. Die Rechtslage ändert sich dann in aller Regel mit der Scheidung bzw. gegebenenfalls mit dem Scheidungsantrag, da die Verfügung im Berliner Testament dann nach § 2077 BGB unwirksam wird.

Video: Das Berliner Testament bei der Scheidung

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video, ob, wie und wann sich die Scheidung auf das gesetzliche Ehegattenerbrecht und die Gültigkeit von Ehegattentestamenten auswirkt. 

Einsetzung von Kindern oder anderen Personen als Schlusserben

Schlusserben sind die Erben, die zum Zuge kommen, wenn beide Ehegatten verstorben sind. Häufig - aber nicht immer - sind das gemeinsame Kinder. 

"Schlusserben beim Tod des Überlebenden von uns sind unsere gemeinschaftlichen Abkömmlinge."

Solche Verfügungen zugunsten der Kinder sind bindend, weil sich der zuerst versterbende Ehegatte darauf verlassen will, dass der länger lebende Ehegatte nicht mehr in die Schlusserbenfolge eingreift. Die Gefahr besteht in der Praxis dann, wenn der länger lebende Ehegatte eine neue Beziehung eingeht, heiratet oder weitere Kinder bekommt. Dank der Bindungswirkung der gemeinsamen Schlusserbeneinsetzung kann sich diese Gefahr nicht realisieren. Nach dem Tod des einen kann der andere die Schlusserben nicht mehr abändern. Ein neues Testament des überlebenden Ehegatten wäre insoweit unwirksam. 

Insbesondere hilft nach dem ersten Erbfall auch kein notariell erklärter Rücktritt. Dieser ist nur möglich, solange der Ehegatte noch lebt. 

Die Auslegungsregel des § 2270 BGB betrifft nicht nur die Schlusserbeneinsetzung von Verwandten, wie gemeinsamen Kindern, sondern vielmehr alle “Verfügungen zugunsten einer Person, die mit dem anderen Ehegatten verwandt ist oder ihm sonst nahe steht”. Was genau eine “sonst nahe stehende Person” ist, ist eine Frage des Einzelfalls. Voraussetzung ist jedenfalls eine solche enge persönliche Bindung wie man es auch zu Verwandten typischerweise hat.

Praxistipp: Zuwendungsverzicht

Auch wenn mit dem Tod Ihres Ehegatten die wechselbezüglichen Anordnungen zu den Schlusserben in Stein gemeißelt sind und nicht mehr widerrufen werden können, eröffnet das Erbrecht noch eine Option: § 2271 BGB, der das Erlöschen des Rechts zum Widerruf mit dem Tode des anderen Ehegatten bestimmt, sieht ausdrücklich vor, dass der Überlebende seine Verfügung aufheben kann, wenn er das ihm zugewendete ausschlägt. So eine Ausschlagung führt nicht zur Aufhebung der Verfügungen im Testament, führen aber dazu, dass Sie als überlebender Ehegatte noch mal neu testieren können. Solche Überlegungen sollten unbedingt bis zur letzten Konsequenz zu Ende gedacht werden. Lassen Sie sich im Zweifel zu der Frage beraten, ob die Ausschlagung des Zugewendeten in Ihrem Fall zweckmäßig ist und wie man konkret am besten vorgeht. 

 

Einseitige Bindung nur eines Ehegatten?

In der Praxis gar nicht so selten sind Fälle, in denen nur ein Ehegatte eine Erbeinsetzung oder ein Vermächtnis als wechselbezüglich ansieht und eine Bindung herbeiführen will. Überwiegend wird dann vertreten, dass auch solche einseitigen Abhängigkeiten der Bindungswirkung des § 2270 BGB unterliegen. 

Video: Testament widerrufen

Rechtsanwalt Bernfried Rose erklärt in diesem Video kurz und knapp die Möglichkeiten, Einzeltestamente oder Berliner Testamente von Ehegatten zu widerrufen. Ausführliche Informationen zum Testamentswiderruf zum Nachlesen finden Sie auf unserer Themenseite Testament widerrufen

Schenkungen zu Lebzeiten trotz Bindungswirkung?

Wem Ihnen erst einmal bewusst geworden ist, wie sehr Sie Ihr Berliner Testament in Ihrer Testierfreiheit einschränkt, kommen Sie vielleicht auf folgende Idee: Sie verschenken bereits zu Lebzeiten Vermögenswerte an Personen, die Sie aufgrund der Bindungswirkung Ihrer letztwilligen Verfügung nicht mehr als Erben einsetzen können. 

Ein Beispiel: Ihr Ehegatte ist verstorben. Mit ihm hatten Sie ein Berliner Testament mit der wechselbezüglichen Verfügung, dass am Ende Ihre gemeinsamen Kinder als Schlusserben alles bekommen. Nun lernen Sie aber jemand neues kennen und lieben und das Verhältnis zu den Kindern wird immer schlechter. Als Erben einsetzen können Sie ihren neuen Partner aufgrund der Bindungswirkung nicht. Aber vielleicht können Sie ihm ja zu Lebzeiten Vermögen schenken und damit das spätere Erbe der Kinder wirtschaftlich aushöhlen? 

Das können Sie grundsätzlich auch tun. Es ist aber gut möglich, dass Ihre Kinder dann später Rückgewährungsansprüche gegen den Beschenkten geltend machen. Das ergibt sich aus § 2287 BGB. Diese Vorschrift gilt direkt zwar nur für Vertragspartner eines Erbvertrags. Die Erbrechtler sind sich aber einig, dass § 2287 BGB auch für bindend gewordene Verfügungen in gemeinschaftliche Ehegattentestamenten angewendet wird. Ansprüche darauf, die Schenkung rückgängig zu machen, setzen voraus, dass die Schlusserben durch die Schenkung tatsächlich beeinträchtigt werden und eine “Benachteiligungsabsicht” des Schenkers vorliegt. Nach Auffassung des BGH ist letzteres nicht der Fall, wenn der Schenker ein anerkennenswertes lebzeitiges Eigeninteresse an der Zuwendung hat. Sie können sich denken, dass man hierüber wunderbar streiten kann. 

Unser Rat: Bindungswirkung immer individuell selbst regeln

Wenn Sie gemeinsam mit Ihrem Ehepartner ein Testament schreiben, sollten Sie das Thema Bindungswirkung verstanden haben und besprechen. Erfahrungsgemäß liegt hier ein absoluter Schwerpunkt hinsichtlich der Gestaltung eines Berliner Testaments. Überlegen Sie also genau, ob sie für welche Verfügungen eine Bindungswirkung wünschen  und wie weit diese reichen soll. Das ist kein einfacher Prozess, denn häufig haben Eheleute hier verschiedene Befindlichkeiten. Während der eine vielleicht sehr liberal ist und dem anderen vertraut, ist der andere gegebenenfalls sehr auf Sicherheit für alle Fälle bedacht.

Ein typischer Kompromiss hinsichtlich der Schlusserbeneinsetzung ist zum Beispiel, dass zwar nur die gemeinsamen Kinder den überlebenden Ehegatten beerben, die Verteilung der Erbquoten aber von diesem gegebenenfalls neu bestimmt werden kann.

Wie auch immer Sie sich entscheiden - formulieren Sie in Ihrem letzten Willen ausdrücklich Ihre Vorstellungen zur Bindungswirkung. Verlassen Sie sich dabei also nicht auf die gesetzlichen Regelungen und die etwaige Testamentsauslegung in einem Streit vor dem Nachlassgericht. 

Q&A Berliner Testament & Bindungswirkung

Schnelle Antworten auf häufige Fragen

Wo ist die Bindungswirkung von Testamenten im Gesetz geregelt?

§ 2270 BGB bestimmt, welche Verfügungen in gemeinschaftlichen Testamenten wechselbezüglich sind. § 2271 BGB regelt die sich daraus ergebende Bindungswirkung, die zu Einschränkungen beim Widerruf des Ehegattentestaments führt. In dem Zusammenhang ist auch noch § 2287 BGB zu erwähnen, der bei Berliner Testamenten zu faktischen Einschränkungen hinsichtlich lebzeitiger Schenkungen führen kann. 

Wann ist eine Verfügung im Testament wechselbezüglich?

Wechselbezügliche Verfügungen in einem Testament stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander. Die Regelung des einen Ehegatten wäre nicht ohne die entsprechende des anderen Ehegatten getroffen worden. Typisch wechselbezüglich ist die gegenseitige Einsetzung der Eheleute zu Alleinerben.

Wann darf der überlebende Ehegatte die Schlusserbfolge ändern?

Die Bestimmung der Schlusserben beim gemeinschaftlichen Ehegattentestament kann nach dem Tod eines Ehegatten nur dann geändert werden, wenn ausdrücklich im letzten Willen bestimmt ist oder durch Auslegung ermittelt wird, dass es sich dabei nicht um eine sogenannte wechselbezügliche Verfügung handelt. Außerdem kann der Längerlebende neu testieren, wenn er selbst beim ersten Erbfall die Erbschaft ausschlägt. 

So machen wir Erbrecht

Was wir unter einer guten Beratung im Erbrecht verstehen, wie wir das bei uns umsetzen und was Sie davon haben, erzählt Rechtsanwalt Bernfried Rose in diesem Video.